Weil die Beförderung behinderter Kinder zur Schule nicht funktioniert, hat das Landratsamt Abmahnungen gegen den Fahrdienst ausgesprochen. Den Eltern hilft das in ihrer Not nicht, einige haben das Vertrauen in das Unternehmen verloren.

Kreis Esslingen - Der Fahrdienst für behinderte Kinder und Jugendliche zur Rohräckerschule auf dem Esslinger Zollberg verursacht auch fünf Wochen nach dem Schuljahresbeginn bei vielen Eltern große Unzufriedenheit. Sie berichten über nach wie vor nicht abgestellte Unzulänglichkeiten, seitdem das Esslinger Landratsamt die Touren zu einem Großteil an das Unternehmen Köhler-Transfer vergeben hat. Inzwischen sind dem Landrat Heinz Eininger zufolge bereits „Abmahnungen“ ausgesprochen worden, wie er in der jüngsten Kreistagssitzung erklärte.

 

Milena Zahumensky aus Filderstadt hilft das in ihrer Not nicht weiter. Sie wisse morgens nicht, ob ihr neun Jahre alter schwerbehinderter Sohn Leander auch für den Schulbesuch abgeholt wird oder nicht. So sei ihr kürzlich von der Fahrdienstleiterin von Köhler-Transfer am Sonntagabend, 12. Oktober, mitgeteilt worden, dass Leander am darauffolgenden Morgen nicht zur Schule gebracht werden kann, „da wohl kein Fahrer verfügbar sei“. Daraufhin sei sie gezwungen gewesen, ihr Kind entweder zu Hause zu lassen oder selbst in die Schule zu bringen. Sie habe Leander am Montag schließlich von Filderstadt nach Esslingen gebracht, berichtet Milena Zahumensky, „weil es dieses Mal möglich war“.

Für die Mutter ist das Maß voll

Darüber, wie sich die Situation am folgenden Dienstag, 14. Oktober, darstellen würde, sei sie noch nicht einmal informiert worden. Tatsächlich sei kein Bus erschienen. In diesem Fall – Leander hatte Fieber – habe sie ihren Sohn ohnehin nicht zur Schule schicken können. Doch regelrecht bestürzt war Milena Zahumensky, als sie am Nachmittag einen Anruf von der Schule erhielt, der Kleinbus warte auf Leander, um ihn nach Hause zu bringen.

Damit war für die Mutter des Neunjährigen das Maß voll: „Meinen Sohn lasse ich mit diesem Fahrdienst nicht mehr fahren,“ erklärte sie wutentbrannt in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Und Kosten, die ihr durch Fahrten – möglicherweise auch mit dem Taxi – entstünden, stelle sie dem Landratsamt in Rechnung.

Es geht nicht nur um die Zuverlässigkeit

Spätestens die Vorfälle der vergangenen Woche haben das Vertrauen von Milena Zahumensky in das Unternehmen Köhler-Transfer erschüttert. Dabei gehe es nicht nur um dessen Zuverlässigkeit. So habe ihr unter epileptischen Anfällen leidendes Kind mitunter „geschlagene 30 Minuten“ in dem Kleinbus gesessen, ehe die Fahrt nach Hause endlich losging. Es könne nicht angehen, dass ausgerechnet ein sogenanntes Anfallskind, das auch im Bus mitunter krampfe, auf seinem Sitz warten müsse, bis alle eingestiegen sind.

Peter Keck, der Sprecher des Esslinger Landratsamts, erachtet es als „völlig unhaltbar, wenn eine Firma ihre Leistung nicht erbringt“. Als er im Gespräch mit unserer Zeitung von dem Fall Leander Zahumensky hört, spricht er von einer „ganz neuen Qualität der Unzulänglichkeiten“. In der vorvergangenen Woche habe man die Verantwortlichen von Köhler-Transfer ins Landratsamt nach Esslingen einbestellt und ihnen klar gemacht, „dass die Sache jetzt laufen muss“.

Eltern geben dem Landratsamt eine Mitschuld

Nun, nach Bekanntwerden des Falles aus Filderstadt, werde noch einmal ein Gespräch stattfinden, „und wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten gegen Köhler-Transfer ausschöpfen“. Für die Sorgen und Nöte der Eltern – eine Mutter habe bereits eine Taxi-Rechnung bei der Behörde eingereicht – habe er volles Verständnis, so Keck: „Schließlich basiert der Fahrdienst für behinderte Kinder auf einem großen Vertrauen der Eltern in das Beförderungsunternehmen.“

Doch die geben der Behörde eine Mitschuld an der jetzigen Situation. Milena Zahumensky kann nicht verstehen, warum ein Fahrdienst, der vor den Ferien „exzellent und vorbildlich“ funktioniert habe, aufgegeben wurde. Sollte dies geschehen sein, um Kosten einzusparen, dann sei der Versuch gründlich gescheitert: „Vertrauen kann man sich nicht kaufen.“

Nicht jede Tour fährt mit Begleitperson

Ein Rentner aus dem Kreis Esslingen, der namentlich nicht genannt werden will, empfindet das auf den Fahrdienst für behinderte Menschen spezialisierte Unternehmen Köhler-Transfer ebenfalls als nicht vertrauenswürdig. Bei diesem habe er sich als Fahrer beworben und die Stelle auch erhalten. Seine Tour sei er vorab privat abgefahren und habe sich mit den Eltern „kurzgeschlossen“. Aber eine seiner Ansicht nach erforderliche Begleitperson sei ihm nicht zugewiesen worden. Der Mann, der zwölf Jahre lang Schwerbehindertenbeauftragter in einer überregionalen Behörde war, hakte deshalb bei seinem neuen Arbeitgeber nach. Folgende Antwort habe er erhalten: „Wenn Sie diese Tour ohne Begleitperson nicht übernehmen können, sind Sie fehl am Platz.“ Daraufhin habe er gekündigt, denn „diese Verantwortung kann ich nicht übernehmen.“

Ralf Köhler, der Geschäftsführer der Firma Köhler-Transfer in Frankfurt, bestätigt den Sachverhalt. Allerdings seien von den 39 Fahrzeugen, die im Kreis Esslingen unterwegs seien, nach Vorgabe des Landratsamts nur 22 mit Begleitpersonen ausgestattet. „Mehr bekommen wir nicht bezahlt“, sagt Köhler, und die besagte Tour sei ohne Begleitung angesetzt.

Das Unternehmen gelobt Besserung

Ansonsten gibt Köhler unumwunden zu, dass viel schief gelaufen ist in den Wochen seit dem Schuljahresbeginn. Unter anderem habe seinem Unternehmen im Kreis Esslingen ein ständiger Fahrerwechsel durch Kündigungen zu schaffen gemacht. Einige der Fahrer hätten die Beschimpfungen leid gehabt und seien deshalb abgesprungen. Außerdem sei es für seine Firma in keinem anderen Gebiet in Deutschland bisher so schwer gewesen, geeignete Mitarbeiter zu finden. Auf die Frage, ob das möglicherweise an der zu dürftigen Bezahlung des Personals liegen könnte, antwortet Köhler, er zahle „nicht schlechter, aber auch nicht besser“ als andere Fahrdienste – in jedem Fall aber den gesetzlichen Mindestlohn.

Für die Sicht der Schule und der seiner Meinung nach zehn bis 20 unzufriedenen Eltern habe er durchaus Verständnis. Und er gelobt Besserung: „Wir wollen mit jedem Tag besser werden, und nach den Herbstferien soll der Betrieb reibungslos laufen.“