Im ostpolnischen Bialystok tun sich verfeindete Vereine zusammen, um eine Demo für die Akzeptanz Homosexueller aufzumischen. Auch aus der Politik kommen nicht die richtigen Signale.

Warschau - Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm wird“, sagt Joanna, eine junge Frau in Schwarz mit orange gefärbten Haaren unter Schock. Zuvor haben ihr und ihren Begleiterinnen Hooligans unter Gebrüll Regenbogenfahnen entrissen, versucht, diese anzuzünden, zerrissen und schließlich darauf herumgestampft; die Polizei schaute zu. Die Frauen wollten am Samstag durch den Polizeikordon zur ersten „Gleichheitsparade“ im ostpolnischen Bialystok, eine Demonstration des Selbstbewusstseins von Homosexuellen und Transsexuellen, organisiert von der Vereinigung Regenbogen-Bialystok.

 

Die „Gleichheitsparade“ zieht friedlich durch die Stadt

Während in Warschau die ersten Umzüge dieser Art Anfang der Nullerjahre starteten, sieht die Lage in Bialystok, einer Stadt mit knapp 300 000 Einwohnern nahe der weißrussischen Grenze, anders aus. Sie gilt als Hochburg des Nationalradikalen Lagers (ONR) und ähnlicher Gruppen, die für Übergriffe gegen Andersdenkende bekannt sind. Die Entscheidung des Oberbürgermeisters Tadeusz Truskolaski, der der liberal-konservativen Partei Bürgerplattform nahesteht, die Parade zu erlauben, löste im Lager der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) einen Sturm der Entrüstung aus.

„Der Glaube wird verspottet und bringt Verderbtheit über die Allerjüngsten“, warnte der Erzbischof von Bialystok, Tadeusz Wojda. Über 50 Gegendemos wurden für den Samstag angekündigt. Permanent fuhren Lastwagen mit Lautsprechern durch die Stadt, aus denen eine salbungsvolle Stimme unter anderem erzählte, dass alle Homosexuellen 100 Sexualpartner sowie Aids hätten. Die Organisatoren und die rund 800 Teilnehmer der „Gleichheitsparade“ forderten friedlich ein Eherecht für Homosexuelle und insgesamt mehr gesellschaftliche Anerkennungen.

Verfeindete Hooligans machen gemeinsame Sache

Ihre Gegner hatten schon im Vorfeld Furore gemacht mit der Ankündigung, die Hooligans aller Fußballvereine würden an diesem Tag die traditionellen Feindschaften aufheben, „um Bialystok zu verteidigen“. Sie bewarfen die Teilnehmer und die Polizei mit Plastikflaschen, Eiern, Steinen sowie Böllern und schafften es zweimal, den Marsch zu blockieren. Um sich den Weg frei zu machen, setzte die Polizei Tränengas und Knallkörper ein und nahm 20 Personen fest. Bei den älteren Bewohnern überwog die Abneigung gegen den Marsch; eine Rentnerin meinte aber: „Lasst sie doch, schließlich dürfen das auch die Nationalisten.“

Die Leiterin von Regenbogen-Bialystok, Katarzyna Rosinska, ist trotz der gegnerischen Krawalle zufrieden: „Wir haben der Stadt gezeigt, dass wir fröhliche Leute sind und für unsere Rechte kämpfen.“ Sie fordert die Politiker Polens auf, sich zu dem Slogan „Bialystok – eine Heimat für alle“ zu bekennen. Aktuell aber beklagt die Organisation Kampagne gegen Homophobie eine Agitation vonseiten des Regierungslagers gegen sexuelle Minderheiten im Land. Die Schlacht um Bialystok wird jedenfalls in den Medien weitergefochten, schließlich wird im Herbst ein neues Parlament gewählt. Empörung erregte das Ratsmitglied von Bialystok, Sebastian Lukaszewicz (PiS), der die Blockade der Altstadt durch die Hooligans so kommentierte: „Wir haben die Kathedrale von Bialystok verteidigt.“