Seit 2010 wird in Karlsruhe am Stadtbahntunnel gebaut. Die Kostenkalkulationen sind seither immer weiter in die Höhe gegangen. Jetzt wird in der Stadt befürchtet, dass das Projekt gar nicht mehr wie geplant durchgezogen werden kann.

Karlsruhe - Die Nervosität in Karlsruhe wächst. Der Bau des Stadtbahntunnels, der die Umgestaltung der gesamten Innenstadt mit sich bringt, ist ins Stocken geraten. Nicht erst seit der Kritik des Bundesrechnungshofs macht sich die Verwaltung Sorgen um die gestiegenen Kosten. Nun fragt sich mancher Bürger bang: Steht gar der Umbau der Kriegsstraße auf der Kippe?

 

Seit dem Spatenstich im Jahr 2010, und den anfänglichen Verzögerungen, macht die so genannte Kombilösung zwar erkennbar Fortschritte. Die Tunnelvortriebsmaschine hat bereits über 1600 Meter in den Untergrund der Fächerstadt gebohrt. Doch jetzt geht es nicht weiter. Bereits seit April liegen Angebote von fünf Bieterfirmen vor.

Eigentlich sollte der Auftrag zu der Ausschreibung längst vergeben sein – doch er verzögert sich. Und damit der Umbau der stark befahrenen innerstädtischen Kriegsstraße und mit ihm der Bau eines Autotunnels, wenige Meter südlich der City.

Ende vergangenen Monats waren die fünf Firmen der städtischen Baugesellschaft KASIG zu einem so genannten Bietergespräch gebeten worden. Dabei ging es wohl nicht wie üblich nur um technische Details und die Beantwortung bautechnischer Fragen. Nach StZ-Informationen wurden die Bieterfirmen auch darüber informiert, „dass eine Neuausschreibung notwendig werden könne“.

Auftragsvergabe verzögert sich

Bei der KASIG gab es dafür auf Anfrage zwar keine Bestätigung. Fest steht: die Vergabe des Großauftrags ist wohl frühestens im November zu erwarten. Vorher sind noch wichtige Fragen zu klären. Im Mai war durch die StZ bekannt geworden, dass der Rechnungshof erhebliche Kritik an den Kostensteigerungen übt. Doch auch ohne die Steigerungen liegt nach den Berechnungen der Behörde der Kosten-Nutzen-Faktor nur knapp über eins.

Ein Verdacht keimt nun auf: Waren die Kosten bei Planfeststellung bewusst „niedrig gerechnet“ geworden, um das Projekt durchzudrücken? Die Verwaltungsspitze war schon vor Wochen aufgefordert worden, neue Nachweise „über die Rentabilität“ des Jahrhundertprojekts vorzulegen. Offenbar fehlen die Nachweise noch immer. Fragen dazu bleiben unbeantwortet.

Im Jahr 2002 hatten sich die Karlsruher in einem Bürgerentscheid mit 55 Prozent für die so genannte Kombilösung ausgesprochen. Danach sollte unter der Fußgängerzone ein 2,2 Kilometer langer Tunnel gegraben werden, um sie von Gleisanlagen freizumachen. So einzigartig wie kurios an dem Projekt ist ein unterirdischer Südabzweig unter dem Marktplatz mit Ampelanlage. Beim Ettlinger Tor sollen die Gleisanlagen in einer Tiefe von 14 Metern den Autotunnel unterqueren.

Kombilösung heißt das Projekt, weil es nach Ansicht derer, die es sich erdacht haben – vorneweg der Ex-OB Heinz Fenrich (CDU) – nur funktionieren würde, wenn zugleich ein 1200 Meter langer Abschnitt der Kriegsstraße erneuert würde. Der vierspurige Autoverkehr soll dort in einen Tunnel münden. Oberirdisch wäre der Verkehr beruhigt. Damit nicht genug, soll überirdisch noch ein zusätzlicher Schienenweg entstehen, der als Entlastung des neuen U-Strab-Tunnels dienen soll.

Immer neue Rekordzahlen

Noch bei der Planfeststellung Ende 2008 wurden als Kosten für beide Projektteile 588 Millionen Euro ausgegeben. Seither gibt es immer wieder neue Berechnungen und Rekordzahlen. Die jüngste Berechnung benennt Kosten von über 900 Millionen Euro. Der Eigenanteil der Stadt steigt ebenso unaufhaltsam. Einst sollte er bei höchstens 30 Prozent der Gesamtsumme liegen. Nun, so befürchten Kritiker, soll er bereits über 40 Prozent betragen. Bund und Land beteiligen sich je nach Projekt mit 20 bis 60 Prozent der Kosten. Der Rest bleibt wohl an der Stadt hängen. Dazu kommt, dass städtische Gesellschaften Teile der Arbeiten – anders als in der Ausschreibung vorgeschrieben – selbst ausgeführt hatten – zur „Kostenbeschönigung“, heißt es.

Einige Fachleute glauben nun, dass der Umbau der Kriegstraße nicht mehr kommt. Im April hatte OB Frank Mentrup (SPD) sich zuletzt zu den Kosten für das Gesamtprojekt geäußert. Den Eigenanteil, den die Stadt zu tragen hat, bezifferte er damals auf rund 336 Millionen Euro. Neben dem Südabzweig unter dem Marktplatz zählt ein ebenfalls hochkomplexes dreistöckiges Kombibauwerk am Ettlinger Tor mit zwei Ebenen für Schienen und dem quer verlaufenden Autotunnel zu den Gewerke. Teile des Bauwerks sind bereits fertig gestellt.

Eigenanteil wächst

Die zweite Ausschreibung für die Kriegsstraße soll nach StZ-Informationen zwischen 130 bis 140 Millionen Euro teuer werden. Gesetzt, Karlsruhe müsste auch dies selbst bezahlen, würde der Eigenanteil der Kommune dann auf rund eine halbe Milliarde Euro steigen.

Würde der Umbau der Kriegsstraße entfallen, würde das die Stadt finanziell erheblich entlasten. Doch hätte das markante Folgen: in der benachbarten Kaiserstraße würden die Straßenbahnen auch künftig oberirdisch verkehren, ganz entgegen dem Versprechen des Bürgerentscheids von 2002. Vor wenigen Tagen kamen Gerüchte auf, es gäbe in Kürze ein Gespräch zwischen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und seinem Stuttgarter Amtskollegen Winfried Hermann (Grüne). Uwe Konrath, KASIG-Chef, mag nur bestätigen, dass es Mitte September ein Treffen zwischen den Zuschussgebern Bund und Land geben werde. Allerdings „nur auf der Fachebene der Ministerien“.