Der Kreis forciert den Breitbandausbau. Bis Ende des Jahres werden die Lücken im Netz ermittelt. Eine starke Datenautobahn soll in Kürze alle Kommunen anschließen. Dann sind die Gemeinden für den weiteren Ausbau gefordert.

Böblingen - Wenn es beim Downloaden eines Songs ständig rumpelt und das Versenden von Fotos vom letzen Familienfest an Verwandte ewig dauert, dann ist das ärgerlich. Wenn aber ein Architekt seine Angebote nicht an Kunden verschicken kann, weil sein Internetanschluss für große Datenmengen nicht ausgelegt ist, dann kann das seine berufliche Existenz gefährden. Und auf die Schnelligkeit hat der Endabnehmer nur begrenzt Einfluss. In manchen Gegenden gibt es keine schnellen Datenleitungen.

 

Deshalb hat der Landrat Roland Bernhard in seiner Rede vor der Wahl zu seiner zweiten Amtszeit im Juli den Ausbau der digitalen Infrastruktur im Kreis als eines von acht wichtigen Zielen für die kommenden acht Jahre benannt. Jetzt kann er sich über einen Landeszuschuss von knapp 70 0000 Euro freuen, mit denen die Regierung die Ausbauplanung des Breitbandnetzes im Landkreis Böblingen fördert – in der vergangenen Woche wurde der Förderbescheid überreicht.

Dieser Betrag deckt einen Großteil der insgesamt 90 000 Euro kostenden sogenannten Backbone-Planung. Backbone ist die Bezeichnung für den Hauptstrang eines schnellen Internetnetzes, das sehr hohe Datenmengen in kürzester Zeit transportieren kann. „Das Backbone ist sozusagen die Autobahn des Netzes“, sagt Martin Wuttke, der als Erster Landesbeamter und Stellvertreter des Landrats die Verantwortung für den Ausbau des Breitbandnetzes hat.

„Wir haben im Kreis einen vergleichsweise hohen Standard für die Internetnutzung“, sagt Wuttke. „Vor allem in Böblingen und Sindelfingen gibt es so gut wie flächendeckend Breitbandanschluss.“ Doch es gebe durchaus Gebiete im Kreis, die noch großen Nachholbedarf hätten.

IHK-Chefin erhält Beschwerden von Firmen in Höfingen und Gültstein

Weniger optimistisch äußert sich Marion Oker, die Geschäftsführerin der Böblinger Kammer der Industrie- und Handelskammer. „Zur starken Wirtschaftsstruktur des Kreises passt die digitale Infrastruktur – von Ausnahmen wie dem Flugfeld und dem Gewerbegebiet auf der Böblinger Hulb – nicht.“ Sie fordert „einen schnellen Ausbau der Glasfasertechnologie. Da zählt jeder Monat.“ Für Unternehmen sei heute schnelles Internet ein mindestens genauso wichtiger Standortfaktor wie eine gute Anbindung an das Autobahnnetz. Klagen von Unternehmen über langsames Internet erhält Oker beispielsweise aus dem Leonberger Stadtteil Höfingen und von Firmen aus dem Gewerbegebiet Herrenberg-Gültstein.

Das Problem dabei ist laut Wuttke, dass die Lage relativ unübersichtlich sei. „Verschiedene Unternehmen wie die Telekom oder EnBW haben in der Vergangenheit Glasfaserleitungen gelegt. Dazwischen gibt es aber noch viele Lücken.“ Ein Büro habe nun den Auftrag erhalten, diesen Ist-Zustand zu ermitteln. Wo welche Netze und Rohre liegen und wo es noch Lücken gibt, die schnell geschlossen werden müssen. „Bis Ende dieses Jahres liegen uns die Ergebnisse vor. Danach werden wir ein Konzept zum Ausbau entwickeln und dieses dem Kreistag vorlegen.“

Ziel sei es, so schnell wie möglich alle Lücken zu schließen – Wuttke hofft, dass dies bis Ende 2017 erreicht werden kann. „Wir wollen alle Kommunen an die Backbone-Leitung anschließen. Für den 12. Oktober hat die Kreisverwaltung deshalb alle 26 Kommunen zu einer Konferenz eingeladen. Dort soll erörtert werden, wo genau die Anschlusspunkte jeder Gemeinde an die Datenautobahn positioniert werden sollen. „Vorrang haben dabei die Gewerbegebiete“, sagt Wuttke.

Sindelfingen gilt als vorbildlich

Der weitere Ausbau in den Gemeinden selbst liege dann in deren Verantwortung. „Das Bewusstsein dafür ist jedoch unterschiedlich groß“, sagt Wuttke. Vorbildlich sei beispielsweise Sindelfingen, lobt der Erste Landesbeamte. Dort bauen die Sindelfinger Stadtwerke das Glasfasernetz aus, die Versorgung erfolgt dann über eines von vier Telekommunikationsunternehmen, mit denen die Stadtwerke zusammenarbeiten. „Bei uns sind alle Gewerbegebiete ans Glasfasernetz angeschlossen. Jede Firma kann über einen der Anbietern schnelles Internet ordern“, sagt Karl-Peter Hoffmann, der Geschäftsführer der Stadtwerke.

Aber auch so manch kleine Gemeinde geht die Zukunftstechnologie offensiv an. So hat Gärtringen im Zuge der gerade abgeschlossenen Ortskernsanierung auch gleich Lehrrohre für die moderne Glasfasertechnologie verlegen lassen. „Leider haben wir noch keinen Anbieter gefunden, der das nutzen möchte“, sagt der Bürgermeister Thomas Riesch. Er setzt auf den weiteren Breitbandausbau, der 2017 kommen und dann auch sämtliche Gewerbegebiete der Gemeinde anschließen soll. „Der Gemeinderat hat dies schon beschlossen. Wir hoffen nun für die Planung auf einen Landeszuschuss.“

Riesch hat die Hoffnung, dass Telekommunikationsunternehmen nach dem Ausbau den kompletten Ort mit schnellem Internet versorgen werden. „Für Firmen die sich bei uns ansiedeln möchte, ist schnelles Internet eines der wichtigsten Kriterien“, sagt der Bürgermeister. Einmal bereits sei ein interessiertes Unternehmen abgesprungen, weil es in Gärtringen keinen Breitbandanschluss gab und habe sich für einen anderen Standort mit Glasfasertechnologie entschieden.

Breitband für die gesamte Region

Regionales Konzept
Die Breitbandplanung geht der Kreis Böblingen gemeinsam mit den vier anderen Landkreisen der Region Stuttgart sowie der Stadt Stuttgart an. Gemeinsam haben sie nun einen Förderbescheid des Landes über 400 000 Euro erhalten. Der Verband Region Stuttgart koordiniert diese Planung. Erklärtes Ziel sei die regionsweite Planung eines glaserfaserbasierten Backbone-Netzes, sagt die Regionaldirektorin Nicola Schelling. Das Breitband soll sämtliche Gewerbegebiete in der Region anschließen sowie entlang der Hauptverkehrsstraßen ausgebaut werden. Dies sei eine zentrale Voraussetzung für künftige Mobilitätsformen, wie etwa das autonome Fahren.

Technologie
Beim Internetausbau in den Kommunen setzen viele Telekommunikationsunternehmen noch auf die Vectoring-Technologie. Dabei verstärken Kupferdrähte an den Verteilerkästen die Geschwindigkeit. Dabei profitieren aber vor allem Abnehmer in der Nähe des Verteilerkastens. „Das kann nur eine Brückentechnologie sein“, sagt Martin Wuttke vom Landratsamt. Zukunftsfähig sei einzig der flächendeckende Ausbau mit der Glasfasertechnologie.