Ein Patient fordert schnelle Hilfe, weil ihm ein Stück Schaschlik in der Speiseröhre steckte. Diese bekam er in Ruit nicht. Die Klinik kann kein Versäumnis feststellen und verweist auf die schwierigen Rahmenbedingungen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Das Schaschlik war wirklich lecker, Michael Stark ließ sich das Mittagessen schmecken. Doch plötzlich war Schluss mit Genuss: eines der Fleischstücke war groß und zäh. Der 69-jährige Rentner aus dem Birkacher Stadtteil Schönberg versuchte es zu zerkauen, erfolglos. Schließlich schluckte er den Brocken so. Das hätte er besser nicht getan.

 

Jetzt brachte Stark nichts mehr herunter. Er hatte Schmerzen in der Speiseröhre, das Gefühl, ein Pfropfen stecke im Kehlkopf fest. Sein Hausarzt überlegte nicht lange: er schickte den pensionierten Versicherungsjuristen in die Klinik. Michael Stark ging ins Paracelsus-Krankenhaus in Ostfildern-Ruit, das zu den Esslinger Kreiskliniken gehört. Es war Freitag, Spätnachmittag.

Und was machten die angesichts seiner Notlage? Nichts. So jedenfalls empfand es der Pensionär. „Röntgen, EKG, Labortests“, erzählt Stark empört. „Ich sollte zur Beobachtung dableiben.“ Es sei sogar von einem möglichen Tumor die Rede gewesen. „Was für ein Quatsch“, ärgert er sich. „Es musste doch einfach nur dieser Fleischbrocken raus.“ Der Patient war in Panik.

Im Krankenhaus wollte der 69-Jährige nicht bleiben, er ging heim, am nächsten Morgen sollte er wiederkommen. Am Samstag habe ihm der Oberarzt dann eröffnet: da es sich nicht um einen so dringenden Notfall handle, werde man am Wochenende keinen Eingriff vornehmen. „Das war unterlassene Hilfeleistung“, das stand für Michael Stark von diesem Augenblick an fest. „Ich hätte krepieren können.“

Fleischstück hat die Speiseröhre völlig zugemacht

So harrte der Rentner übers Wochenende daheim aus. Essen konnte er nicht, aber ein bisschen trinken. „Ich habe fünf Kilo abgenommen“, sagt der 69-Jährige. Am Montagmorgen machte ihm sein Hausarzt einen Termin in einer Facharztpraxis.

„Das war ein echter Notfall“, erklärt Hartmut Gölkel. Er betreibt mit Kollegen eine gastroenterologische Schwerpunktpraxis am Karl-Olga-Krankenhaus im Stuttgarter Osten. „Das Fleischstück hat die Speiseröhre völlig zugemacht“, erzählt Gölkel, im unteren Bereich, kurz vor dem Mageneingang. Es da herauszubringen war schwierig. Eine Stunde habe er mit Kollegen gebraucht, bis das Schaschlikstück in zwei je vier Zentimeter messenden Fraktionen zu Tage gefördert war, sagt der Facharzt. „Ein Riesenteil. Ich weiß nicht, wie der Patient das runtergebracht hat.“

Und was sagen die Verantwortlichen der Klinik in Ruit zum Gang der Dinge? „Die Strategie war in Ordnung“, erklärt Bodo Klump, der Chefarzt für Innere Medizin. „Ich kann kein Versäumnis und keine Leichtfertigkeit feststellen“, sagt er über die Arbeit der Kollegen.

Patient „nicht austrocknungsgefährdet“

Als der Patient am Freitag vor zwei Wochen gekommen sei, habe man nicht unmittelbar eine Endoskopie vornehmen können. „Der Magen des Patienten war noch voll“, nennt Klump den Grund. Bei einem Eingriff bestehe „Erstickungsgefahr, wenn der Mageninhalt hochkommt“.

Ein Schluckversuch mit Wasser habe dann aber gezeigt: der Patient konnte noch trinken, sei „nicht austrocknungsgefährdet“ gewesen. So habe man entschieden, diesen zu beobachten, die Endoskopie am nächsten Morgen vorzunehmen. Hätte sich die Lage verschlechtert, so Klump, wäre das Endoskopieteam „in 15 Minuten vor Ort“ gewesen. Der Patient sei aber gegen den Rat der Ärzte nach Hause gegangen, sagt Klump.

Klump: Nicht leichtfertig weggeschickt

Am Samstag sei er dann nicht wie vereinbart am frühen Morgen wiedergekommen, sondern erst gegen 13 Uhr. Michael Stark gibt 9.30 Uhr an. Das Endoskopieteam war da jedenfalls schon wieder weg. Erneut habe der Patient das Krankenhaus gegen den Willen der Ärzte verlassen. Klump: „Wir haben ihn nicht leichtfertig weggeschickt, sondern ihm zweimal eine Endoskopie innerhalb von zwölf Stunden angeboten, aber das war ihm zu lang.“ Schließlich habe er in einer niedergelassenen Praxis Hilfe gefunden, so der Mediziner, „und zwar im Regelbetrieb“.

Für den Chefarzt zeigt der Fall exemplarisch „das Dilemma unseres Notfallsystems, an das die Patienten völlige falsche Erwartungen haben“. Dabei verstehe er durchaus deren Sicht, betont Bodo Klump. „Der Patient sucht schnelle Erleichterung.“ Nur könne man sich eine Rund-um-die-Uhr-Präsenz der Notfallkräfte nicht leisten. Bodo Klump ergänzt: „Dafür sind wir strukturell nicht aufgestellt.“

Die Notfallambulanzen der Krankenhäuser, die vermehrt Aufgaben der niedergelassenen Ärzte übernehmen müssen, weil Patienten dort selbst mit ganz unproblematischen Erkrankungen Hilfe suchen, sind bekanntlich republikweit stark defizitär. Die Kassen erstatten ihnen in diesen Fällen ihre höheren Kosten nicht.

Michael Stark weist diese Darstellung zurück. „Die hätten mich gleich am Freitagabend behandeln müssen“, schimpft der 69-Jährige, schließlich habe ihn sein Hausarzt bei der Klinik als Notfall angemeldet. „Die haben das falsch eingeschätzt.“