In keinem anderen Berufszweig hat Ebola schlimmer gewütet als unter den Pflegekräften. Zudem werden sie geschnitten – aus Angst vor Ansteckung. Ein dänischer und ein einheimischer Krankenpfleger berichten von ihrer Arbeit in Monrovia.

Liberia - Der Dienst am Tor ist am schlimmsten. „Dort ist das Gegenteil von dem gefragt, weswegen ich einst Krankenpfleger geworden bin“, sagt Jens Pederson. Am Tor muss der 33-jährige Däne mit dem Ebola-Virus infizierte Liberianer abweisen, weil sie noch nicht sterbenskrank sind. Denn die Ebola-Behandlungs-Einheit der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am Rande der liberianischen Hauptstadt Monrovia verfügt derzeit nur über etwas mehr als 120 Plätze. Würde das Tor geöffnet, würden Dutzende oder gar Hunderte von Kranken auf das mit weißen Zelten vollgestellte Gelände strömen. Die Hilfsorganisation hat den Ambulanzen mitgeteilt, dass sie nur die ernstesten aller Fälle bringen sollen.

 

Trotzdem werden Tag für Tag 30 bis 40 Kranke in Privatwagen angekarrt – und in den meisten Fällen gleich wieder nach Hause geschickt. Denn in der Elwa 3, so heißt das Behandlungszentrum, würden täglich nur ungefähr 20 Plätze frei, rechnet der Pfleger Pederson vor: Zehn bis 15 Patieten sterben, etwa fünf werden als „geheilt“ entlassen, höchstens zwei stellen sich als Nicht-Ebola-Fälle heraus.  

Am Tor ist schon mancher Kollege von Pederson zerbrochen: Ein französischer Anthropologe, der dort im Einsatz war, ist gegenwärtig nicht mehr aufzufinden – er brauchte wohl eine Pause. Am Tor zu arbeiten sei wesentlich härter als die hochansteckenden Kranken in der Isolierstation von Elwa 3 zu behandeln, sagt Pederson. „Dort rettet man immerhin einige Leben.“

Zwischenmenschlicher Kontakt ist kaum möglich

Als Freunde von seiner Entsendung nach Liberia erfuhren, hätten sie die Augen aufgerissen, erzählt der Däne. Er arbeite bereits seit sieben Jahren für MSF, wie die Hilfsorganisation nach ihrem französischen Namen abgekürzt wird, „da sagt man nicht nein“. Allerdings: „So etwas wie hier habe ich bisher noch nirgendwo anders erlebt.“   Die Entwürdigung der Patienten macht Pederson am meisten zu schaffen. Sie würden vom Virus dermaßen geschwächt, dass sie sich nicht einmal mehr auf die Toilette schleppen könnten. „Sie liegen oft im Erbrochenen und ihren Exkrementen. Das ist nur schwer zu ertragen.“

Die insgesamt 140 Pflegekräfte – 130 aus dem Inland, zehn aus dem Ausland – können nicht viel mehr tun, als die Patienten einigermaßen sauber zu halten und ihnen Flüssigkeit und Medikamente gegen die Symptome der Krankheit zu geben. Ein Mittel gegen das Virus selbst gibt es nicht. Auch zwischenmenschlicher Kontakt ist kaum möglich. Mit ihrem Mundschutz können sich die Helfer nur laut rufend verständigen. Und jemanden in den Arm zu nehmen, ist allein wegen der Schutzanzüge, die die Beweglichkeit stark einschränken, nahezu ausgeschlossen. „Wenn jemand eine falsche Bewegung macht und der Schutzanzug reißt . . .“ Pederson führt seinen Satz nicht zu Ende.

  In seinem extraterrestrisch anmutenden Overall erlebt sich der Pfleger allerdings so geschützt wie nirgendwo anders. „Hier in der Isolierstation ist man bedeckt und kennt den Feind: So sicher kann man sich sonst nirgendwo fühlen.“ Den gelben Anzug mitsamt der Brille, dem Mundschutz, den Handschuhen und der Kapuze an- und auszuziehen ist eine Prozedur, die peinlich genau einstudiert und minutiös überwacht wird. Schließlich könnte ein falscher Handgriff den Tod bedeuten.

Fast 200 Ärzte und andere Helfer sind gestorben

Während sich von dem ausländischen MSF-Personal bislang noch keiner infiziert hat, wurden drei lokale MSF-Mitarbeiter in Guinea, Sierra Leone und in der liberianischen Provinz angesteckt. Ob das tatsächlich bei der Arbeit oder irgendwo anders geschah, ist allerdings nicht ganz sicher.  Der Liberianer Andrew Mambu hat bereits fünf Kollegen verloren – sie waren alle in staatlichen Kliniken beschäftigt.

In keinem Berufszweig hat die Seuche schlimmer gewütet als unter den Pflegekräften: Fast 200 Ärzte, Krankenschwestern und Helfer sind dem Virus in Guinea, Sierra Leone und Liberia bereits zum Opfer gefallen. Seine Kollegen seien der Epidemie zunächst vollkommen ungeschützt ausgesetzt worden, erzählt der 32-jährige Krankenpfleger. Als sich die verheerenden Konsequenzen zeigten, blieben viele seiner verängstigten Kollegen ihrer Arbeit fern. Daraufhin schloss ein Krankenhaus nach dem anderen die Tore. Wer heute an der behandelbaren Malaria oder einer Lungenentzündung erkrankt, muss angesichts mangelnder Pflege mit dem Tod rechnen.

Für Ebola-Kranke gibt es in Monrovia neben dem MSF-Camp nur zwei staatliche Isolier-Stationen mit knapp hundert Betten. Nötig wären mehr als tausend Plätze.   Wer wie Andrew Mambu, der in der MSF-Station gut geschützt ist, mit Ebola-Patienten arbeitet, muss zu Hause mit Problemen rechnen. Einige seiner Freunde wollten aus Angst vor einer Ansteckung nichts mehr mit ihm zu tun haben, erzählt der Pfleger: Anderen würde er von seiner Arbeit erst gar nichts erzählen. Einer Kollegin von ihm sei die Wohnung gekündigt worden. Zwei andere hätten ihre Arbeit hingeworfen, nachdem sie zu Hause geschnitten und ausgegrenzt worden seien.

Es fehlt an ausgebildetem Personal

Auch Mambu fällt es schwer, mit der Familie über den Job zu reden. Seine siebenjährige Tochter frage ihn immer wieder, ob er bald sterben müsse.   Ausnahmsweise sei ihr größtes Problem einmal nicht, Gelder locker zu machen, sagt die MSF-Sprecherin Caitlin Ryan. „Am meisten fehlt uns ausgebildetes Personal.“ Deswegen habe sich die pazifistische Hilfsorganisation auch zu dem ungewöhnlichen Schritt durchgerungen, den Einsatz von Spezialeinheiten ausländischer Militärs zu fordern. „Das fiel uns nicht gerade leicht“, sagt Ryan.

Auch wenn zumindest die Washingtoner Regierung der Forderung entsprochen hat und bereits die ersten von 3000 US-Soldaten nach Liberia entsandte, wird sich die Lage dort nicht entspannen. Denn die Zahl der Infizierten verdoppelt sich hier alle drei Wochen, während Organisationen wie die WHO Schwierigkeiten haben, ausländische Spezialisten in das Seuchengebiet zu locken. Auch für Ärzte ohne Grenzen nehmen die Probleme nicht ab: Jens Pederson, der schon seit vier Wochen in Monrovia schuftet, muss jetzt erst einmal Pause machen. „Und ob ich danach wieder komme“, sagt der erschöpfte Däne offen, „das weiß ich noch nicht.“