Während in Deutschland noch Google als Inbegriff der Allmacht im Internet gilt, holt Facebook in strategischen Bereichen auf. Sowohl auf Mobilgeräten als auch bei Suchanfragen setzt das soziale Netzwerk zurzeit Trends.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Google ist immer noch die am meisten gefürchtete Daten-Krake der Deutschen. Erst in den vergangenen Tagen strickten Titelgeschichten in der Wochenzeitung „Die Zeit“ über den Google-Gründer Larry Page („Die unheimliche Mission von Mr. Google“) oder im Magazin „Stern“ über Googles-Technologieprojekte („Die geheime Welt von Google“) weiter am Mythos der Weltherrschaft. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa finden 54 Prozent der Deutschen Google bedrohlich.

 

Doch als Mitte Mai Facebook in Kooperation mit ausgewählten Verlagen damit begann, Nachrichten direkt auf seinem Portal zu platzieren, ging das geräuschlos über die Bühne. „Warum bereitet Ihnen die Marktmacht von Google Sorge, Facebooks Aufstieg zu einem mächtigen Medienkonzern aber nicht?“, fragte daraufhin das Nachrichtenmagazin Spiegel den Springer-Manager Christoph Keese. „Wir machen Geschäfte, wenn die Konditionen stimmen. Im Falle von Facebook ist das so, bei Google nicht“, antwortete er. Das ist insofern pikant, als dass Springer-Chef Mathias Döpfner zu den führenden Köpfen einer Anti-Google-Kampagne deutscher Verleger gehörte, die sich über die kostenlose Nutzung ihrer Inhalte durch die Suchmaschine beschwerten.

Facebook erlaubt den Inhalteanbietern aber nun, sich ihrerseits großzügig bei den Nutzerdaten zu bedienen. „Wir werden nicht hingehen und alles aufsaugen und verschlingen“, versprach Facebooks Produktchef Chris Cox bei der Präsentation des Projekts in den USA. In den Vereinigten Staaten haben laut einer Umfrage des Pew Research Center im vergangenen Jahr bereits die Hälfte der Internetnutzer Facebook genannt, als sie gefragt wurden, wo sie in der Woche zuvor Nachrichten im Netz gefunden haben. Diese Suche wird mit der neuen Funktion noch komfortabler.

Trumpfkarte Mobilgeräte

„Facebook ist dabei, Google zu killen“, schrieb das US-Start-up-Portal Venturebeat im April: „Hier kommen ein paar große Trends im Internet zusammen, mit einigen strategischen Entscheidungen, wo Facebook das Richtige getan hat.“ Das soziale Netzwerk attackiert beispielsweise dank inzwischen vier Milliarden Video-Streams täglich den Google-Ableger You Tube. Auf dem zukunftsträchtigen Gebiet der Anzeigen auf Mobilgeräten ist Facebook seit seinem Start vor drei Jahren rasch vorangekommen. „In diesem Bereich nimmt das soziale Netzwerk Google die Butter vom Brot“, schreibt das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“. In der vergangenen Woche meldete Facebook, dass schon Dreiviertel der Anzeigenerlöse und die Mehrheit seiner 1,44 Milliarden Nutzer weltweit über Mobilgeräte kommen. „Im Mobilbereich ist Facebooks Fähigkeit, der Königsmacher zu sein, so ähnlich wie die von Google im Internet“, sagt Ankit Jain vom US-Analyseunternehmen Quettra.

Doch auch bei Googles Königsdisziplin, der Suche im Netz, macht Facebook Fortschritte. Für immer mehr Nutzer, insbesondere auf Mobilgeräten, ist nicht mehr eine Suchmaschine der erste Anlaufpunkt im Netz, sondern ihr soziales Netzwerk. Nachdem erste Suchfunktionen im Jahr 2013 freigeschaltet wurden, bietet Facebook seit Ende 2014 zunächst für iPhone- und Desktopnutzer eine englischsprachige Volltextsuche an. Im März startete eine Suchfunktion für Firmenkunden, die nun analysieren können, was Facebook-Nutzer über ihre Produkte sagen. Ziel von Facebook ist es auch, mit den aufgekauften Kommunikationsplattformen Whatsapp, Messenger und Instagram ein eigenes Internet-Universum zu etablieren.

Geschlossenes Facebook-Universum

Und immer mehr kristallisiert sich heraus, dass aus Sicht von Anzeigenkunden das Geschäftsmodell von Facebook durchschlagender und nachhaltiger sein könnte als das von Google. Das soziale Netzwerk verpflichtet die Nutzer – unter Androhung von Sanktionen – sich mit dem Klarnamen anzumelden. Für Werbekunden wie Steven Kydd, dem Gründer der auf das Thema Essen spezialisierten US-Plattform Tastemade ist das ideal. „Da sich Facebook auf die reale Identität konzentriert, kann man hier im großen Maßstab personalisieren,“ sagt Kydd. Wer sich innerhalb des Netzwerkes tummelt, ist in einem viel stärker eingezäunten, übersichtlicheren und leichter zu analysierenden Bereich als im offenen Internet. Googles Nutzerdaten sind häufiger anonymisiert und seine Werbeerlöse leiden unter der wachsenden Zahl von Werbeblockern, mit der Nutzer im Internet den Datenzugriff abwehren. Der Zukauf des immer populäreren Nachrichtendienstes Whatsapp im Oktober 2014 für 19 Milliarden Dollar (rund 17 Milliarden Euro) hat Facebook zudem den Zugriff auf einen weiteren wertvollen Datensatz ermöglicht: Whatsapp greift auf die Mobilfunknummer zu – und die ist der Knoten- und Schlüsselpunkt zu vielen weiteren Daten.

Es sind Verknüpfungen wie diese, die Facebook nun verstärkt ins Visier von europäischen Datenschützern geraten lassen. Der österreichische Student Max Schrems beispielsweise hat mit einer viel beachteten Klage gegen Facebook wegen seiner Datenschutzeinstellungen einige Aufmerksamkeit gefunden. Voraussichtlich im Juni wird sich der europäische Gerichtshof mit der Frage befassen, ob Facebook Nutzerdaten aus Europa, das mit 260 Millionen Nutzern inzwischen ein wichtigerer Markt ist als der amerikanische, in die USA transferieren darf.

Noch agiert Facebook im Schatten des zum Lieblings-Buhmann der Deutschen avancierten Google. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch hier eine Wachablösung geben wird. „Es ist die Frage, ob das soziale Netzwerk beim Umgang mit Europas Politikern und dessen Rechtssystem aus früheren Fehlern von Firmen wie Intel, Microsoft und Google gelernt hat“, schreibt die New York Times.