Die Verwaltung untersucht gleich eine ganze Reihe möglicher Standorte für Unterkünfte für Flüchtlinge. In den ohnehin klammen Etat der Stadt reißt das jedoch ein großes Loch – und die Angst vor einer allzu hohen Neuverschuldung ist groß.

Korntal-Münchingen - Dass die Lage „dramatisch“ ist, musste der Korntal-Münchinger Bürgermeister Joachim Wolf bei der Sitzung des Gemeinderats am Donnerstag eigentlich nicht mehr erwähnen, als es um das Thema Flüchtlinge ging – und die Frage, wo man diese unterbringt. Wie schnell sich die Prognosen und Zahlen derzeit ändern, ließ sich auch daran ablesen, dass die vor zwei Wochen erstellte Vorlage längst überholt ist – man erwartet in der Anschlussunterbringung im nächsten Jahr statt 50 rund 120 Asylbewerber. Die zuständige Fachbereichsleiterin Regina Neuhöfer betonte, dass es sich nur um Schätzungen handele. Hinzu kommen 2016 rund 280 Flüchtlinge, die in Kreisunterkünften untergebracht werden müssen. Bis zum Jahr 2018 geht die Stadt davon aus, dass – gemessen an den bestehenden Unterbringungen – 500 Plätze in der Anschlussunterbringung fehlen. Bis 2018 wird man nach derzeitigem Stand insgesamt wohl bis zu 1000 Flüchtlinge aufgenehmen müssen.

 

Eine ganze Reihe möglicher Standorte

Um den hohen Bedarf zu decken, hat das Gremium nun die Untersuchung einer Reihe möglicher Standorte für die Unterbringung auf den Weg gebracht (siehe nächste Seite). Neun Grundstücke kommen in Frage, zwei davon für Gemeinschaftsunterkünfte des Kreises. Bei den hoch priorisierten Standorten wird nun der Baubeschluss vorbereitet, ein Grundstück dem Landkreis für eine Gemeinschaftsunterkunft angeboten.

In einem emotionalen Appell bat der Bürgermeister die Räte um Unterstützung. „Wir fühlen uns verpflichtet, Flüchtlingen zu helfen, wo wir nur können, und dazu stehen wir kompromisslos.“ Man wolle die Neuankömmlinge mit offenen Armen empfangen. Gleichzeitig stehe man vor einer „riesigen gesellschaftspolitischen Herausforderung“, die entscheidend mit einer gelungenen Integration der Asylbewerber verknüpft sei. „Ich appelliere an Ihr Herz, Ihre Toleranz, Ihr Mitgefühl und Ihr gesellschaftliches Erinnerungsvermögen.“

Warnung vor „Neiddebatte“

Die Räte mussten indes nicht lange gebeten werden. Für Viola Noack (FDP) war es „selbstverständlich, dass wir helfen.“ Der SPD-Rat Egon Beck sagte, man müsse „die Realität annehmen“. Otto Koblinger (Freie Wähler) warnte jedoch davor, andere Projekte zu vernachlässigen – und so die „soziale Zufriedenheit“ zu gefährden. Wolf warnte vor einer „gefährlichen Neiddebatte“: „Es führt zu nichts, es gegeneinander aufzuwiegen“.

Ein hoch priorisierter Standort wurde jedoch diskutiert: Das Grundstück in der Ludwigsburger Straße ist auf drei Seiten vom Friedhof umschlossen. Das sahen vor allem SPD und Grüne kritisch. Bevor die Baubeschlüsse gefasst werden, ist jedoch ohnehin eine Bürgerversammlung geplant.

Kritik an der Bundesregierung

Durch die Bank äußerten Räte wie Bürgermeister am Donnerstag deutliche Kritik am Vorgehen der Bundesregierung. „Als Bürgermeister fühle ich mich im Regen stehen gelassen“, sagte etwa Wolf. Dass der Bund Unterkünfte mit 25 Prozent fördere, sei zu wenig. Andere Bürgermeister seien zu zurückhaltend mit ihren Äußerungen. „Ich fühle mich wie der einsame Rufer im Wald.“ Er persönlich sei für einen Solidaritätszuschlag für Flüchtlinge. Viele Räte teilten die Kritik des Bürgermeisters. Egon Beck beklagte, die Kommunen würden „im Regen stehen gelassen“: „Die Kanzlerin sagt, ‚Wir schaffen das – aber ihr tragt die Kosten’.“ Wolf Ohl (Grüne) sagte, man helfe gern, brauche aber dabei auch Hilfe.

Für die Stadt bedeuten die Neuankömmlinge eine erhebliche finanzielle Belastung des ohnehin strapazierten Etats. Die ursprünglich über die nächsten Jahre veranschlagten 10 Millionen Euro würden „bei Weitem nicht“ ausreichen, so Wolf: „Wir kämpften gegen eine nicht mehr verantwortbare Neuverschuldung.“

Mögliche Standorte für Flüchtlingsunterkünfte

Die Verwaltung hat die möglichen Standorte für Flüchtlingsunterkünfte mit Prioritäten von 1 (hoch) bis 4 (niedrig) versehen – macht aber keinen Hehl daraus, dass es weniger darum gehe, ob ein Grundstück genutzt wird, sondern wann. Grundstücke im Esslinger Weg (Münchingen), der Zuffenhauser Straße (Korntal), der Ludwigsburger Straße (Korntal) und in der Kornwestheimer Straße (Münchingen, Gemeinschaftsunterkunft) sollen zuerst genutzt werden. Hinzu kommen die Gotenstraße, Kronenstraße, das Rühle-Gelände, die Südliche Korntaler Straße und Korntal West. Bevor Baubeschlüsse gefasst werden, ist jedoch noch eine Bürgerversammlung zum Thema geplant.