Bereits seit dem Jahreswechsel nimmt der Bundesrechnungshof Stuttgart 21 nach der Kostenexplosion erneut unter die Lupe. Im Visier der Bonner Behörde sind das Verkehrsministerium und die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Bereits seit dem Jahreswechsel nimmt der Bundesrechnungshof Stuttgart 21 nach der Kostenexplosion um mehr als 50 Prozent erneut unter die Lupe. Das bestätigte Sprecher Martin Winter im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung. Der Rechnungshof hatte schon 2008 vor hohen, nicht finanzierten Mehrkosten gewarnt. Die Deutsche Bahn hatte im Dezember 2012 mitgeteilt, dass das Bahnprojekt statt 4,5 bis zu 6,8 Milliarden Euro kosten könnte und die Finanzierung der Mehrkosten nicht gesichert ist.

 

Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Dieter Engels, lässt seither die Vorgänge untersuchen. „Wir prüfen zum einen die Rolle des Verkehrsministeriums, zum anderen das Verhalten und die Entscheidungen der Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Bahn“, sagt Winter. Die „Betätigungsprüfung“ beziehe sich auf die Arbeit der drei Staatssekretäre der Bundesregierung im Kontrollgremium. Zur direkten Prüfung der bundeseigenen Bahn sei man nicht berechtigt, betont Winter. Der Staatskonzern hat mittlerweile eingeräumt, dass S 21 für das Unternehmen unwirtschaftlich ist, falls die DB Mehrkosten in Milliardenhöhe übernimmt, um das Projekt zu retten.

2,3 Milliarden Euro mehr

Unterdessen verlangten die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, und ihr Parteifreund, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses Anton Hofreiter, in einem Brief an den Rechnungshofchef Engels, die Staatssekretäre im DB-Aufsichtsrat aufzufordern, auf eine Vertagung des Beschlusses zu dringen. Es drohe ein Rechtsbruch, da das überwiegend aus Steuergeld finanzierte Bahnprojekt unwirtschaftlich sei und deshalb nicht gebaut werden dürfe, warnen die Politiker. Dabei beziehen sich Künast und Hofreiter auch auf die Vorlagen des Bahn-Vorstands für die DB-Aufsichtsräte, die der StZ vorliegen. Darin ist nachzulesen, dass der Konzern die Kosten für S 21 nun auf 6,826 Milliarden Euro veranschlagt – 2,3 Milliarden Euro mehr als bisher. 300 Millionen Euro der Mehrkosten sollen die Projektpartner tragen, Land und Stadt lehnen das aber bislang kategorisch ab.

Bahn-Chef Rüdiger Grube will sich daher vom Kontrollgremium am Dienstag die Zustimmung dafür holen, den „Finanzierungsrahmen“ für S 21 um zwei Milliarden auf 6,526 Milliarden Euro zu erhöhen. In dieser Summe seien „alle heute bekannten Risiken“ abgebildet. Der Eigenbeitrag der Bahn von bis zu 3,7 Milliarden Euro würde aber zu einer „negativen Kapitalverzinsung“ führen. Nach den Berechnungen von Bahn-Finanzvorstand Richard Lutz würde der Weiterbau unterm Strich einen hohen Verlust von 906 Millionen Euro bringen. Bei einem Projektausstieg allerdings sei der Verlust um rund 77 Millionen Euro höher, so die Bahn.

Offene Frage

Der Rechnungshof lehnt auf Nachfrage Angaben zum Prüfungsverlauf ab. Es würden aber auch „Erhebungen vor Ort“ im Verkehrsministerium von Peter Ramsauer (CSU) durchgeführt. Die Frage, ob der Aufsichtsrat das Votum über die Zukunft des Projekts verschieben sollte, bis die Prüfergebnisse vorliegen, lässt die Behörde offen. Das sei „eine Entscheidung der zuständigen Gremien“, so der Sprecher. Man bedauere aber, „dass unsere bisherigen Hinweise zu S 21 nicht beachtet wurden“.

Auch SPD-Verkehrsexperten im Bundestag fordern einen Aufschub: „Man kann der Bahn und der Bundesregierung nur dringend raten, mit einer Entscheidung abzuwarten, bis die Prüfergebnisse des Rechnungshofs vorliegen“, sagte der frühere Bremer Verkehrssenator Uwe Beckmeyer.