Der Abfallwirtschaftsbetrieb soll wieder in positive Schlagzeilen kommen. Korruptionsvorwürfe, fehlende Kontrollen der Handelnden und Personalprobleme hatten im vergangenen Jahr immer wieder für Turbulenzen gesorgt.

Kreis Böblingen - Amerikaner stehen im Ruf, einen hohen Energieverbrauch zu haben. 2000 Angehörige der US-Armee arbeiten auf dem Gelände der Panzerkaserne östlich von Böblingen, 300 von ihnen wohnen dort dauerhaft – da kommt ein gewisser Bedarf zusammen. Bislang haben die amerikanischen Soldaten mit Öl geheizt. Von diesem Herbst an werden sie voraussichtlich eine umweltfreundlichere Alternative nutzen: Das Böblinger Restmüllheizkraftwerk, das nur einen Kilometer weiter östlich im Wald liegt, soll die Kaserne zukünftig mit Fernwärme beliefern.

 

Damit soll der Abfallwirtschaftsbetrieb wieder in positive Schlagzeilen kommen. Korruptionsvorwürfe, fehlende Kontrollen der Handelnden und Personalprobleme hatten im vergangenen Jahr immer wieder für Turbulenzen gesorgt. Um mehr Effizienz, aber auch um ein besseres Controlling soll sich Dirk Hausmann kümmern, der Mitte 2012 als Werkleiter für Finanzen und Verwaltung eingestellt wurde.

Der Deal mit der Fernwärme mit der Panzerkaserne ist indes für beide Seiten vorteilhaft: Die US-Armee spart jährlich mehr als 450 000 Euro und 60 Prozent des früheren Kohlendioxid-Ausstoßes ein – und der Böblinger Müllmeiler hat einen weiteren Abnehmer für die von ihr produzierte Fernwärme. Denn besonders im Sommer, wenn wenig geheizt wird, produziert das Kraftwerk mehr Wärme, als die Abnehmer – Privathaushalte und Betriebe in Böblingen und Sindelfingen – benötigen.

Drei Monate Stillstand wegen fehlendem Ersatzteil

Das Böblinger Restmüllheizkraftwerk könnte effizienter arbeiten, darüber sind sich Betreiber und externe Gutachter einig. Eine Tonne Restmüll zu verbrennen, kostet die Betreiber momentan 166 Euro. Auf dem freien Markt können kleinere Abfallmengen hingegen schon für 70 Euro entsorgt werden – beispielsweise in den großen Kraftwerken des Ruhrgebietes, die wegen der allgemein sinkenden Müllmengen nicht ausgelastet sind.

Dirk Hausmann will die Auslastung des Müllmeilers verbessern – ab Mai liefert beispielsweise der Landkreis Rottweil 8000 bis 10 000 Tonnen Abfall jährlich nach Böblingen. Auch die Ausfälle durch technische Mängel will Hausmann verringern: 2012 stand das Biomasse-Kraftwerk immer wieder still. Die Fernwärme-Trasse nach Sindelfingen musste sogar für drei Monate abgeschaltet werden, weil ein Ersatzteil nicht rechtzeitig geliefert wurde.

Klinik und Thermalbad als mögliche Abnehmer

Etwa 20 Prozent ihrer Ausgaben deckt das Böblinger Restmüllheizkraftwerk aktuell über seine Einnahmen, also über den Verkauf von Strom und Fernwärme, berichtet Wolf Eisenmann, Umweltreferent im Böblinger Landratsamt.

Das sei kein schlechter Wert, würde bei anderen Müllmeilern aber bis zu 30 Prozent erreichen, sagt Hans Hertle, Mitarbeiter des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung. Er hat 2011 mit seinen Kollegen eine Studie zu den Entwicklungspotenzialen des Böblinger Kraftwerks erstellt. Darin schlagen die Umweltexperten vor, weitere Abnehmer an das Fernwärmenetz anzubinden – beispielsweise die Böblinger Klinik, das Thermalbad oder das Schulzentrum um das Albert-Einstein-Gymnasium. Dafür müsste allerdings eine dritte Trasse gebaut werden, die vom Restmüllheizkraftwerk nach Böblingen hineinführt. Deren Bau wird zwar seit vielen Jahren diskutiert, lässt aber bislang auf sich warten. Gebaut würde die Leitung allerdings nicht von den Kraftwerksbetreibern. Zuständig wären entweder die Böblinger Stadtwerke oder die „Fernwärme-Transportgesellschaft“ (FTG), die gemeinsame Tochter der Böblinger und Sindelfinger Stadtwerke. Die FTG ist es auch, die mit den Amerikanern den Vertrag über die Fernwärme geschlossen hat.

Krankenhaus könnte als Kunde ausfallen

Die dritte Trasse wäre eine millionenschwere Investition, an der sich auch die zukünftigen Abnehmer beteiligen müssten. Ein potenzieller Großkunde könnte allerdings ausfallen: Wenn auf dem Flugfeld zwischen Böblingen und Sindelfingen eine neue Großklinik für beide Städte gebaut würde, wie aktuell diskutiert wird, würde das Böblinger Krankenhaus an ihrem jetzigen Standort die Türen schließen. Immerhin führt bereits eine Fernwärme-Leitung zum Flugfeld. Allein für das Böblinger Thermalbad und das Schulzentrum würde sich eine dritte Trasse allerdings wohl nicht lohnen. Dabei gelten Bäder als ideale Fernwärmekunden, weil sie nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer heizen. Viele Veränderungen also.