Die Anhänger der Ahmadi-Muslime wollen in den nächsten Monaten ihre friedliche Auslegung des Islam etwa mit Hilfe von Flyern im Kreis Böblingen verbreiten. Sie halten Hassprediger und Islamisten für verblendet.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Der Koran gibt die Antwort. Tahssin Rasheed hält eine Broschüre in die Höhe. Auf der einen Seite sind die in der Bundesrepublik weit verbreiteten Vorurteile gegen den Islam aufgelistet, auf der nächsten stehen Zitate aus der heiligen Schrift der Muslime, die jene Vorurteile widerlegen sollen.

 

Rasheed ist Imam der Moschee in Weil der Stadt. Neben ihm sitzt ein Mann, auf dessen T-Shirt die zentrale Botschaft dieser Veranstaltung zusammengefasst ist: „Muslime für Frieden“ ist auf den Stoff gedruckt, in weißen Buchstaben auf blauem Grund. Dies ist eine Pressekonferenz der Ahmadi-Muslime, die sich in voller Länge Ahmadiyya Muslim Jamaat bezeichnen. Ihre Anhänger glauben an eine spezielle Ausrichtung des Islam. In den nächsten Monaten wollen sie im Landkreis verbreiten, was nach ihrer Auslegung die wahre Lehre Mohammeds ist: dass Muslime in Frieden leben sollen mit allen Religionen und Völkern. Wer anderes verbreitet, sei von falschen Propheten verblendet.

Die rund 320 Anhänger der hiesigen Gemeinde wollen Broschüren verteilen, zu Diskussionsrunden einladen, Informationsstände aufbauen, 115 Ortschaften besuchen. So viele zählen zwar nicht zum Landkreis Böblingen, aber „wir gehen auch in Weiher und einzelne Höfe“, sagt Sajad Butt, der oberste Repräsentant der Ahmadi-Muslime in Württemberg.

Ahmadi-Auslegung des Islam stammt aus Indien

Die Botschaft „Wir sind die Guten“ übermittelt auch die AfD – mit dem gegenteiligen Schluss über Koran und Islam. Allerdings ruft Rasheed gleichzeitig jeden dazu auf, „niemandem alles abzukaufen“, auch nicht ihm, sondern „selbst zu recherchieren und nachzudenken“. Was er über die Lehre der Ahmadi-Muslime verkündet, glaubt zumindest die Mehrheit der westlichen Gesellschaften allerdings gern. Über das Kopftuch zum Beispiel: Ja, der Koran gebiete Frauen, ihr Haar zu bedecken, „aber niemand hat das Recht, sie dazu zu zwingen, kein Imam, auch kein Ehemann“.

Die Ahmadi-Auslegung des Islam stammt aus Indien. Ihre Anhänger glauben, dass die Lehre mit der Zeit verwässert würde. Ein zweiter Prophet sollte erscheinen, um die Gläubigen zurück auf den wahren Weg zu führen. Zu dieser Aufgabe fühlte sich Ende des 19. Jahrhunderts Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad berufen. Er gründete 1889 die Gemeinde, die heute in 200 Ländern vertreten ist und in Deutschland knapp 40.000 Anhänger zählt. Sie bekennen sich ohne Vorbehalt zur Demokratie. In Hessen und Hamburg ist die Gemeinde den christlichen Kirchen gleichgestellt.

Hassprediger und Terroristen als Anhänger eines verfehlten Glaubens

In Saudi-Arabien und Pakistan werden ihre Anhänger von Gesetzes wegen verfolgt. Böblingen ist nicht der erste Landkreis, in dem sie ihre friedliche Botschaft verbreiten wollen. Zuletzt standen ihre Anhänger im Kreis Esslingen auf der Straße. „Natürlich lädt da mancher seinen Spruch ab“, sagt Butt – einen islamfeindlichen Spruch. „Wir begegnen dem mit einem Lächeln und der Einladung zum Gespräch.“ Der folgten – wie ein Filmausschnitt belegt – sogar Erfurter AfD-Funktionäre. Zumindest Einzelne ließen sich überzeugen, dass die übergroße Mehrzahl der Muslime auf der Welt friedlich lebt und nicht anders leben will. Das Verbreiten dieser Überzeugung führte prompt zu Parteiaustritten.

„Einzelne Muslime haben in den Medien sehr viel Aufmerksamkeit“, sagt Rasheed. Gemeint sind Hassprediger und Terroristen, Anhänger eines verfehlten Glaubens. Die Ahmadi-Muslime versuchen sie genauso zu überzeugen wie Christen oder Atheisten. Dies mit erheblichem Aufwand. Die Gemeinde betreibt einen Fernsehsender, der per Satellit empfangbar ist. An einer Hotline sitzen rund um die Uhr Imame, die jede Frage beantworten, auf Deutsch und auf Türkisch.