Beim Superbowl hat sich die Sängerin zur „Black-Lives-Matter“-Bewegung bekannt und manche damit brüskiert. Die 34-Jährige bekam aber auch jede Menge Anerkennung für ihre klare Haltung.

Santa Clara - Seit dem Debakel um Janet Jacksons defektes Oberteil bei der Halbzeit- Show des Superbowl 2004 ist die Football Liga NFL vorsichtig geworden in der Auswahl der Stars, die sie vor dem 100 Millionen Zuschauer-TV Publikum auftreten lässt. Nach „Nipplegate“ bekam die Welt zwischen den Spielhälften um die größte Trophäe im US-Sport familienfreundliche Acts wie Paul McCartney, die Rolling Stones oder Tom Petty geboten.

 

Auch in diesem Jahr hatte man an sich gedacht, dass die Pausenunterhaltung im Levi Stadion von San Francisco den Konsens des breiten amerikanischen Mainstream treffen würde. Gebucht waren Coldplay, Bruno Mars und Beyoncé – alles altgediente Superstars des Pop-Gewerbes, die sicher in diesem wertvollen Augenblick nichts tun würden, was ihr Image und ihre Vermarktbarkeit gefährden könnte.

Doch das Kalkül ging nicht auf. Wie vor zwölf Jahren schon erntete die NFL für ihre Halbzeit-Show einen Shitstorm sondersgleichen. Grund für die Aufregung war die Darbietung von Beyoncé (34), die eigentlich als der beste Bühnenakt im Pop-Gewerbe gilt. Die Tanznummern zu ihren R-’n’-B Superhits wie „Crazy in Love“ oder „Single Ladys“ sind professionell, aufregend, brillant choreografiert und sexy. Doch gewöhnlich ist nichts dabei, was ein Massenpublikum bei einem Arenaauftritt brüskieren könnte.

Für viele eine untragbare Provokation

Doch wie weiland Janet Jackson legte Beyoncé in diesem Jahr der NFL ein Ei ins Nest, das dieser deutliches Unbehagen bereitete. Die Performance zur Single „Formation“, die sie erst einen Tag vor dem Superbowl per Youtube und Twitter veröffentlichte, war für viele Zuschauer, darunter einige sehr gewichtige und prominente, eine untragbare Provokation.

Stein des Anstoßes war der martialische Auftritt von Beyoncé und ihrer weiblichen Tanztruppe, der an die militante Bürgerrechtsgruppe der sechziger Jahre, die „Black Panthers“ anspielte. Um den Effekt zu verstärken malten die Tänzer ein X auf den Kunstrasen – eine Hommage an Malcolm X, der damals als Ikone der Panthers diente und der im Kampf um schwarze Bürgerrechte auch die Anwendung von Gewalt nicht ausschloss.

Das alles hatte eigentlich nur entfernt etwas mit dem Text von Beyoncés Song zu tun. Das Lied ist nichts anderes als ein Bekenntnis von Beyoncé zu ihrer schwarzen Identität. „I like my negro nose with Jackson Five Nostrils“ („Ich mag meine Neger-Nase mit den Nasenlöchern wie die der Jackson Five“), singt sie etwa. Anders als ihr erklärtes Vorbild Michael Jackson, so suggeriert Beyoncé, wird sie auch als Superstar nicht verleugnen, dass sie Afro-Amerikanerin ist.

Bekenntnis zu Beyoncés Wurzeln

Das „Black Pride“-Thema wird unterstrichen durch ein Bekenntnis zu ihren Wurzeln in den Straßen des amerikanischen Gettos. Sie sei „Bamma“ singt sie, ein Synonym für arme Afroamerikaner aus dem Süden. Sie esse Collared Greens und Cornbread – die Stammgerichte des amerikanischen Südens und nach gutem Sex nehme sie ihren Liebhaber mit zu „Red Lobster“ – einer Fast-Food-Kette, die für das Getto-Leben typisch ist.

Das alles dürfte für das weiße Amerika eigentlich noch nicht bedrohlich sein, es sei denn man fühlt sich im Jahr 2016 noch von einem Pop-Star bedroht, der sich zu seiner schwarzen Identität bekennt. Doch der Arena-Auftritt, ebenso wie das heiß diskutierte Video zu dem Song, verknüpfen die Botschaft mit einer unverhohlenen Solidaritätsbekundung zu den Zielen und Anliegen der „Black-Lives-Matter“-Bewegung.

In dem Video, das im New Orleans der Ära nach dem Hurrikan Katrina spielt, sind klare Anspielungen auf jene systematische Polizeigewalt gegen Schwarze zu sehen, gegen welche die „Black-Lives-Matter“-Bewegung sich organisiert. Und natürlich ist das Thema New Orleans insgesamt ein Symbol dafür, wie die USA mit all ihren Institutionen das schwarze Amerika vergessen und vernachlässigt hat. Kritiker des Superbowl-Auftritts fanden, dass Beyoncé ungebührlich den Sport politisiert habe. Einige, wie der einstige New Yorker Bürgermeister Rudy Guiliani, glaubten, Beyoncé habe beim Superbowl, der doch „eine Familienveranstaltung sei“, zu Gewalt gegen die Ordnungsmacht aufgerufen. Was Giuliani freilich völlig unpassend fand.

Sie gilt als First Lady des Pop-Betriebs

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums fand Beyoncé auch stürmischen Applaus. Die Tatsache, dass sich eine der größten Pop-Ikonen der Zeit so deutlich zu ihrer schwarzen Identität und den Themen des schwarzen Amerika bekennt, wird als Triumph gesehen, aufgewertet noch dadurch, dass Beyoncé die größtmögliche Bühne dazu genutzt hat und somit für ihr Image ein beträchtliches Risiko auf sich genommen hat.

Beyoncé gilt als die First Lady des Pop-Betriebs. Sie hat mehr als zwanzig Grammys für ihre Titel eingesammelt, das Time Magazine nahm sie in den Kreis der 100 einflussreichsten Menschen des Jahrzehnts auf. Zusammen mit ihrem Ehemann Jay-Z hat sie ein Entertainment-Imperium aufgebaut, dessen Wert auf eine Milliarde Dollar geschätzt wird.

Die Sängerin ist freilich nicht die erste Pop-Künstlerin, die sich der Themen der neuen amerikanischen Bürgerrechtsbewegung annimmt. Andere Stars wie Kendrick Lamar tun das schon lange und Zyniker behaupten bereits, Beyoncé reite auf einer Trend-Welle. Dennoch ist es zweifellos bedeutsam, dass ein Star von ihrem Format sich nun aus dem Fenster lehnt. Erst jüngst haben die Diskussionen um die Oscar-Nominierungen gezeigt, wie hart umkämpft die Unterhaltungsbranche noch ist und wie sehr dort noch immer Ausgrenzungsmechanismen greifen. Vor diesem Hintergrund war Beyoncés Auftritt ein Erfolg. Oder, wie der US-Komiker und Moderator Trevor Noah sagte:„Beyoncé war eindeutig die stärkste Spielerin auf dem Feld.“