Christliche Musiker aus dem Nahen Osten haben in der Stiftskirche ein bewegendes Konzert gegeben. Einige von ihnen sind ihres Glaubens wegen aus ihrer Heimat geflohen.

S-Mitte - Es gibt Christen in der arabisch-islamischen Welt, viele sogar. Aber überall, von den Kopten Ägyptens über die katholisch unierten Maroniten im Libanon bis zum christlichen Zehntel der Menschen Syriens sind sie in Angst und Sorge. Das war zu spüren am Sonntagabend in der ziemlich dicht besetzten Stiftskirche, wo die Arabische Evangelische Gemeinde zu einem interkulturellen geistlichen Konzert unter der Überschrift „Ex oriente vox – eine Stimme aus dem (Nahen) Osten“ eingeladen hatte.

 

Aus Paris war die Sängerin Fryda Fegali angereist, die aus dem Libanon stammt. Begleitet vom schwäbischen Pianisten und Dirigenten Johannes Zimmermann, trat als zweite Frauenstimme Rita William auf. Mit ihrem Mann Raghid William, der die arabische Bambusflöte Nay spielte und dem Synthesizer zwischendurch orientalische Lautenklänge entlockte, ist sie vor Jahren aus Bagdad geflohen. Von den einst anderthalb Millionen irakischer Christen ist allenfalls noch ein Viertel im Land. Der aus dem Libanon stammende blinde Pfarrer Hanna Josua begrüßte die Gemeinde und ihre Freunde. Er drückte tiefe Sorge über die Unruhen im Nahen Osten aus, beschwor aber die „Hoffnung trotz des vielen Bluts“. Seine schwäbische Frau Heidi Josua moderierte das Konzert und steuerte Gebete und Bildmeditationen bei, auch Kalligrafien, künstlerisch gestaltete arabische Schriftzeichen. Zum Vorspiel mit Nay und Klavier aber waren Fotos zu sehen, von Menschen, Kirchen, christlichen Symbolen.

Ganz verschiedene, wahrhaft interkulturelle Einflüsse waren aus den Liedern zu hören, deren arabische Texte jeweils in deutscher Übersetzung von der Leinwand zu lesen standen. „Ich will dir danken“ hieß der Eingangs-Psalm, und er klang fast weniger arabisch als vielmehr nach jiddischem Klezmer oder den melodischen Figuren einstimmigen griechisch-orthodoxen Chorals. Teilweise sang die Gemeinde mit, auch bei jenen Liedern, in denen westliche Harmonien, Gospel und Pop durchzuhören waren. Sehr eindrücklich wirkte aber auch das gesprochene Wort, der im Wechsel von Arabisch und Deutsch von der Gemeinde deklamierte 103. Psalm „Lobe den Herrn, meine Seele“.

Von 1,5 Millionen Christen ist allenfalls noch ein Viertel im Irak

Mit einer koptischen Melodie ging die Vielfalt weiter. Die koptische Kirche führt sich auf den Evangelisten, Missionar und in Alexandria als Märtyrer gestorbenen Heiligen Markus zurück. Ihr besonderes Selbstbewusstsein, so erläuterte Heidi Josua, ziehen die rund 15 Millionen Kopten in Ägypten aus ihrem Land als Fluchtort Jesu, aber auch aus den grausamen Verfolgungen durch den römischen Kaiser Diokletian. „Halleluja, mein Herz ist fest in dir“ hießen übersetzt die Worte dazu, deren eingängiger Rhythmus die Gemeinde zum Mitklatschen animierte.

Im Hintergrund sah man dann zu „Einer von uns, verachtet von allen“ die Kreuzigung von Grünewalds Isenheimer Altar. Einem Instrumentaltitel und einem Gebet folgte die klavierbegleitete Händel-Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebet“. Fryda Fegaly sang dieses Messias-Herzstück im originalen Englisch. Beim selben Thema blieb ein Passionslied aus Jordanien.

Der seit der Mitte der 70er Jahre mal lodernde, mal lauernde Bürgerkrieg im multireligiösen Libanon und vor allem in der Hauptstadt Beirut ist der Hintergrund eines dort entstandenen Liedes mit dem Titel „Quell der Liebe“, das mit dem Hilferuf „Verlass uns nicht!“ endet. Es klang über den arabischen Worten trotz der Bambusflöten-Untermalung im Stil doch stark nach dem weltweit verständlichen Sound des Sakro-Pop und jenem gospel-inspirierten Neuen Geistlichen Lied. Mit Inbrunst sang man das im Kirchenschiff mit. Da flossen auch Tränen.

Nach dem Grußwort eines Vertreters vom „Middle East Council of Churches“ gab es zum Konzertende hin auf Deutsch und dem im Libanon gebräuchlichen Französisch wechselweise ein Gotteslob, danach das Vaterunser auf Arabisch und schließlich ein Friedenslied, das offenbar auch zu den vielgesungenen Standards der Arabischen Evangelischen Gemeinde gehört, die sich als Teil der Stiftskirchen-Gemeinde versteht. Ihre vielfältigen Stimmen aus dem (Nahen) Osten hinterließen einen tiefen Eindruck.