Dem früheren Präsidenten Brasiliens Lula droht wegen Korruptionsvorwürfen Untersuchungshaft. Das harte Vorgehen der Justiz könnte dem Politiker aber vielleicht noch nützen, kommentiert Wolfgang Kunath.

Rio de Janeiro - Selbst die brasilianische Opposition hält das Vorgehen der Justiz gegen Ex-Präsident Lula für überzogen. Der Antrag, ihm dem Pass abzunehmen, damit er nicht fliehen kann, ist in der Tat lächerlich. Dass Lulas Aktivitäten im Dienste von Bau-Unternehmern ein Gschmäckle haben, ist unbestritten. Aber das offenkundig maßlose Vorgehen der Staatsanwaltschaft beschädigt den Ruf der Justiz und trägt zur Polarisierung der Gesellschaft bei: Lula und die immer nur sehr gemäßigt linke brasilianische Linke werden in konservativen Kreisen geradezu gehasst.

 

Für Lula hat der Skandal womöglich ein Gutes: Er gerät in die Rolle des Opfers. Erweisen sich die Vorwürfe als gegenstandslos oder wenigstens als nicht so schwer, kann er daraus durchaus noch politisches Kapital schlagen. Das Angebot der Präsidentin, einen Kabinettsposten zu übernehmen, der ihm Immunität verliehe, wird er sicher nicht annehmen: Es sähe aus wie Feigheit vor dem Feind. Nein, er wird kämpfen. Und wenn er das jetzt durchsteht, dann kann er 2018 antreten als Kandidat für sein drittes Mandat als Präsident. Dass er, so tief seine Nachfolgerin in der Krise steckt, tatsächlich gewählt wird, scheint zurzeit unwahrscheinlich. Aber wenn 2018 die Wirtschaft wieder wächst, wie die Experten vorhersagen, steht er vielleicht plötzlich wieder bestens da.