Der Stuttgarter Konstantin Sibold ist im Jahr 2013 durchgestartet und konnte sich dank einigen Produktionen einen internationalen Namen machen. Im Interview spricht der 25-Jährige über die Kunst des Produzierens, weshalb er von Zuhause auszieht und welche Rolle dabei ein Soja-Schnitzel spielt.

Stuttgart - Berlin, Paris, Korea und Boilerroom Amsterdam – Konstantin Sibold beginnt gerade den Traum vieler elektronischer Djs zu leben und beweist, wie schnell man in dieser Szene international durchstarten kann. Der gerade mal 25-jährige DJ und Produzent, vor den Toren Stuttgarts aufgewachsen, feierte dieses Jahr seinen Durchbruch. Nachdem er seit 2010 kontinuierlich Platten an der Schnittstelle zwischen House und Techno veröffentlichte, konnte er im Frühjahr 2013 erst mit dem Tune „Madeleine“ trumpfen und landet schließlich mit einem seiner Remixe den Ibiza-Hit der Saison. Konstantin wird am 14. Dezember beim SEMF auftreten und spricht im Vorfeld über neue Herausforderungen, dem DJ-Jetset, über Erfolg und die Kunst des Produzierens: „Ich brauche Ideen und damit diese kommen, muss ich dafür etwas tun.“

Konstantin Sibold, eine Name geht um die Welt, zumindest in der elektronischen. Wie ist dein aktueller Gemütszustand angesichts der steigenden Reputation?
Ein paar von meinen Tracks, die gerade populär sind, sind zum Teil über drei Jahre alt, d.h. ich hatte die damals still und heimlich in meinem Zimmer produziert, ohne mir Gedanken darüber zu machen, was mit ihnen mal passieren wird. Mir schreiben mittlerweile viele Menschen, die mir einfach nur mitteilen wollen, wie sehr ein bestimmtes Lied von mir sie berührt hat oder wegfliegen ließ. Das freut mich sehr. Aktuell bin ich aber manchmal etwas überfordert, glaube ich. Ich bin ein Mensch, der Ruhe braucht und gerade werden diese Momente, in denen ich in Ruhe gelassen werde, immer rarer. Wenn ich dann zur Musik komme, dann vergesse ich alles, zu essen, zu schlafen, meine Mitmenschen und die Zeit.

Du bist gerade mal 25, hast aber schon ziemlich früh angefangen und zwar mit HipHop-Beats.
Ich lief damals rum wie ein Gangster. Ich trug Cornrolls und Jogginganzüge in XXL und ging mit den B-Boys trainieren, produzierte HipHop-Beats und Leif und ich machten Breakdance oder Rap-Aufführungen an Schul- oder Klassenfesten. Im Schullandheim mit 12 war ich so stolz, weil ich meine ersten einigermaßen guten Beats auf Kassette aufgenommen hatte und die auf dem Walkman meinen Kumpels vorspielte. Ich war aber schon damals sehr offen allen Musikrichtungen und deren Subkulturen gegenüber eingestellt. Mein Freundeskreis hörte Metal, HipHop oder Pop, später dann auch elektronische Musik.

Auf lokaler Ebene hast du dir gemeinsam mit deinem Kollegen Leif Müller einen Namen mit dem DJ-Duo und der gleichnamigen Partyreihe „Common Sense People“ gemacht. Ihr bucht sehr avancierte Gast-Acts in die Stadt - was auch leider öfters nicht so richtig angenommen wird. Wie beurteilst du die Stuttgarter Szene? Zählt lediglich der Hype und mangelt es am Interesse?
Ich liebe Stuttgart, aber zu einer Liebe gehört auch, dass man aneinander gerät und daran wächst. Ich habe vor ein paar Monaten ein paar kritische Töne in einem Interview mit Trendmusik.de angeschlagen, ohne dabei irgendjemanden persönlich anzugreifen oder beleidigen zu wollen und durfte mir kurze Zeit später anhören, dass es nicht okay sei öffentlich die Stuttgarter Party-Szene bzw. ihre Veranstalter zu kritisieren. Deswegen sag ich jetzt: Alles super hier im Ländle!

 

Jetzt bist du quasi selbst dabei "Hype" zu werden. Daran sieht man wieder, dass es in der Szene mit zwei, drei guten Tracks ziemlich schnell steil aufwärts gehen kann. Hat man das im Studio im Gefühl, da könnte was gehen, oder ist da einfach viel Glück dabei?
Ich glaube, der Zufall spielt in jeder Kunstform eine entscheidende Rolle. In der Techno- und House-Szene vielleicht sogar noch etwas mehr, Versuch und Irrtum. Man muss manchmal auch ein glückliches und geübtes Händchen haben, um im richtigen Moment die richtige Melodie zu finden oder eine Schallplatte zu entdecken, auf der das entscheidende Sample liegt. Ich brauche Ideen und damit diese kommen, muss ich dafür etwas tun. Als ich den Remix für Compost (von „No One Gets Left Behind“, d. Red.“) anfertigte, kam meine Mutter ins Zimmer rein und meinte: "Ist das von dir? Das wird ein Hit!" Ich habe anschließend den Track Dixon und Kristian von Âme geschickt, weil ich deren Meinung hören wollte und Kristian meinte nur: "Das ist ein Hit übrigens!" Der Tune wurde dann weitergereicht, bis den so Leute wie Ricardo Villalobos oder Sven Väth als Eröffnungs- oder Schlusslied in Ibiza spielten.

Du bist ziemlich vielseitig und deckst von Piano-House bis zu düsteren Techno ein breites Spektrum ab. Viele Produzenten dagegen setzen auf einen homogeneren Sound mit Wiedererkennungswert. Woher rührt das bei dir?
Manchmal frage ich mich, ob ich mir mehr einen musikalischen roten Faden wünschte, der es mir einfacher machen würde, mich zu kategorisieren. Aber vielleicht ist es auch gerade das, was mich reizt, dass ich mich jeder Schublade bisher entziehen konnte. Trends kommen und gehen. Deswegen mag ich es sehr, Verschiedenes zu machen und auch Lieder, die sich dem aktuellen Sound entziehen. Man kann nicht genau sagen kann, von wann sie sind und was für ein Genre sie genau bedienen, wie z.B. "Madeleine". Und da ich in meiner Freizeit viele Musikrichtungen querbeet höre, darunter auch 80er Pop und Gitarrenmusik, ist das wahrscheinlich die logische Konsequenz, dass ich einen gewissen Abstand zu jeder Musikrichtung wahre.

Inwieweit schlägt sich der aktuelle Erfolg als Produzent in Bookings nieder?
Ich spiele mittlerweile fast jedes Wochenende ein bis zwei Gigs in Europa und bekomme nun auch Anfragen über Europas Grenzen hinaus rein, wie Nordamerika oder Asien. Es ist schön zu sehen, dass meine Musik zwischenzeitlich in weit entlegene Gegenden vordringt und ich die Möglichkeit bekomme, dort zu spielen, obwohl das viele Umherfliegen schon jetzt etwas anstrengend sein kann.

Was erlebst Du auf den DJ-Reisen?
Grad befinde ich mich noch in einer Lernphase. Jedes Land, jede Stadt und ihre Menschen haben einen eigenen Geschmack und bestimmte Vorlieben, wenn es, wie in meinem Fall, um elektronische Clubmusik geht. Oft kann ein bestimmtes Lied bei einem bestimmten Publikum total zünden und die Party zum Überkochen bringen und einen Gig später an einem anderen Ort, erreicht jene Platte vielleicht sogar das Gegenteil. Für mich ist daher extrem wichtig, diese Erfahrungen grad aufzusaugen und zu reflektieren, um das Publikum besser lesen zu können und besser eine Balance zu halten, das heißt aus meinem Stil, den Anforderungen des Veranstalters und dem Geschmack des Publikums die optimale Schnittmenge zu finden.

Unsere Über-Rubrik heißt ja Stadtkind, wie wir aber mitbekommen haben, bist du ein überzeugtes Dorfkind, richtig?
Ich wohne noch bei meinen Eltern, in der Nähe vom Acker bzw. Naturschutzgebiet. Wir haben einen schönen Garten, mein Studiozimmer hat einen Südbalkon und meine Mutter kocht für alle vegetarisch, zudem sind meine Eltern sehr tolle und jung gebliebene Menschen. Das hört sich jetzt etwas eigenartig an, aber wenn man bedenkt, dass ich teilweise monatelang von Gig zu Gig und zu meiner Freundin nach Bonn reisen und die Tage daheim an einer Hand abzählen kann, genieße ich dann doch sehr die Ruhe und die guten Schwingungen, die daheim herrschen. Dennoch werde ich bald zu Leif nach Stuttgart in die Stadtmitte ziehen, da es die coolste Wohnung, mit den besten Mitbewohnern über den Dächern von Stuttgart ist, ich schnell beim Flughafen bin und auch ich mal erwachsen werden muss. Zudem wird Leif Müller in Insiderkreisen auch der Johann Lafer des Bio-Soja-Schnitzels genannt.

Klingt gut. Und wo hältst du dich sonst gerne in Stuttgart auf?
Schwierige Frage, aber ich glaube mein Lieblingsfleck ist auf der Terrasse der Guten Laune GmbH, der bereits erwähnten WG meines Kumpels Leif. Da ich ein Nachtmensch bin, kann man meine Freunde und mich manchmal beim Hans-im-Glück-Brunnen, in der Bar Romantica, im Rocker 33, im People, in der Corso Bar oder in anderen netten Ecken antreffen. Mir gefällt an Stuttgart, dass es überschaubar ist und man, wie in einem Dorf, die meisten Menschen kennt und weiß, wie diese ticken.