Städte müssen im globalen Wettbewerb bestehen. Sie sollen aber auch Heimat für die Menschen sein. Diese Herausforderung ist Anlass für die Stuttgarter Zeitung, namhafte Experten über Stadtentwicklung miteinander ins Gespräch zu bringen.

Stuttgart - Wenn es gut läuft, kommt man immer wieder gern zurück – ein Leben lang. Wenn es schlecht läuft, bleiben einem Bilder im Kopf von Lärm, Gestank, Unglück und Einsamkeit, die man am liebsten in den hintersten Winkel seiner Erinnerungen verbannt. Orte, in denen man lebt, können so einladend sein wie ein warmes Zimmer an einem nasskalten Novembertag oder abschreckend wie ein modriger Keller, in dem das Licht ausgeht.

 

Städte können Zuflucht bieten und Hoffnung. Sie stehen für Lebenschancen und Freiheit, für Aufbruch und Fortschritt, für weltumspannende Modernität, kulturelle Inspiration und weltanschauliche Vielfalt. Städte können aber auch Angst machende Moloche sein, in denen der einzelne sich verliert und in der Anonymität der Masse auch verloren ist.

Städte sind Sinnbild für wirtschaftliche Dynamik und materiellen Status. Eine blühende Stadt verspricht materiellen Wohlstand und Wohlergehen, pulsierendes Leben und bürgerliche Freiheiten. Eine darbende Stadt vermittelt Grau in jeder Hinsicht – fehlende Chancen, entgangene Erlebnisse, finanzieller Niedergang, Vergangenheit statt Zukunft, Leerstand statt Leben – bonjour Tristesse.

Die Städte versprechen wirtschaftliche Dynamik

Städte zu pflegen und zu entwickeln, damit sie den globalen und gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht werden können, ist deshalb nicht nur eine große Herausforderung für Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Es ist eine spannende Aufgabe für Menschen unterschiedlichster Profession, die vernetzt denken, die über den eigenen Kirchturm hinaus schauen und ihre direkte Umgebung zivilgesellschaftlich gestalten und modernisieren möchten. Die Stuttgarter Zeitung möchte mit ihrem zweiten Fachkongress „Stadt der Zukunft – Zukunft der Stadt“ diese Menschen miteinander ins Gespräch bringen. Sie schafft das Forum, um Trends zu diskutieren, wegweisende Projekte der Stadtentwicklung vorzustellen und von Erfahrungen anderer zu lernen.

In einer vernetzten Welt, in der man in wenigen Stunden von einem Kontinent zum anderen springt, ist auch der Wettbewerb zwischen den Städten globalisiert. Kleine Städte konkurrieren mit großen, ländliche Gegenden mit Ballungsräumen, Großstädte mit europäischen Metropolen und bedeutende Wirtschaftsstandorte – wie etwa Stuttgart oder München – mit wichtigen Märkten in der ganzen Welt.

Ein Thema, das dabei immer wichtiger wird und eine ungeheure Dynamik verspricht, ist das Internet. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einiger Zeit behauptete, „das Internet ist für uns alle Neuland“, wurde sie belächelt. Doch welches Potenzial in diesem Bereich steckt, erschließt sich vielen Menschen erst nach und nach. Das gilt auch für die Städte und Gemeinden, bei denen die elektronische Übermittlung von Daten längst den Alltags verändert hat. Ob Konzepte für mehr Sicherheit, die bessere Koordination von Verkehrsströmen, neue Dienstleistungen oder bessere Kommunikation – Big Data eröffnet eine Vielzahl von Möglichkeiten, Städte zu smart cities zu machen. Und es bietet auch den Bewohnern die Chence, besser miteinander ins Gespräch zu kommen, politische Prozesse transparenter mitzuverfolgen und als Bürger und Verbraucher stärker mitzubestimmen.

Die Stadt der Zukunft wird über Daten gesteuert

Wohlgemerkt: All das kann das Netz. Aber es bedarf auch der Kontrolle, der Grenzen, der Gewissheit, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht etwa materielle) Interessen einzelner Gruppen. Und die neue Datenherrlichkeit bedarf einer Infrastruktur, die vielerorts noch geschaffen oder ausgebaut werden muss. Das ist für viele Städte, vor allem für solche in strukturschwächeren Gebieten oder im ländlichen Raum, aber auch für Großstädte, die finanziell nicht auf der Sonnenseite stehen, eine enorme Herausforderung. Denn klar ist: Kommunen, denen es nicht gelingt, sich infrastrukturell zu modernisieren, die werden schnell abgehängt im härter werdenden Wettbewerb.

Und bei diesem Wettbewerb geht es ja nicht nur um Unternehmen und Wirtschaftswachstum. Wenn Städte in Konkurrenz zueinander stehen, geht es auch um die besten und innovativsten Köpfe, die benötigt werden, um den deutschen Wohlstand zu sichern. Die kommen keineswegs alle aus dem eigenen Land, sondern müssen aus aller Welt hierher gelockt werden, weil Deutschland selbst nicht genügend Nachwuchs hat. Doch diese Hochqualifizierten können heute wählen. Sie sie sind ungemein mobil und denken international, multireligiös und multikulturell. Sie wollen sich wohlfühlen in einer Stadt, erwarten urbane Lebensqualität und setzen auch hohe ökologische Standards voraus.

Doch genau hier kommt ins Spiel, was eine Stadt im Wettbewerb eben auch attraktiv macht: eine gute soziale Mischung. Denn Stadt ist nicht nur ein Ort zum Wohnen, Arbeiten und Einkaufen. Stadt ist auch Heimat. Ein Ort, an dem man Wurzeln schlagen will, eine familiäre Perspektive entwickeln kann, das Leben in seiner Fülle genießt und wo man als Mensch in Vertrautheit, Sicherheit und Geborgenheit alt werden darf. Die Stadt ist ein Kosmos .