Leistung allein bringt Menschen in der beruflichen Karriere noch nicht nach ganz oben. Wer dorthin will, muss sich auch durch Präsenz empfehlen, sagt der Karriereforscher Johannes Steyrer.

Eine Frage, die nicht wenige umtreibt: Weshalb komme ich beruflich nicht vom Fleck? 'Höchstwahrscheinlich weil versäumt wurde, sich mit den Bedingungen und Notwendigkeiten des beruflichen Aufstiegs realitätsnah vertraut zu machen', vermutet Dr. Johannes Steyrer, Professor an der Interdisziplinären Abteilung für Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management an der Wirtschaftsuniversität Wien. Und die besagen: die starke Leistung ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für den Aufstieg. Denn der hängt maßgeblich mit vom persönlichen Bekanntheitsgrad über den Dunstkreis des eigentlichen beruflichen Wirkungsfeldes ab. Steyrer: 'Wer im Job nicht am Fuß der Karriereleiter Wurzeln schlagen will, muss als Könner in mehr Köpfen präsent sein als nur in dem des oder der unmittelbaren Vorgesetzten.' Steyrer verweist auf eine klassische Studie des amerikanischen Managementforschers Fred Luthans aus den 1980er Jahren.

Die effektiven Manager verbrachten elf Prozent ihrer Zeit mit Netzwerkpflege

Der untersuchte Unterschiede zwischen Managern, die erfolgreich Karriere machten, und jenen, die gemessen an ihrer Leistung in Menge und Qualität sowie der Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter besonders effektiv waren. Seine Erkenntnisse belegen die notwendige Präsenz in vielen Köpfen: Die effektiven Manager verbrachten elf Prozent ihrer Zeit mit Netzwerkpflege, die erfolgreichen Aufsteiger hingegen 48 Prozent. Steyrer: 'Wer sich nicht zeigt und auf sich aufmerksam macht, wird auch nicht gesehen. Das richtig geknüpfte Netzwerk ist die Startrampe für das Abheben in Richtung Höhenflug.' Wobei der Akzent auf 'richtig geknüpft' liege, sagt Steyrer und erläutert: 'Wir treffen bevorzugt Menschen, die uns im Hinblick auf Einstellung, Herkunft, Profession und so weiter ähnlich sind. Was persönlich angenehm ist, erweist sich Forschungen zufolge unter Karrieregesichtspunkten aber als eher gegenteilig. Beim karriereorientierten Netzwerken muss das Augenmerk auf nichtredundante, also über das Gewohnte hinausgehende Beziehungen zu einem Cluster einflussreicher Personen und Personengruppen gerichtet sein.' Soll heißen: Für die Karriere sind soziale Felder zu verknüpfen, die keine Schnittmengen aufweisen. Dazu gehören beispielsweise auch Beziehungen zu Mentoren. 'Besonders in komplexen Organisationen wird es ohne einen Förderer schwer, nach oben abzuheben', weiß Steyrer.

Menschen mit einem starken Self-Monitoring machen schneller Karriere

Also rät der Karriereforscher allen mit dem Drang nach oben: 'Überzeugen Sie durch Leistung, und empfehlen Sie sich durch Präsenz!' Aufschlussreich in diesem Zusammenhang sei das Self-Monitoring-Konzept des Harvard-Psychologen Professor Mark Snyder. Darin gehe es darum, in welchem Ausmaß eine Person ihr Verhalten an die Anforderungen spezifischer Kontexte anzupassen imstande ist, um einen empfehlenden Eindruck zu hinterlassen. Snyder zeige: Bei der herrschenden Informationsüberflutung werden schlicht und einfach die übersehen, die nicht imstande sind, auf sich aufmerksam zu machen. Menschen mit einem starken Self-Monitoring machen schneller Karriere, weil sie flexibler und anpassungsfähiger in ihrem Verhalten sind. 'Doch auch das wiederum sollte nicht zu dem vorschnellen Trugschluss führen: die anpassungsfähigen und selbstdarstellungsflexiblen strategischen Netzwerker, die sich geschickt ins Gespräch zu bringen wissen, sind die, die primär nach oben kommen', bremst Steyrer und verweist auf die Forschungen von Adam Grant, Professor für Organisationspsychologie an der berühmten Wharton Business School der University of Pennsylvania.

Drei Typen werden unterschieden

Grant unterscheidet drei Typen. Erstens die Nehmenden: Charaktere, die aus Beziehungen mehr herauszuholen suchen, als sie selbst investieren. Zweitens die Vergleichenden: Menschen, die sowohl berechnend als auch bereit sind zu geben, wenn dafür eine Gegenleistung winkt. Die meisten fallen in diese Gruppe. Drittens die Gebenden: Personen, denen es darum geht, anderen relativ selbstlos zu helfen, deren Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen, ohne unmittelbar eine Gegenleistung zu erwarten. Steyrer dazu: 'Wie eigentlich nicht anders zu erwarten: Die Angehörigen der Gruppe drei sind die Flügellahmen beim Karrieremachen. Auf den mittleren Stufen tummeln sich die Nehmenden und Vergleichenden. Doch nun kommt etwas ganz Interessantes: auf den oberen Sprossen finden sich wieder häufig Gebende.' Der vermeintliche Widerspruch lasse sich schnell auflösen, würden die Gebenden ganz unten mit denen ganz oben verglichen: Gebende in Spitzenpositionen geben wenig oder gar nichts, wenn sie dadurch ihre individuelle Zielerreichung gefährden. Das schützt sie vor Selbstausbeutung. Sie sind altruistisch, solange sie sich nicht selbst schaden.

Sich als die oder der Richtige empfehlen

Vergleichende sind hingegen altruistisch, wenn eine Gegenleistung erwartet wird. Das mache den Unterschied. Praktisch besage das Grant zufolge: Gebende sind exzellente Netzwerker. Sie stoßen durch selbstloses Entgegengehen Kooperation an. 'Grants Erkenntnisse decken sich mit den Netzwerk-Studien des amerikanischen Soziologen Mark Granovetter', dröselt Steyrer die Karrieremaschinerie weiter auf. Granovetter befragte Jobwechsler, wer ihnen Stellen empfahl. In 17 Prozent der Fälle waren es gute Bekannte. Aber in 28 Prozent der Fälle waren es Personen aus losen Kontakten. Steyrer weist auch auf die Fähigkeit der Gebenden zur Empathie und ihre Gabe zum Aufbau von Vertrauen hin. So sei ihr Verhandlungsstil nicht auf die Optimierung von Eigeninteressen gerichtet. Gebende holten nicht mehr oder weniger aus Verhandlungen heraus als Vergleichende oder Nehmer. Aber ihnen gelinge es besser, langfristiges Vertrauen aufzubauen. Auf die Karriere bezogen heiße das, sich als die oder der Richtige zu empfehlen.