Superpunk sind auf Abschiedstournee und waren noch einmal im Schocken. „Punk“ wurde da mehr zur Attitüde als zum musikalischen Programm. „Super“ war der Montagabend aber allemal.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Hamburger Schule? Northern Soul? Oder doch einfach Superpunk? Es ist nicht so leicht zu sagen, welche Spielart der neueren Deutschpopmusik am 3. Juni einen herben Verlust zu beklagen hat, wenn Superpunk ein für alle Mal von der Bühne abtreten. In jedem Fall wird dem Pop eine sympathische Fünfer-Combo verloren gehen. Am Montagabend haben Superpunk im Schocken in Stuttgart noch einmal gezeigt, warum dem so ist.

 

Vielleicht ist es der Münchner Einschlag, der die genaue musikalische Verortung dieser Band so schwierig macht. Die Texte: zwischen Augenzwinkern und Sozialkritik. Die Musik: ein bisschen Schrammeln, ein bisschen Schweineorgel, ein bisschen Swing. Der Sound: wie im Proberaum. Das Auftreten: mal putzig, mal hanseatisch-kühl. Die Mischung: stimmt, trotz mancher Widrigkeit.

Songs auf Zuruf

„Mein Girl hat mit mir Schluss gemacht. Mein Geld, das hab’ ich durchgebracht. Im Fernsehen läuft nur Tennis. Und das ist mein Verhängnis.“ (aus dem Song "Matula, hau mich raus").

Superpunk mag es seit Mitte der Neunziger geben. Doch man nimmt ihnen trotzdem ab, dass sie ganz anders auftreten – auf der Bühne im Schocken stehen sie nicht wie Vollprofis, sondern wie fünf Musikschüler, die zwischendurch mal die Setlist in die Hand nehmen und dann doch auf Zuruf einen anderen Song spielen. Sänger und Rhythmusgitarrist Carsten Friedrich ärgert sich über sein Stimmgerät und bewundert Lars Bulnheim, weil der Soli kann und nicht nur Akkorde. Profimusiker? Kann ja sein, aber gewiss nicht so aalglatt wie die übrigen 99 Prozent der Branche.

Die Selbstironie hat diese Band schon im Namen, denn Superpunk machen gar keinen Punk, beziehungsweise nur ein bisschen. Vergangenes Jahr erschien ein Greatest-Hits-Album, wobei sich dem Label Tapete Records die Frage stellte: welche Hits? In die Verkaufscharts schafften es Superpunk nämlich kein einziges Mal. Man kennt sie trotzdem – wenn auch mehr wegen ihrer Haltung als wegen ihrer musikalischen Genialität.

Manchmal rumpelt es ein bisschen

„Die ganzen Lügen konnt er nicht mehr ertragen. Er fuhr mit dem Laster in die Stadt, um es dem Fabrikanten zu sagen. Die alte Fabrik, über die die Leute nichts wussten. Die Sklavenarbeiter und Rendite mit Kriegen im Osten.“( aus dem Song "Auf ein Wort, Herr Fabrikant").

Manchmal rumpelt es in der Tat ein bisschen, der eine oder andere Griff geht auch minimal daneben. Aber es geht an diesem Abend ja um Punk, zumindest als Attitüde. Vielleicht aber auch einfach um Spaß. Und zwar nach alter Schule: das Publikum schießt keine Handyfotos, sondern tanzt (wenn auch nicht so enthusiastisch, wie Superpunk es von anderen Konzerten kennen. Aber die Band kennt das meist zurückhaltende Stuttgarter Publikum und ist ihm nicht böse), die Musiker haben keine Effektgeräte, sondern spielen – mehr als zwanzig Songs übrigens. Der Gig gleicht stellenweise einem Wunschkonzert, und er scheint nicht mehr zu Ende zu gehen: Mehrfach bittet das Publikum Superpunk für Zugaben erneut auf die Bühne, die fünf Herren sagen natürlich nicht Nein.

Die letzte Clubtour, aber...

„Und alles war ich anfass’, verwandelt sich in Blei. Doch nichts ist vorbei, bevor es vorbei ist. Meine Damen und meine Herren! Ich weiß, Sie kennen alle Tricks, doch Sie sollten wissen, dass mit mir stets zu rechnen ist.“ (aus dem Song "Ich weigere mich aufzugeben").

Man mag, auch das wird im Schocken thematisiert, ein wenig aus dem Leim gegangen sein – das gilt für die Band wie für Teile des Publikums. Man mag (wie Sänger Carsten Friedrichs) eine Brille brauchen, legt sie aber für die Bühne ab. Man hat die Hochzeit der Hamburger Schule aufziehen und wieder zu Ende gehen sehen und war selbst Teil davon. Aber man ist immer noch Superpunk.

„Du hast es nicht weit gebracht“ heißt der letzte Song, den Superpunk an diesem Abend im Schocken spielen – „das passt ja“, stellt Sänger Friedrichs selbst fest. Vielleicht ist es der letzte Song, den sie je in Stuttgart spielen. Eigentlich bleibt nur noch eine Hoffnung nach diesem Konzert der als „letzte Clubtour“ angekündigten Tournee: dass es noch eine „letzte Stadiontour“ geben könnte. Kommt halt auf das Stadion an.