Ein Fleischlappen auf der Stirn signalisiert den sozialen Rang des Pukeko-Vogels.

Stuttgart - Ein Blick auf die Stirn des Pukeko-Vogels in Neuseeland verrät anderen Vögeln sofort, mit wem sie es zu tun haben. Dort prangt ein roter Fleischlappen, der wenige Millimeter dick ist und dessen Form an das Plättchen erinnert, mit dem Gitarrenspieler die Saiten zupfen. Je größer der Stirnlappen ist, desto eher gehört sein Träger in die Chef-Etage der Pukekos. Die auch als Purpurhühner (Porphyrio porphyrio) bekannten Vögel sind in einer riesigen Region zuhause, die von Australien bis zur Iberischen Halbinsel reicht. Ein kleiner Stirnlappen deutet dagegen an, dass der Vogel in der sozialen Hierarchie eher wenig zu melden hat. So berichteten es jedenfalls kürzlich Cody Dey von der McMasters-Universität im kanadischen Hamilton und seine Kollegen im Fachblatt „The Auk: Ornithological Advances“.

 

Die Forscher wollten ein wenig Licht in die Statussymbole bringen, die nicht nur im Leben von Menschen, sondern auch bei Tieren eine wichtige Rolle spielen. Signalisieren militärische Rangabzeichen, Autos, eine Irokesen-Frisur oder etwa während englischer Pferderennen die Hüte vieler Frauen den sozialen Stand unter den Zweibeinern, übernehmen bei Tieren Geweihe, ein auffälliges Gefieder oder andere Teile des Körpers wie der Stirnlappen der Pukekos diese Funktion.

Eigene Qualitäten anpreisen

Dieses öffentliche Zurschaustellen der eigenen Qualitäten bietet enorme Vorteile. So erkennt ein normaler Soldat beim Militär einen höheren Offizier an seinen Rangabzeichen und weiß sofort, dass er sich mit ihm besser nicht anlegen sollte. „Ähnlich geht es einem Hirsch, der einem Artgenossen mit zwanzig Enden am Geweih besser aus dem Weg geht, wenn er selbst nur zwölf davon hat“, erklärt Oliver Höner. Der Biologe vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin beschäftigt sich seit 21 Jahren mit der Hierarchie von Hyänen im Ngorongorokrater im Norden Tansanias. Während der Forscher den Status der Hyänen bisher nur an den Verhaltensweisen der Tiere erkennt, zeigen andere Arten ihren Rang mit deutlichen Zeichen am Körper. Stehen sich zum Beispiel zwei Hirsche mit ähnlich vielen Enden am Geweih gegenüber, lassen sie sich viel eher auf eine Auseinandersetzung ein als bei Rivalen, die eindeutig überlegen sind. „Zeigen die Tiere ihren Rang, müssen sie also erheblich seltener kämpfen und sparen so viel Energie“, erklärt Oliver Höner die Vorteile solcher Abzeichen.

Bei Vögeln konzentrierten sich die Forscher seit langem auf das Gefieder als Statussymbol. Mit bunten Farben zeigen die Tiere ihren Artgenossen deutlich: Ich kann mir solche tollen Farben leisten, also bin ich fit und rangiere in der Hierarchie weit oben. Wie alle Purpurhühner haben auch die Pukekos in Neuseeland ein dunkelblau-violettes Gefieder. Bei Konflikten mit Artgenossen zeigen die Vögel dem Rivalen dann auch ihre tiefblau leuchtenden Federn auf der Brust. Ist das aber tatsächlich das entscheidende Statussymbol? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, nahmen Cody Dey und seine Kollegen im Tawharanui Open Sanctuary nördlich der neuseeländischen Stadt Auckland das Leben von 272 Pukekos unter die Lupe.

Stirnlappen wichtiger als Federn

Dort leben die Vögel in kleinen Gruppen mit fünf bis fünfzehn Tieren, die jeweils ungefähr zur Hälfte aus Männchen und Weibchen bestehen. Diese Gruppen ähneln einer Kommune, in der manchmal verschiedene Weibchen ihre Eier in ein einziges Nest legen und später den Nachwuchs auch gemeinsam großziehen. In dieser Vogel-Kommune gibt es aber – wie in vielen sozialen Gemeinschaften – eine deutliche Hierarchie. Bisher vermuteten die Forscher, dass die Tiere vor allem die Federn auf ihrer Brust als Statussymbol zeigen. Daneben könnte auch noch der Stirnlappen eine Rolle spielen.

Beide Körperpartien sind in der sozialen Hackordnung tatsächlich wichtig, zeigen die Forscher. Nur ist die Reihenfolge genau umgekehrt als bisher vermutet: Der Stirnlappen ist ein viel wichtigeres Rangabzeichen als die Brustfedern. Je größer dieses rote Fleischdreieck ist, desto höher der Rang. Eine Messung der Hoden von 60 dieser Tiere zeigte einen weiteren Zusammenhang: Die Männchen mit den größten Stirnlappen und dem höchsten Rang hatten auch die größten Hoden. Offensichtlich stehen diese Tiere also nicht nur in der sozialen Hackordnung, sondern auch bei der Fortpflanzung in der ersten Reihe.

Schnelles Update der Rangabzeichen

Cody Dey nennt einen guten Grund, der den Fleischlappen zum wichtigsten Rangabzeichen der Pukekos macht: Die Tiere wechseln nur ein oder zweimal im Jahr ihre Federn. Ändert sich in der Zwischenzeit die Stellung eines Tieres, zeigen die Federn bis zum nächsten Wechsel unter Umständen viele Wochen lang einen falschen Platz in der Hierarchie an. Anders dagegen beim Stirnlappen: Stürzen andere Männchen ein hochrangiges Pukeko vom Thron, rutscht das unterlegene Tier nicht nur in der Hackordnung nach unten. Innerhalb einer Woche schrumpft auch der Stirnlappen deutlich und zeigt dann die korrekte, inzwischen herab gestufte Stellung in der Hierarchie an. „Bei den Stirnlappen ist also ein schnelles Update der Rangabzeichen möglich“, erklärt Cody Dey. Genau deshalb orientieren sich die Pukekos bei der Hackordnung wohl auch mehr an diesem Fleischlappen und weniger an den Federn. Beim Militär ist es ähnlich: Bei einer Beförderung oder einer Herabstufung lassen die Rangabzeichen schnell austauschen.

Rangabzeichen bei Tieren

Kamm
Der Hahnenkamm ist ähnlich wie der Stirnlappen des Pukekos aus fleischigem Gewebe. Hähne tragen auffällig große und oft leuchtend rote Kämme und zeigen damit ihren Rang. Allerdings verändert sich die Größe dieses Fleischlappens bei Hähnen kaum. Anders bei Hennen, deren deutlich kleinerer Kamm in der Legeperiode wächst. Wechseln die Tiere ihr Gefieder, schrumpft der Kamm der Hennen.

Nase
Mandrille tragen ihr Statussymbol im Gesicht. Die Nase dieser Affen der Regenwälder Zentralafrikas ist bei ausgewachsenen Männchen leuchtend rot. Auf jeder Seite des Nasenbeins ziehen sich sechs blaue Knochenleisten entlang, die Barthaare unter dem Kinn sind gelb und obendrein hüllt eine dichte Mähne Kopf und Schultern ein. Auch das Gesäß leuchtet rot, rosa, blau, scharlachrot und violett. Bei Weibchen und Jungtieren fallen diese Farben viel blasser aus. Je höher ein Männchen in der Hierarchie steht, desto intensiver leuchten die auffälligen Muster.

Damenbalz
Bindenlaufhühnchen rennen durch das tropische Asien – und vertauschen die Geschlechterrollen: Bei ihnen buhlen die Weibchen um die Männchen. Als Rangabzeichen haben die Weibchen einen Fleck mit schwarzen Federn an der Kehle, für den Wolfgang Goymann vom Max-Planck-Institut für Ornithologie im bayerischen Seewiesen einen eindeutigen Zusammenhang beschreibt: Produzieren die Weibchen größere Mengen des Geschlechtshormons Testosteron, ist ihr Kehlfleck dunkler und größer. So signalisieren sie den Männchen: „Schau doch, wie stark ich bin, eine bessere Partnerin findest Du kaum!“

Immunsystem
Die soziale Hierarchie beeinflusst mit dem Immunsystem auch die Abwehrkräfte des Körpers gegen Krankheitserreger und Parasiten. Dabei haben hochrangige Tiere ein besseres Immunsystem. So bleiben sie gesünder und können sich mehr Luxus leisten – und sind damit für potenzielle Partner attraktiv. Ein größeres Geweih bei Hirschen, buntere und auffälligere Federn bei Vögeln oder farbige Schuppen bei Fischen gehören zu diesen Statussymbolen, die Artgenossen den sozialen Stand zeigen.