Viele Krankenkassen kämpfen mit steigenden Ausgaben und heben deshalb die Beiträge an. Bei der DAK wird aktuell sogar spekuliert, sie kämpfe ums Überleben.

Berlin - Wenn Jens Boysen-Hogrefe sich nicht täuscht, wird die Gesundheitspolitik ein zentrales Thema im nächsten Bundestagswahlkampf. Denn der Mitarbeiter des Instituts für Weltwirtschaft schätzt, dass sich bei den Krankenkassen bis zum Jahr 2020 ein Defizit von zehn Milliarden Euro aufhäuft. Und diesen Fehlbetrag müssen allein die Arbeitnehmer und die Rentner ausgleichen – es sei denn, Berlin ändert nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 diese Festlegung.

 

Fürs erste allerdings ist sie in Kraft. Und sie sieht vor, dass die Arbeitgeber und die Kassenmitglieder jeweils 7,3 Prozent des Einkommens oder der Rente als Kassenbeitrag aufbringen. Braucht eine Kasse mehr Geld, muss sie einen Zusatzbeitrag verlangen – und zwar allein von den bei ihr versicherten Arbeitnehmern und Rentnern. Derzeit beträgt der Extraobolus im Durchschnitt aller 123 Kassen 0,9 Prozent, woraus sich ein Gesamtbeitrag von 15,5 Prozent ergibt. Dieser Wert wird 2016 steigen.

Ist die DAK zu groß, um pleite zu gehen?

Das Bundesgesundheitsministerium rechnet mit einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 1,1 Prozent. Einige große Kassen haben jetzt bekannt gegeben, was sie im kommenden Jahr verlangen. Die Techniker-Krankenkasse und die AOK Baden-Württemberg erheben einen Satz von 15,6 Prozent. Die AOK Bayern geht auf 15,7 Prozent. Bei der Barmer-GEK, die am 17. Dezember entscheidet, könnte sich ebenfalls ein Wert von 15,7 Prozent ergeben. Bei der DAK droht nach Angaben des „Handelsblatt“ gar ein Satz von 16 Prozent. Diesen Hinweis nennt ein Sprecher der DAK eine „Spekulation“, was nicht eben nach einem harten Dementi klingt. Wie die DAK verfährt, zeigt sich nach der Sitzung ihres Verwaltungsrats am 17. Dezember.

Nur zu gerne würde es Deutschlands drittgrößte Kasse vermeiden, beim Preisranking ganz oben zu stehen. Immerhin verlor sie schon viele Mitglieder, als sie vor einigen Jahren eine Extraprämie von acht Euro im Monat erhob. Natürlich war diese Prämie, die das Mitglied selbst überweisen musste, augenfälliger als eine prozentuale und vom Lohnbüro abgewickelte Erhöhung. Gleichwohl wäre es erstaunlich, wenn die DAK im neuen Jahr nicht wieder an Zuspruch einbüßte. Dabei tritt sie seit Jahren auf der Stelle. Verzeichnete sie nach Angaben des Branchenfachblatts „Beiträge zur Gesellschaftspolitik“ im Jahr 2004 knapp 4,9 Millionen Mitglieder, kam sie im Juli 2015 auf eine ganz ähnliche Zahl.

Dabei hatte sie zwischenzeitlich mit anderen Kassen fusioniert und zeitweise bei den Mitgliedern die Fünf-Millionen-Schwelle übertroffen. Schon macht in Berlin das Szenario die Runde, wonach die DAK nicht überlebensfähig sei. Prinzipiell wäre das zwar denkbar. So ging vor einigen Jahren die City-Betriebskasse pleite. Für die DAK gilt jedoch ein Ausdruck, den man seit der Finanzkrise kennt. Sie ist „too big to fail“, sprich: die Bundesregierung würde alles versuchen, den Versicherer mit knapp fünf Millionen Mitgliedern zu retten.

Die müssten sich nämlich sonst auf einen Schlag eine andere Kasse suchen. Und das Beispiel City BKK zeigt, was dabei schief gehen kann. Damals machten andere Kassen allerlei Anstalten, um Versicherte der City BKK abzuwimmeln – auch wenn in der gesetzlichen Krankenversicherung der „Kontrahierungszwang“ gilt, der besagt, dass jede Kasse jeden Versicherungspflichtigen ungeachtet seines Alters, seines Einkommens oder möglicher Vorerkrankungen aufnehmen muss.

Die Große Koalition in Berlin sorgt für höhere Kosten

Ungeachtet des Sonderfalls DAK bleibt die Grundtendenz klar: Die Beiträge werden auf breiter Front auch nach 2016 steigen. Die Große Koalition hat sich eben in der Gesundheitspolitik als besonders ausgabenfreudig erwiesen. Für die Kliniken, die Digitalisierung des Gesundheitswesens, eine bessere Hospiz- und Palliativversorgung, mehr Pflegekräfte in Krankenhäusern und die Stärkung der Prävention hat sie milliardenschwere Mehrausgaben beschlossen. Das von Hoysen-Bogrefe prognostizierte Finanzloch führt zu einem Gesamtbeitrag von 16,4 Prozent, wovon nach heutiger Rechtslage 9,1 Prozentpunkte allein an den Arbeitnehmern und den Rentnern hängen blieben.

Gut möglich also, dass die Parteien bald wieder das Thema Parität aufgreifen – also die Frage, ob der auf 7,3 Prozent fixierte Anteil der Arbeitgeber und der Rentenkasse (sie fungiert bei Rentnern quasi als „Arbeitgeber“) Bestand haben kann – oder ob es nicht geboten ist, zu dem Zustand zurückzukehren, den es vor der rot-grünen Gesundheitsreform gab: Arbeitgeber und Versicherter teilen sich den Kassenbeitrag. Wobei auch diese „Parität“ nicht wirklich eine „fifty-fifty-Finanzierung“ war. Schließlich zahlen seit Langem die Versicherten neben dem Beitrag Zuzahlungen beispielsweise auf Medikamente, Heilmittel oder Behandlungen in der Klinik.