Die Amerikanerin Sally Grayson rockt mit ihren Black Swift an der Hauptstätter Straße.

S-Mitte - Sie hat diese unverwüstliche Freundlichkeit und ewig gute Laune der Amerikaner. Dabei sind die Songs von Sally Grayson oft eher dunkel, meist ein wenig in Moll getönt. Mit ihrer Band Black Swift trat die Rockpoetin vom Lake Michigan am Freitagabend im Liveclub „Kiste“ am lauten Rand des Bohnenviertels auf. Der Black Swift, das ist ein schwarzer Segler. Dieser geheimnisvolle Nachtvogel gilt ihr als Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit.

 

Der Flyer der „Kiste“ hatte „laute Gitarren“ angekündigt – E-Gitarren, versteht sich. Die eine spielt Sally Grayson selbst, auf der anderen darf sich David Arzt immer wieder austoben. Aber Sally spielt zwischendurch auch Akkordeon, oft fein und melancholisch wie ein Straßenmusikant von der Seine oder ein Tango-Bandoneonist in Buenos Aires. Auch Tobias Unrath legt den E-Bass manchmal zur Seite und greift in seinen Kontrabass oder streicht ihn sogar. Und selbst am Schlagzeug sitzt mit Steffen Eifert – bei aller Härte – doch mehr jemand für Feinmechanik.

Flirten und Schwäbeln mit dem Publikum

Es passt zu diesen Gegensätzen, dass Sally den Gig mit einer Klangschalen-Meditation beginnt. „Das Jetzt ist die einzige Realität, freuen wir uns dran“, sagt sie auf Englisch und legt dann mit „George Lassos Sun“ richtig laut los. Das ist sehr straighter Rock wie auch „Mike the Horse“, einer der bekanntesten Titel dieser Stuttgarter Formation. Bevor es mit dem Akkordeon etwas balladesker und sanfter wird, flirtet sie ein wenig mit dem Publikum und schwäbelt es nach „Go, Sally, go!“-Rufen mit breitem Chicago-Akzent an: „Jetzetle . . .“

Ihre Stimme kann sich wandeln von ekstatischem Die-Seele-aus-dem-Leib-schreien über kehlige Girlie-Power bis zum zärtlichen, aber nie schmalzigen Ton von „On Your Lips and near Your Heart“. Auch bei „Your Grace“, was eine getragene Jesus-Rock-Ballade im Dreiertakt eines Slow Waltz ist, greift sie dann zum Akkordeon. Man könne da mitschunkeln und mitsingen, fordert sie die Zuhörer auf und nimmt damit dem Ganzen ein wenig den frommen Ernst. Nicht weniger Glaubenssache dürfte „Mary’s Anthem“ sein, das in seinem etwas traurigen Ton ein wenig an die alten Hymnen von Lynyrd Skynyrd erinnert. „Free Bird“ würde ja passen zum Black Swift. Aber das waren Südstaatler.

So ein paar Country-Einflüsse sind am Schluss zu hören, bei dem Lied über ihre Freundin, die – „alles wahr!“ – offenbar ein liebenswürdiger Unglücksrabe ist und eine tapfer hoffnungsvolle Hymne wie „Tragedy Magnet“ gewiss verdient hat. Auch das ist eine Premiere, und doch sehr souverän gespielt, wozu nicht zuletzt Sallys ausgezeichnete Nebenmänner eine ganze Menge beitragen, ohne der Frontfrau die Führung auf der Bühne im Geringsten anzutasten. Vor diesem Finale aber kommt Sally Grayson zunächst noch das große Heulen in „The World Howls“, bei dem die ratlose Verzweiflung über den Zustand der Welt ganz echt und ganz tief klingt. Denn sie will nicht das Problem sein, sondern die Lösung, heißt es im Text.

Rockmusik mit einem ganz eigenen Ton

Mit harten Schlägen peitschen die beiden Gitarren „Branches and Sticks“ voran, während es zu weiten Melodiebögen des Akkordeons in „Rusty Sounds go Silent“ wieder weicher zugeht. Da sucht sie die Liebe („Where are You?“), wogegen ihr in „Divinely Alive“ die Zärtlichkeit ausgerechnet auf dem Friedhof begegnet, bei einer Beerdigung. Bei all den Einflüssen von Gypsy, Blues oder Urban Folk und der ganzen Bandbreite zwischen leisen Klagen, knallhartem Beat und wüstem Heulen findet Sally Crayson doch einen ganz eigenen Ton in ihrem Rock. Die eigenwillige, manchmal amerikanisch fromme Poesie ihrer Texte trägt da gewiss auch ihren Teil zu bei.

In der dicht besetzten „Kiste“ fand diese Musik jedenfalls begeisterten Anklang. Die beiden fälligen Zugaben zeigten, dass dieser eigene Sound schon lang angelegt ist bei Black Swift. Auf ganz alte Lieder müsse sie da zurückgreifen, kündigte Sally Grayson an. „Wayfaring Stranger“ hieß der erste dieser Songs. Und bei dem sehr geradlinigen „Elijah Rock“ kam auch die religiöse Hintergrundfarbe wieder zu ihrem Recht. Aber schön, dass bei Black Swift so gar nichts Missionarisches mitschwingt, sondern einfach der Spaß an gutem amerikanischem Rock im Zeichen des schnellen schwarzen Seglers. Freiheit, Unabhängigkeit, Zuversicht – freundlich und gut gelaunt bei aller Melancholie.