Die Region Stuttgart will fünf neue Gewerbeflächen im Kreis Ludwigsburg ausweisen. Die Gemeinderäte der betroffenen Kommunen haben bereits zugestimmt, doch es gibt viel Kritik aus der Bevölkerung. Nun regt sich auch in Bietigheim-Bissingen Widerstand.

Kreis Ludwigsburg - Sie haben alle zugestimmt: Die politischen Gremien in Großbottwar, Ingersheim, Schwieberdingen, Korntal-Münchingen und Bietigheim-Bissingen haben die Pläne der Region, auf ihren Gemarkungen neue Gewerbegebiete auszuweisen, abgesegnet – wenn auch manchmal nur mit knapper Mehrheit. Doch nach Großbottwar regt sich nun auch in Bietigheim-Bissingen Widerstand in der Bevölkerung, in Korntal-Münchingen gibt es ebenfalls Kritik.

 

Der Bietigheim-Bissinger Gärtnerei-Inhaber Gerhard Kiemle ist gar nicht gut auf das Vorhaben zu sprechen. Denn die Fläche für das geplante Gewerbegebiet zwischen Bissingen und Tamm liegt genau neben seiner Gärtnerei – und war von ihm und benachbarten Landwirten für Betriebserweiterungen anvisiert worden. Denn langfristig brauche man als Gärtner oder Landwirt Entwicklungspotenzial, um bestehen zu können, sagt Kiemle: „In unserer Branche muss man wachsen oder weichen.“ Für ihn seien weiter entfernte Flächen aber nicht wirtschaftlich, weil der Aufwand zum Gießen dann zu groß werde.

Problem für Qualität der Produkte

Hinzu komme das Thema Fruchtwechsel, sagt Kiemle: Er tausche regelmäßig Felder mit benachbarten Bauern, damit die Böden nicht durch einseitige Bewirtschaftung auslaugen. Aber wer zu wenig Flächen habe, könne nicht tauschen. Zudem komme mit einem neuen Gewerbegebiet mehr Verkehr, und der sei ein Problem für die Qualität der Produkte. „Wir strengen uns an, um auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten und so natürlich wie möglich zu produzieren, und dann machen die Abgase alles zunichte.“

Der Gärtnerei-Chef will seine Bedenken jetzt öffentlich machen. Denn bisher habe weder die Stadt noch die Region mit ihm gesprochen, kritisiert Kiemle. Deshalb hat er sich nun an die Gemeinderäte gewandt. Doch das Gremium ist in diesem Punkt gespalten: Während Freie Wähler und GAL monieren, mit dem neuen Gewerbegebiet an dieser Stelle gingen wertvolle Flächen für die Landwirtschaft verloren, verweisen FDP, CDU und SPD auf die Notwendigkeit, neue Gewerbeflächen in der Stadt zu schaffen.

Das trifft genau die Sicht der Bietigheim-Bissinger Stadtverwaltung. Jüngst habe man die allerletzten freien Gewerbeflächen in der Kommune vergeben, berichtet Anette Hochmuth, die Sprecherin der Stadt. „Aber wir können nicht sagen, wir haben einen schönen Bestand, das reicht uns.“ Denn die Unternehmen veränderten sich ständig – wenn es kein Potenzial zur Erweiterung für sie gebe, dann kehrten sie der Stadt den Rücken. Die Fläche zwischen Bissingen und Tamm sei eine der wenigen Optionen, die man noch habe, um neue Gewerbeflächen auszuweisen.

Bedenken wegen Naturschutz und Verkehr

Auch andernorts gibt es Kritik an den Konzepten der Region: Gegen die geplanten Gewerbeflächen im Holzweilerhof (Großbottwar) machen insbesondere Naturschutzverbände seit einiger Zeit mobil. Sie halten den Eingriff in die Natur für unnötig und inakzeptabel. Deshalb soll nun geprüft werden, ob statt des heiß diskutierten Areals südwestlich des Holzweilerhofs eine Fläche auf Mundelsheimer Gemarkung westlich der Autobahn in Frage käme. Auch in Korntal-Münchingen sind längst nicht alle einverstanden. Unter anderem sieht sich ein Gärtnereibesitzer in seiner Existenz bedroht, weil sich ein Teil seiner Gewächshäuser auf dem als Gewerbefläche anvisierten Areal befindet. Freiberg ist gleich ganz gegen das geplante Gebiet in Ingersheim, weil man zusätzlichen Verkehr befürchtet.

Der Verband Region Stuttgart will die Ausweisung der neuen Gewerbegebiete Ende des Jahres beschließen. Sollte der Standort in Mundelsheim weiter verfolgt werden, würde sich die Entscheidung allerdings verzögern – denn dann müsste das Verfahren neu aufgerollt werden.

Bedenken gegen geplantes Areal

Ingersheim - Volker Godel bleibt gelassen. Der Ingersheimer Bürgermeister glaubt, dass die Bedenken des Verbands Region Stuttgart gegen die Planungen der Kommune für das Gewerbegebiet Gröninger Weg ausgeräumt werden können. Zudem rechnet er damit, dass die Region bis Ende des Jahres auch dem interkommunalen Gewerbegebiet Bietigheimer Weg zustimmen wird.

In ihrer Vorlage zum Planungsausschuss am Mittwochnachmittag weist die Region gleich auf zwei Dinge hin, die bei den Plänen Ingersheims angeblich gegen die Ziele der Raumordnung verstößen. So dürften Gemeinden mit Eigenentwicklung – wie Ingersheim eine ist – nur Gewerbeflächen für den Bedarf ortsansässiger Firmen ausweisen. In Ingersheim übersteige die geplante Erweiterung des Gewerbeparks Gröninger Weg aber den im Flächennutzungsplan vereinbarten Bedarf an Gewerbeflächen – und zwar, ohne dass eine detaillierte Begründung für den zusätzlichen Bedarf vorliege. Auch die Erweiterung des bestehenden Textilmarktes sei nicht mit den Zielen der Region vereinbar, so die Kritik. Denn der Markt weise bereits eine Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern auf und grenze an einen weiteren Einzelhandelsbetrieb. Bei einer zusätzlichen Erweiterung der Verkaufsfläche liege eine sogenannte Einzelhandelsagglomeration vor – das sei nicht erwünscht.

Volker Godel weist jedoch auf ein Missverständnis hin: Der Textilmarkt wolle lediglich sein Lager, nicht aber die Verkaufsfläche erweitern, sagt er. Daher könne von einer zu hohen Dichte an Einzelhandelsfläche keine Rede sein. Zudem könne er den Bedarf Ingersheims an Gewerbeflächen im Handumdrehen nachweisen: Er habe eine Liste von rund 40 lokalen Unternehmen, die an Flächen in Ingersheim interessiert seien.