Auf dem Medienkongress an der Hochschule der Medien in Stuttgart fordern Experten zeitgemäßere Lernformen für die digitale Welt.

Stuttgart - Nur wenige Eltern haben eine Ahnung davon, was ihre Kinder im Internet so treiben - viele wollen es auch gar nicht wissen. Und viele Lehrer haben eine Scheu davor, den Umgang mit Neuen Medien im Unterricht zu behandeln. Bei einem Kongress des Landesmedienzentrums an der Hochschule der Medien haben 300 Teilnehmer - Eltern, Lehrer, Politiker und Wissenschaftler - darüber diskutiert, wie sich das ändern könnte - und sind bei Workshops am Nachmittag auch selbst in die Welt von Cybermobbing, Facebook und Co. eingetaucht.

 

"Das größte Problem beim Thema Medienkompetenz ist das Unterlegenheitsgefühl der Eltern und der Pädagogen", sagte der Kultusstaatssekretär Frank Mentrup - selbst Vater von vier Kindern. Da helfe es nur, wenn die Erwachsenen ihr Rollenverständnis neu definierten und sich als Lernende begriffen - auch gegenüber den Kindern. Wolfgang Kraft, der Leiter des Landesmedienzentrums (LMZ), räumte zwar ein: "Die Kinder sind uns in vielen Bereichen der Medienkompetenz voraus, aber wir müssen bei der Wertevermittlung unsere Stärken ausspielen." Christian Bucksch, der Vorsitzende des Landeselternbeirats, gab zu bedenken: "Viele Eltern stemmen das aber nicht." Die Familie als Bildungsort sei essenziell, aber dafür müssten die Familien auch gestärkt werden.

Dialog mit dem Kind soll im Zentrum stehen

Der Entwicklungspsychologe und Didacta-Präsident Wassilios E. Fthenakis plädierte für effektivere, prozessorientierte Lernmethoden, in denen der Dialog mit dem Kind im Zentrum stehe. Er betonte aber: "Wir kommen alle nicht weiter, wenn wir die Ausbildung nicht modernisieren." Dass es daran noch klemmt, bestätigte ein Dozent der PH Ludwigsburg: "Wir haben zwar erreicht, dass alle Lehramtsstudierenden eine verbindliche Einführung in Medienpädagogik erhalten." Doch für mehr reiche leider das Personal nicht. Er forderte, die Hochschulen entsprechend auszustatten. Hinzu komme, dass die Schulen nicht genug Luft und Raum hätten, um Bildungsprozesse zu gestalten.

Kraft forderte, Medienkompetenz durchgängig im Unterricht zu verankern. Dies solle "spätestens in der Grundschule" geschehen. Man müsse "einem Kind plausibel machen, was passiert, wenn ein Bild ins Netz gestellt wird". Das LMZ unterstütze Eltern und Lehrer dabei. Es biete nicht nur ein Elternmedienprogramm an, sondern bilde in einem 40-stündigen Kurs auch Schüler zu Medienmentoren aus, damit sie ihren Klassenkameraden helfen könnten. Mit dem abschließenden Zertifikat könnten die Mentoren auch später punkten. Und mit dem Elternprogramm erreiche man auch Migranten, die sich ihrerseits erfolgreich als Multiplikatoren engagierten.

Bildungspläne werden überarbeitet

Mentrup stellte klar: "Wir wollen keinen Medientechnologie-Bus mieten und die neue Medientechnologie an die Schulen bringen - so funktioniert es nicht." Aber man werde die Bildungspläne überarbeiten. Doch auch die Schulen müssten ihre Gestaltungsfreiheit nutzen und Lehrer ihre Angst vor der Technik ablegen. "Lehrer", so Mentrup, "müssen das technisch nicht alles beherrschen." Die Politik und Geld genügten nicht, sondern es sei auch eine Dialogbereitschaft vor Ort nötig.

Doch ganz ohne medientechnische Ausstattung geht es nicht. Günter Offermann, der Leiter des Friedrich-Schiller-Gymnasiums in Marbach am Neckar, schlug vor, statt der grafikfähigen Rechner (80 Euro) Tablets zu 150 Euro anzuschaffen. Kraft ergänzte, man könne ja auch die eigenen Geräte der Kinder in den Unterricht einbeziehen, um so Kosten zu sparen.

Eltern sollen mit Kindern über Medien sprechen

Fthenakis ging die Debatte nicht weit genug. Auch die Erzieherinnen in den Kitas müssten auf die neuen Technologien vorbereitet werden. Doch hierfür gebe es "kein stringentes Ausbildungskonzept". Das Land, so Fthenakis, könne es sich "nicht leisten, die wichtigsten Lernprozesse auf niedrigstem Niveau anzugehen", kritisierte er im Blick auf die Fachschulausbildung der Erzieherinnen.

Und welche praktischen Ratschläge geben die Experten? "Nehmen Sie Ihre Kinder, wie sie sind", riet Kraft, "und sprechen Sie mit Ihnen über Medien." Fthenakis empfahl Eltern, schon mit den kleinen Kindern gemeinsam Bilderbücher anzugucken und mit ihnen darüber zu sprechen. Dieser Anfang könne dann genutzt werden, um entwicklungsangemessen weitere Medien einzusetzen. "Und wenn das Kind es besser weiß - lassen Sie sich einfach darauf ein."