In Korb und Unterweissach haben am Wochenende zwei Skulturenpfade eröffnet. Beide Projekte machen deutlich, dass sich Kunst nicht nur in dunklen Gängen und stickigen Museen betrachten lässt.

Korb/Weissach im Tal - Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, soll der Komödiant Karl Valentin einmal gesagt haben. Beim Skulpturenpfad am Korber Kopf gilt das auch für das Betrachten der Kunstwerke: Wer die zehn Skulpturen sehen will, muss erst einmal 20 Minuten laufen. Und kann erfahren, dass ein Museum nichts mit langen, schummrigen Gängen und angestaubten Ölgemälden zu tun haben muss. Die Köpfe am Korber Kopf stehen nämlich an der frischen Luft zwischen Weinreben, oben lacht die Sonne und zwitschern die Vögel, unten genießen die Besucher der Eröffnung, die am Sonntagnachmittag stattgefunden hat, ein Gläschen eines der regionalen Weine.

 

Der Kurator Guido Messer hat wieder sieben Profikünstler und drei Amateurgruppen gewinnen können, um ihre Kunstwerke ein Jahr lang in Korb auszustellen. Sie kommen nicht nur aus der Region, sondern auch aus der Schweiz und aus Italien. „Dadurch gewinnt Korb in ganz Europa an Ansehen“, freut sich der Korber Bürgermeister Jochen Müller. Einige der Künstler sind selbst zur Eröffnung gekommen, zum Beispiel Harald Björnsgard aus Radolfzell am Bodensee. Sein „Kopf“ aus geschweißtem Eisen blickt über die Reben in Richtung Sörenberg. Ihn zu deuten hat selbst die promovierte Kunsthistorikerin Ute Schönfeld-Dörrfuß vor Herausforderungen gestellt – und in letzter Minute hat Björnsgard sogar noch breite eiserne Schultern angebracht. Der Künstler erklärt, das sei typisch für ihn: „Meine Arbeiten sind nicht vor meinem Zugriff sicher, bis sie eines Tages jemand erwirbt“, sagt er. Durch das Schweißen könne er Teile entfernen, andere hinzufügen – „das ist wie zusammenkleben“.

Während er und Schönfeld-Dörrfuß sich unterhalten, stehen drei Zehnjährige in der ersten Reihe. Linus König, Jan Tertünte und Florian Hette gehören zur kunstpädagogischen Gruppe „Waldbande“. Deren Skulptur mit dem Titel „Verbindungen“ ist ziemlich das Gegenteil von Björnsgards abstraktem Eisenschädel: Ein Geflecht aus rußgeschwärzten Ästen und Zweigen, als Sinnbild für den Kopf als Schaltzentrale des Menschen. „Wir sind erst gestern richtig damit fertig geworden“, verrät Florian. Die Jungs haben sich auch die anderen Skulpturen angesehen: etwa das skurrile „Eselmänner, Hasenmann“ von Nikola Zaric. Oder die „Köpfe in der Mauer“ des Korber Arbeitskreises Farben und Formen. „Das hat mir eigentlich am besten gefallen“, meint Linus. Womit ein Ziel der Korber Köpfe erreicht wäre: auch die Altersgruppe zu erreichen, die in klassischen Museen eher selten zu finden ist.

In Unterweissach stehen die Skulpturen mitten im Ort

Wer die Kunstwerke des zeitgleich eröffneten Skulpturenpfads „An Brücken und Wegen“ mitten im Weissach im Tal-Unterweissach begutachten will, der stolpert quasi sofort beim Aussteigen aus dem Auto oder dem Bus über die ersten Gebilde. Zum Beispiel über den neuen Blickfang am Brüdenbach direkt beim Rathaus: „Pomona“ hat der Künstler Michael Schützenberger seine Skulptur aus Marmor genannt, die unter der alten Brücke auf einem orangefarbenen Stockel thront. Wer dieses „Sinnbild der Apfelgöttin Pomona“ betrachte, sagt Ernst Hövelborn beim Rundgang von Kunstwerk zu Kunstwerk, der komme gar nicht umhin, auch die Umgebung genauer ins Visier zu nehmen. Hövelborn ist Vorsitzender des Heimat- und Kunstvereins Backnang, selbst Künstler und hat an der Konzeption für den Pfad mitgewirkt. Der pensionierte Pädagoge grinst verschmitzt in Richtung Bürgermeister Ian Schölzel und sagt dann augenzwinkernd: „Könnte etwas gepflegter sein hier.“ Das Kunstwerk strahle jedenfalls „auf die Umgebung aus, die Umgebung wird aktiviert“. Und das sei auch gut so. Nur ein paar Schritte weiter, auf der anderen Seite des Baches, sitzt eine lebensgroße Dame aus Kunststoff. „Anette Aussicht“, so hat die Künstlerin Birgit Feil ihre Skulptur genannt. Frau Anette Aussicht? Oder, auf gut Schwäbisch, a nette Aussicht? Wer weiß. Der Betrachter weiß auch gar nicht, wohin die Dame guckt. Ins Grüne? Jedenfalls nicht in Richtung Rathaus, sondern – etwas melancholisch – stur daran vorbei.

Detlef Bräuers Werk „Trawler“ aus Cor-Ten-Stahl bestimmt den Ort, an dem es aufgestellt worden ist. Es schirme das Gelände beim Rathaus von der viel befahrenen Durchgangsstraße ab, sagt Hövelborn, und „schaffte eine Scheinwirklichkeit“. Und, was hat sich der Künstler dabei gedacht? Diese Frage beantwortet Bräuer kurz und knapp: „Verrate ich nicht.“ Der Betrachter solle sich selbst seine Gedanken machen.

Genau das tun die Spaziergänger, die den Parcours mit insgesamt zehn Skulpturen abschreiten beim nächsten Werk, bei der feuerroten „Brustschwimmerin“ aus Harz von Birgit Rehfeld. „Ich dachte, die ist viel größer“, sagt eine ältere Dame etwas enttäuscht. Und überhaupt: „Warum schwimmt sie nicht in der Weissach?“, sondern schwebt auf einer Eisenstange in luftiger Höhe über dem Bachlauf?

Der Schultes sagt, er hoffe, dass diese zweite Auflage des Skulpturenpfads – so wie die erste – wieder viele Menschen in den Flecken locke, dass Kunstdiskussionen   angestoßen werden. Über fliegende Schwimmerinnen oder was auch immer.