Der Ausnahmegitarrist Mark Knopfler hat die Stuttgarter Schleyerhalle bei seinem ausverkauften Konzert beglückt – ganz ohne Experimente und Schnickschnack.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Soeben hat die Zugabe begonnen, als der vielleicht eindrücklichste Moment des Konzerts zu bestaunen ist. Mark Knopfler hat sich eine quitschrote Fender Stratocaster umgebunden, einer seiner drei (!) Begleitgitarristen das haargenau gleiche und gleichlackierte Instrument umgeschnallt. Der Begleiter, ein natürlich äußerst versierter Saitenkünstler (alles andere wäre auf diesem Musizierniveau ja auch überraschend), streut also ein paar Riffs, ein paar Licks und ein paar Melodiebögen in das nun folgende Stück ein, während Knopfler ihm dabei aufmunternd nickend zusieht. Dann greift Knopfler ein, er macht nahezu das gleiche – und macht es doch komplett anders. Mark Knopfler lässt die Fender singen, er lässt die Melodien strahlen, sein Gitarrenton steht luzide in der Arena, umstandslos erkennt man – ohne die Fähigkeiten seines Begleiters schmälern zu wollen –, wer hier der Koch und wer der Kellner ist.

 

„So far away“ heißt das Stück passenderweise, es ist einer der alten Gassenhauer seiner früheren Band Dire Straits. Und der Titel ist so sinnbildlich, weil unüberhörbar in diesem Moment deutlich wird, wie weit weg der schottische Ausnahmekönner von ganz normalen oder aber auch ganz vorzüglichen anderen Gitarristen ist. Ein Dutzend Doktorarbeiten könnte man vermutlich zur Frage verfassen, welcher der beste lebende E-Gitarrist der Welt ist. Zwölf verschiedene Ratschlüsse würde man wahrscheinlich am Ende bekommen (Eric Clapton, Jimmy Page, Jeff Beck, Ry Cooder, Joe Satriani, Peter Green, Carlos Santana, Al Di Meola, Pat Metheny, John Scofield oder Robert Fripp vielleicht, um mal elf zu nennen), aber dass in jeder dieser Dissertationen auch der Name Mark Knopfler aufscheinen würde, ist wohl unbestritten.

Fantastisch, das darf ohne Übertreibung gesagt werden, bedient er seinen Sechsaiter. Mit seinem Markenzeichen, dem gänzlich unverzerrt leuchtenden Ton, dem brillanten Anschlag, dem Gespür für das perfekte Timing und zugleich jenem gelassenen, völlig in sich ruhenden Musizierduktus, mit dem er scheint’s völlig mühelos sein Instrument bedient, begeistert Mark Knopfler nicht grundlos seit Jahrzehnten sein Publikum.

In der unverschämt glutheißen, am Sonntagabend mit neuntausend Zuschauern ausverkauften und bestuhlten Schleyerhalle, begrüßt Mark Knopfler das Publikum mit der kessen Ansage, dass es heute sehr quälend sei, was aber doch hoffentlich nur für die Temperaturen und nicht für sein Konzert gelten möge. Danach spielt er – wenig originell – exakt die gleiche Abfolge an Songs, die er bisher bei jedem Abend dieser sehr ausufernden Welttournee gespielt hat. Zum Auftakt das Stück „Broken Bones“ von seinem aktuellen, im März erschienenen Album „Tracker“, danach zwei Songs vom insgesamt deutlich folkigeren Vorgängeralbum „Privateering“. Es folgen zwei Klassiker aus dem Dire-Straits-Repertoire, ein paar ältere Stücke und zum Abschluss des regulären Sets „Telegraph Road“, abermals von der Band Dire Straits, die ihn groß gemacht hat. Beziehungsweise: die er groß gemacht hat.

Keine Experimente, kein Schnickschnack

Exemplarisch nachzuhören ist das beim dritten Lied, mit dem sich die Dire Straits neben „Money for nothing“ und „Brothers in Arms“ in das kollektive Rockmusikgedächtnis eingebrannt haben: bei „Sultans of Swing“. Das ist das Lied, bei dem man sich, wenn man die Augen schließt, immer als Lonely Rider am Lenkrad eines Vierzigtonners wähnt, der einen in die Endlosigkeit führenden Highway entlangtuckert. Cool und lässig schütteln Knopfler und seine das Konzert über mal in klassischer Rockquartettbesetzung, mal achtköpfig mit Kontrabass, Piano und obendrein noch Keyboard agierende Band diesen Evergreen in der Schleyerhalle aus dem Ärmel. Das famose Lied zeigt prototypisch die Knopfler’schen Songwriting-Ingredienzen: eine locker dahinstromernde Melodie, der sich der (zugegeben nicht schlechte) brummelige Gesang unterordnet, und die geadelt wird von eben jenen glasklaren und messerscharfen Gitarrentönen, mit denen Knopfler einerseits das Stück grundiert und es andererseits immer weiter forttreibt.

Experimente gibt es bei dem Auftritt in der Schleyerhalle nicht, Schnickschnack ebenso wenig. Das beginnt mit dem Fehlen einer Videowand, was schade und bei einem Konzert dieser Größenordnung eigentlich unakzeptabel ist. Von den hintersten Rängen der Arena ist kaum noch etwas zu erkennen, und das hat Knopfler vermutlich nicht im Sinn, wenn er „So far away from me, so far I just can’t see“ singt. Weiter geht das mit einer Bühne, die karger nicht eingerichtet sein könnte. Mit den spärlichen Ansagen des Meisters. Und einer ganz schön durchschnittlichen Konzertlänge.

Nicht überaus innovativ zeigt sich der britische Musiker auch bei der Songauswahl. Die Dire-Straits-Nummer „Romeo and Juliet“ hat Mark Knopfler auch bei seinem letzten und vorletzten und vorvorletzten Konzert 2013 und 2010 und 2008 in der Schleyerhalle gespielt, das erwähnte „Telegraph Road“ sowie die Stücke „Corned Beef City“ und „Postcards from Paraguay“ zumindest beim letzten Auftritt an gleicher Stelle. Die anderen zwei erwähnten Großhits seiner einstigen Band kommen diesmal gar nicht.

Schottische Wurzeln

Das mag man ein Konzept nennen, und das ist zwar musikalisch sehr ansprechend, aber natürlich auch sehr routiniert und vor allen Dingen auch vorhersehbar. Sehr gut also, dass doch etwas anders ist als bei den letzten Gastspielen. Denn der 65-jährige Schotte scheint sich auf dieser Tournee ein wenig mehr der Wurzeln seiner Heimat entsinnen zu wollen. Bemerkenswert häufig schweifen Knopfler und seine vorzüglich aufspielende Band ab zu den gälischen Wurzeln, mal wird eifrig die Fiddle oder die Mandoline bedient, mal die Tin Whistle oder ein Akkordeon, eine hübsche, im Rockinstrumentarium eher ungewohnte Folk-Nuancierung und facettenreiche Klangfarben bieten sich so.

„Piper to the End“ heißt schließlich das Ende, mit diesem Song hat sich Knopfler auch vor fünf Jahren in der Schleyerhalle verabschiedet. Draußen ist’s noch hell, drinnen hat uns Knopfler mit einer zwar nicht wahnsinnig inspirierten Show, aber doch mit hinreißender Virtuosität erfreut.


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