Provinziell? Von wegen. Die Chemnitzer Band Kraftklub ist auch mit ihrem zweiten Album „In Schwarz“ auf Platz eins der Charts gestürmt. Am Mittwoch spielen die Jungs mit den schönen Versen in den Stuttgarter Wagenhallen.

Stuttgart/Chemnitz - Sie haben sich verändert. Zumindest was die Klamotten angeht. 2012, als Kraftklub mit ihrem Debütalbum „Mit K“ der Durchbruch gelang, waren weiße Polohemden, rote Hosenträger und Röhrenjeans das Markenzeichen der fünf Musiker. Und weil das schon sehr prollig und deswegen auch verflucht hip gewirkt hat, distanzierte sich die Chemnitzer Band sogleich mit dem Song „Ich will nicht nach Berlin“ von der Hauptstadt der Hipster. Man will ja nicht mit den falschen Leuten in einen Topf geworfen werden.

 

Zweieinhalb Jahre später sind die Röhrenjeans und die roten Hosenträger zwar geblieben, dafür hat Kraftklub aber die weißen Polohemden gegen schwarze eingetauscht. Schließlich heißt das neue Album, das im September erschienen ist und gleich bei Veröffentlichung auf Platz eins der Charts geklettert ist, auch „In Schwarz“.

Sprechgesang und schnörkellose Gitarrenriffs

Ansonsten aber ist kaum etwas davon zu merken, dass Kraftklub in den vergangenen Jahren den rasanten Aufstieg von einer Jugendhausband zu bundesweit gefeierten Popstars zurückgelegt hat. Nach wie vor leben die fünf jungen Männer im schnöden Chemnitz und nicht in Berlin. Und immer noch wohnen sie allesamt in WGs und nicht in frisch renovierten Apartments in der Innenstadt – wobei es in der Chemnitzer Innenstadt vielleicht auch gar keine frisch renovierten Apartments gibt. Und: Kraftklub spielt wie eh und je hyperaktiven Poprock mit ein bisschen vorlauten Texten.

Was zum Beispiel die neue Single „Unsere Fans“ belegt. In der Strophe rappt der Frontmann Felix Brummer (25) seinen Text mehr, als dass er ihn singt, im Refrain spielen die Gitarren ein schnörkellos Riff, das genauso gut auch von skandinavischen Punkbands wie den Hives stammen könnte, die schon bei „Mit K“ unüberhörbar als stilistische Vorbilder dienten.

Songs mit Hang zur Selbstironie

Wollte Kraftklub also auf Nummer sicher gehen, anstatt Experimente zu wagen? Nee, dass die neuen Stücke ähnlich wie die  alten klingen, habe sich einfach so ergeben, sagt Felix Brummer: „Irgendwann sind wir wieder in den Proberaum gegangen. Wir hatten keinen Plan, kein Konzept, sondern einfach keinen Bock mehr, die alten Songs zu proben. Also haben wir angefangen, neue Sachen zu spielen.“

In denen sie aber weiterhin ihren Hang zur Selbstironie kultivieren – was ja dann doch irgendwie ziemlich hip ist. „Unsere Fans haben sich verändert, unsere Fans haben sich verkauft“, heißt es im Refrain der Single. Und: „Unsere Fans sind jetzt Mainstream.“ Im Video dazu fläzt Felix Brummer mit protzigem Goldkettchen um den Hals im Pool, links und rechts zwei Models im Bikini, während seine Bandkollegen dicke Zigarren rauchen. Allzu ernst ist der Song also kaum zu nehmen, eher ist er als Entgegnung auf den Vorwurf des Ausverkaufs an die Industrie zu verstehen – einer Unterstellung, der sich schon zahllose Bands ausgesetzt sahen, seitdem Bob Dylan das erste Mal auf der Bühne eine E-Gitarre in den Händen gehalten hat. „Damit hat man ja immer zu tun“, sagt Felix Brummer. „Am Anfang waren wir plötzlich Kommerz, weil wir einen Zehner Eintritt genommen haben, um die Platte zu finanzieren. Danach waren wir Kommerz, weil wir einen Plattenvertrag hatten, dann weil wir in den Charts waren und so weiter.“

Massenkompatibel, aber deshalb nicht schlecht

Wobei Kraftklub natürlich Mainstream ist, und das nicht erst seit gestern. Auch die Songs auf „Mit K“ waren massenkompatibel, was aber ja nicht schlecht sein muss. Im Gegenteil, das Quintett aus Chemnitz gehört zu den Vertretern deutschsprachiger Popmusik, die kommerziellen Erfolg ziemlich gut mit smarten Botschaften unter einen Hut bringen.

Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurden Kraftklub nämlich durch ihren Auftritt bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest – einer Veranstaltung, die nicht gerade im Ruf steht, eine Plattform für die musikalische Avantgarde zu sein. Mit dem schnippischen „Ich will nicht nach Berlin“ belegte die Band bei dem Wettbewerb Platz fünf. Passenderweise fand sich auf „Mit K“ auch ein Stück namens „Karl-Marx-Stadt“, das eine verschrobene Hymne auf Chemnitz ist, das zu Zeiten der DDR nach dem Begründer des historischen Materialismus benannt war und zugleich Heimatstadt von Kraftklub ist. „Ich komm aus Karl-Marx-Stadt“, heißt es in dem Song, „bin ein Verlierer, Baby: Original-Ostler.“

Unpolitische Popmusik von politisch denkenden Musikern

Charmanter kann man kaum beweisen, dass man aus der Provinz stammen und auch dort bleiben kann, ohne automatisch provinziell zu sein. Was auch die Echo-Verleihung 2013 zeigte: Kraftklub wurde damals gemeinsam mit der Rechtsrockband Frei.Wild für den Musikpreis nominiert – und sagte daraufhin aus Protest ihren Auftritt ab. Auf dem neuen Album findet sich sogar ein explizit politisches Stück, obwohl die Musiker sich früher noch als unpolitische Band beschrieben hatten. „Das waren unsere naiven Vorstellungen damals. Wir wollten gern fünf politisch denkende Jungs sein, die unpolitische Popmusik machen“, sagt Felix Brummer. „Aber uns ist schnell klar geworden, dass das so nicht funktioniert. Man muss halt immer mal wieder Stellung beziehen, um noch in den Spiegel schauen zu können.“

Dieses Stellungbeziehen klingt dann so: „Und selbst wenn alles scheiße ist / du pleite bist und sonst nichts kannst / dann sei doch einfach stolz auf dein Land.“ Und weiter heißt es in der Strophe von „Schüsse in die Luft“: „Oder gib die Schuld ein paar andern armen Schweinen / Hey, wie wär es denn mit den Leuten im Asylbewerberheim?“ Wenn doch nur alle Bands aus der Provinz so schöne Verse dichten würden!