Wer zu fett ist, riskiert eine Reihe von Krankheiten: Kreislaufprobleme und Diabetes zum Beispiel. Weniger bekannt ist, dass auch das Risiko für einige Krebsarten steigt. Stephan Herzig erläuterte den Zuhörern der Leser-Uni die Zusammenhänge.

Stuttgart - Dicke Menschen leben ungesund. Mit steigenden Pfunden mutet man dem Kreislaufsystem zu viel zu, und die Wahrscheinlichkeit, an Blutzucker zu erkranken, nimmt auch zu. Das zählt mittlerweile zum medizinischen Allgemeinwissen. Dass jedoch mit jedem Kilo mehr auf der Hüfte auch das Krebsrisiko steigt, war in diesem Ausmaß vielen Zuhörern bei der Leser-Uni nicht klar – und sie folgten an der Uni Hohenheim gebannt dem Vortrag von Stephan Herzig vom Deutschen Krebsforschungsinstitut (DKFZ) in Heidelberg über das Krebsrisiko auf dem Teller.. „1,5 Milliarden Menschen weltweit sind übergewichtig“, erklärte der Molekularbiologe. Mittlerweile sei es wissenschaftlich bewiesen, dass Fettleibigkeit das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen erhöht. Da immer mehr Menschen immer dicker werden, werde Fehlernährung und Übergewicht zum wichtigsten Risikofaktor in Sachen Krebs – und schon bald das Rauchen abgelöst haben.

 

Wie genau durch zu viel Fett zu viele Tumorzellen entstehen, ist nicht klar. Herzig sucht nach den Hintergründen im Stoffwechsel. Im Tierversuch konnten dabei verschiedene Faktoren gefunden werden. Als erstes Beispiel nannte Herzig den Leberkrebs. Bisher wurde diese Krebsart vor allem durch Hepatitisviren verursacht. Mittlerweile ist jedoch viel mehr die Fettleber schuld am Großteil der Lebertumore. Herzig konnte dies im Tierexperiment zeigen: Bei Mäusen kann mit einer fettreichen Diät das Wachstum des Lebertumors angeregt werden. Zudem wachsen diese durch zu viel Fett induzierten Tumore auch noch sehr viel schneller und sind damit aggressiver, was man auf den etwas unappetitlichen aber sehr lehrreichen Laborfotos gut erkennen konnte.

Das Körperfett sendet Signale

Der Körper trägt nicht nur schwer an den überflüssigen Kilos, das Körperfett selbst wirkt zudem als Hormondrüse und schüttet damit verschiedene Botenstoffe aus. Herzig beschrieb dies am Beispiel des Hormons Leptin: „Das ist ein Botenstoff, der unserem Gehirn nach dem Essen meldet, jetzt reicht es, keinen Appetit mehr.“ Fehle diese Regelung, werde der Mensch sehr dick, weil er nicht aufhören mag zu essen. Auch hierzu hatte Herzig eindrückliche Bilder: Durch einen genetischen Defekt können manche Menschen diesen Botenstoff nicht bilden, ein sehr, sehr dicker dreijähriger Junge macht dies deutlich. Nachdem dieser Junge Leptin bekommen hat, war er einige Jahre später rank und schlank.

Leptin reguliert aber nicht nur die Nahrungsaufnahme, vielmehr lässt es auch Tumorzellen wachsen und aggressiver werden. „Wer viel Körperfett hat, schüttet viel Leptin aus und regt damit das Tumorwachstum an“, so der Wissenschaftler.

Wenn Insulin seinen eigentlichen Dienst nicht mehr tut

Ein weiterer wichtiger Faktor bei Übergewicht ist die Resistenz gegenüber dem Hormon Insulin. Dieses regelt den Blutzuckerhaushalt im Körper und hält zusammen mit anderen Hormonen den Zucker auf einem gesunden Niveau. Bei übergewichtigen Menschen kann dieser Regelkreis gestört sein, weil sie unempfindlich gegen Insulin werden – und daher immer mehr Insulin ausschütten.

Im Tierversuch hat sich nun gezeigt, dass auch dieses Hormon im Übermaß krebsfördernd wirken kann: „Bei Mäusen kann man mit Insulingaben das Tumorwachstum steigern. Andersherum kann man durch ein Arzneimittel, das Metformin, das Wachstum der Tumoren bremsen. Metformin bringt den Insulinspiegel auf normale Werte“, berichtete Herzig.

Wer also Übergewicht vermeide, beuge nicht nur dem Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor, sondern damit sinke auch das Risiko für manche Arten von Krebs, fasste Herzig zusammen. Und gab den Zuhörern noch einige praktische Tipps mit auf den Heimweg, die „sie hoffentlich nie brauchen werden“: Am NCT (Nationales Centrum für Tumorerkrankungen) in Heidelberg treffen Forschung und Klinik zusammen – zum Wohle des Patienten. Jeder könne sich zur Untersuchung hier anmelden, sagte Herzig auf Nachfrage. Man werde hier nicht nur von Fachleuten verschiedener Disziplinen versorgt, sondern habe auch die Möglichkeit, an wissenschaftlichen Studien teilzunehmen. Hilfreich für Patienten und deren Angehörige sei zudem der Krebsinformationsdienst des DKFZ. Hier könne man jederzeit anrufen, um, beraten von kundigen Ärzten, auf den neuesten medizinischen Stand zu kommen oder sich einfach grundsätzlich zu informieren. Auch mancher Arzt, so Herzig über diese Beratungseinrichtung, habe sich beim Krebsinformationsdienst schon auf den Stand der Dinge bringen lassen.