Sie stellen sich oft schlafend und verfügen über gute Schutzmechanismen gegen eine Chemotherapie: Krebs-Stammzellen können Tumore wieder wachsen lassen. Mediziner entwickeln erste Ansätze, um die Zellen gezielt zu eliminieren.

Stuttgart - Will man den Krebs besiegen, muss man letztlich eine bestimmte Sorte von Zellen durch geeignete Medikamente töten: die Krebsstammzellen. Das zeigen drei Studien, die zeitgleich in den Wissenschaftsmagazinen „Nature“ und „Science“ erscheinen. Darin beschreiben die Forscher auch erste Ansätze für eine entsprechende Therapie.

 

Die Fachwelt vermutet schon seit Jahren, dass sich unter Tausenden von Tumorzellen einige wenige Krebsstammzellen befinden, die der eigentliche Motor des Tumorwachstums sind. „Krebsstammzellen sind Wölfe im Schafspelz. Sie haben Eigenschaften, die denen einer normalen Stammzelle sehr ähneln, aber der normalen zellulären Kontrolle entgehen und daher höchst gefährlich sind“, sagen die beiden Stammzellforscher Andreas Trumpp und Martin Sprick, die am Deutschen Krebsforschungszentrum und am Stammzellinstitut in Heidelberg forschen.

Eine Chemotherapie kann diesen Zellen derzeit noch nichts anhaben, denn sie haben abhängig vom Tumortyp verschiedene raffinierte Techniken entwickelt: Spezielle Moleküle auf ihrer Oberfläche befördern die Gifte aus dem Zellinneren heraus, und andere Stoffe reparieren chemotherapeutisch bedingte Schäden an ihrem Erbgut. Und wieder andere Krebsstammzellen verbarrikadieren sich in einem Schutzraum im Körper und stellen sich schlafend. Damit hebeln sie die Chemotherapie aus, denn die wirkt nur auf sich schnell teilende Zellen.

Medizinische Tricks, damit die Chemotherapie richtig wirkt

In einer der drei neuen Studien geht es nun um das Wachstum von Glioblastomen, den gefährlichsten Gehirntumoren bei Erwachsenen, nach einer Chemotherapie. Durch eine herkömmliche Krebstherapie wird zwar die Masse des Tumors tatsächlich zerstört, aber einige Tumorzellen überleben die Therapie und können jeweils erneut einen Tumor bilden. Die Forscher konnten in Versuchen an Mäusen nicht nur zeigen, dass aus den Krebsstammzellen neue Tumorzellen hervorgehen, sondern auch dass sich das Tumorwachstum stoppen lässt, wenn man die Krebsstammzellen gezielt eliminiert. Luis Parada von der Universität Texas und seine Kollegen haben die Krebsstammzellen nur zerstören können, weil sie die Zellen zuvor entsprechend genetisch manipuliert hatten, so dass ein bestimmtes Medikament angreifen konnte.

Eine weitere Möglichkeit wird derzeit in Heidelberg erforscht: Interferon-alpha, ein seit Langem bekannter körpereigener Botenstoff, kann offenbar „schlafende“ Leukämiestammzellen zum Teilen anregen – damit sie durch die Zellgifte der Chemotherapie eliminiert werden können.

Aus einzelnen Krebsstammzellen gehen nicht nur der Primärtumor hervor, sondern auch dessen Tochtergeschwülste. Diese Sorte Krebsstammzellen verlässt irgendwann den Primärtumor und geht auf Reise durch das unwirtliche Blutsystem – vergleichbar speziell ausgebildeten zum Mond fliegenden Astronauten. In jüngerer Vergangenheit haben die Heidelberger Wissenschaftler Trumpp und Sprick sie dort dingfest gemacht und in Mäuse transplantiert, deren Immunsystem nicht zu einer Abstoßung fähig ist. In diesen Tieren bildeten sich Metastasen in den Knochen und in der Leber – ein klarer Beleg dafür, dass sich unter den im Blut zirkulierenden normalen und weniger gefährlichen Tumorzellen auch Krebsstammzellen befinden, die Tochtergeschwülste bilden können.

Sind die Tierversuche auf Menschen übertragbar?

Genau das haben die drei aktuellen Studien anders gemacht. In allen Experimenten wurden Mäuse mit einem normal funktionierenden Immunsystem verwendet. Auch hier ließ sich zeigen, dass bestimmte Zellen Tumore wachsen lassen. „Damit ist die Existenz von Krebsstammzellen in einem zweiten experimentellen System nachgewiesen“, sagt Martin Sprick. Niederländische Forscher unter Leitung von Hans Clevers von der Universität Utrecht konnten zum Beispiel zeigen, dass Krebsstammzellen bereits in Darmpolypen – einer Vorstufe für Darmkrebs – aktiv sind und dass diese Zellen das Wachstum von Darmpolypen fördern. Auch Cedric Blanpain und seinen Mitarbeitern von der belgischen Universität in Brüssel gelang es, in Mäusen mit Hautkrebs Tumorzellen zu lokalisieren, die Eigenschaften von Stammzellen aufweisen. Bisher war es unklar, ob es in Hauttumoren überhaupt Tumorstammzellen gibt.

„Bisher gelten die Ergebnisse nur fürs Mausmodell“, warnt Martin Sprick allerdings vor zu viel Euphorie. Bei den Krebsstammzellen gibt es also noch viele offene Fragen, aber glücklicherweise auch immer wieder Fortschritte.