Sie ist erst 20 Jahre alt, hat aber schon drei erfolgreiche Alben veröffentlicht und damit genügend Fans gefunden, um den großen Saal des Theaterhauses zu füllen. 1600 Menschen lassen sich am Donnerstagabend von Jasmin van der Bogaerde, die die Popwelt Birdy nennt, ins Reich der sinnlichen Hymnen entführen.

Stuttgart - Die Bühne im T1 des Theaterhauses ist eine Traumwelt an diesem Abend: Unzählige Stoffbahnen, die lang, schmal und dicht von der Decke herabhängen, verwandeln sie in einen schimmernden Wald, erleuchtet von einer Scheinwerferreihe weit oben. Noch bevor Birdy die Bühne betritt, weht leichter Nebel durch diese Landschaft.

 

Sie kommt, sie setzt sich an den Flügel, der die Szene zentral beherrscht. Sie beginnt ihren ersten Song, der „Shadow“ heißt. Er findet sich auf „Beautiful Lies“, ihrem jüngsten Album. Sie veröffentlichte es im März, zwei Monate vor ihrem 20. Geburtstag. Birdy wird fast den ganzen Abend am Flügel sitzen – eine junge Frau mit schönem langem Haar, die sich dort ganz in ihre Songs einhüllt. Sie spricht sehr wenig mit ihrem Publikum, stellt ihre einzelnen Stücke nur knapp vor, wirkt ruhig und introvertiert. Beginnt sie aber zu singen, öffnet sie sich auf die erstaunlichste Weise. „Welcome to the Music of your Heart“ - das ist der erste Satz, den sie vorträgt, in Stuttgart.

Mit 12 Jahren gewann die eine Talentshow, mit 15 veröffentlichte sie ihr erstes Album

Birdy ist, was viele junge Frauen gerne wären: Ein Wunderkind, das auszog, bei Talentwettbewerben zu siegen, das daraufhin ein Star wurde. Gerade einmal zwölf war sie, als sie bei einem britischen Wettbewerb mit einer Eigenkomposition siegte. Mit 15 veröffentlichte sie ihr erstes Album, darauf noch vorwiegend Stücke, die sie sich von anderen Künstlern lieh.

Auf „Beautiful Lies“ finden sich nun erstmals Songs, die sie sämtlich selbst komponierte, oftmals jedoch nicht alleine. Ihr Sound ist dichter, orchestraler geworden und wird auf der Bühne umgesetzt von zwei Keyboards, Schlagzeug, Bass, Gitarre, Geige, manchmal auch Flöte. Die Gitarre ist jenes Instrument, das hier am wenigsten zu sagen hat – meist spricht der Flügel, die Geige umspielt seine Noten. Sie leitet auch jenen Moment ein, in dem Birdy sich zu ihrem wohl größten Vorbild bekennt: „Silhouette“, ein Song, so getragen und verträumt wie viele dieses Abends, beginnt dunkel zu pulsieren, im Saal kehrt die tiefblaue Nacht ein und plötzlich singt Birdy Kate Bush: „Running up that Hill“.

Harte volle Schläge des Drummers, wilde Sprünge der Geige

Wechsel im Tempo bestimmen das ganze Konzert, geben ihm seine Dynamik. An ihrem Instrument fühlt Birdy sich deutlich am wohlsten, dort sitzt sie und singt mit ihrer sehr markanten, vollen Stimme Ballade an Ballade, schickt ihr Publikum auf Reisen durch Gefühlswelten. All ihre Stücke besitzen zugleich aber auch ein starkes rhythmisches Moment, das schnell in den Vordergrund treten kann; harte volle Schläge des Drummers, die gemeinsam mit den wilden Sprüngen der Geige dramatischen Höhepunkten entgegeneilen.

Die Keyboards, der Bass schließen auf, die Stimme dieser jungen Sängerin wächst in diesem schillernden Gewand zu erstaunlicher Größe. Dann wieder versinkt die Band im Dunkel: Birdy scheint alleine auf der Bühne zu sein, leicht über die Tasten ihres Flügels gelehnt. Die intimen Momente kehren immer wieder, und eine sparsame, sehr effektvolle Lichtregie verleiht ihnen immer wieder neue, vor allem nächtliche Farben.

Sie hat auch schnelle Songs auf Lager und bringt ihr Publikum damit auf Trab

Nur zweimal steht Birdy auf, um zur Gitarre zu greifen, zur elektrischen zuerst, später zur akustischen. Dann singt sie die schnellen Popsongs, zeigt, dass sie ihr Publikum auch körperlich bewegen kann. Bei „Take my Heart“ schließlich tritt sie ans Mikrofon, ohne Flügel, ohne Gitarre, überlässt sich ihrer Stimme, wird zur großen Pop-Soul-Sängerin. Sie steht dort, ernst, leidenschaftlich, aber auch weit entfernt, ganz eingeschlossen in ihre eigene Welt.

In Stuttgart stellt sie ihr neues Album nahezu vollständig vor. Nur wenige ältere Songs runden die Show ab - „Skinny Love“ natürlich, „People help the People“ außerdem, das früh am Abend kommt und ein erkennendes Seufzen durch das Publikum schickt. „Let it all go“ heißt das erste Stück der Zugabe. Birdy holt den Sänger Lawrence Taylor auf die Bühne, der sie bei ihrer Tournee als Support begleitet und sich mit rauer Stimme im Duett mit ihr gut ausnimmt. Mit „Keep you Head up“ schickt die Träumerin ihre Fans ganz zuletzt sehr zuversichtlich nach Hause.