Vier Kommunen im Landkreis sollen die Mietpreisbremse bekommen. Nur eine freut sich darüber, die anderen sind ratlos bis resigniert über das Vorgehen des Wirtschaftsministeriums.

Ludwigsburg - Erst gab es die Kappungsgrenze, jetzt kommt die Mietpreisbremse. Im April ging es noch darum, die Mieterhöhungen bei bestehenden Mietverhältnissen auf 15 Prozent innerhalb von drei Jahren zu deckeln – eine Initiative des Landes. Das Bundesgesetz zur Mietpreisbremse trat nun am 1. Juni in Kraft, seitdem arbeitet das Wirtschafts- und Finanzministerium des Landes an einer Gebietskulisse, in der Städte mit einem „angespannten Wohnungsmarkt“ aufgenommen werden sollen, wie es im Ministerium heißt. Dort sollen die Mieten zu Beginn eines neuen Mietverhältnisses maximal zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigen dürfen. 68 Städte und Gemeinden sollen in Baden-Württemberg von der Mietpreisbremse betroffen sein. Sie haben bis zum 10. August Zeit, sich dazu zu äußern.

 

Im Landkreis Ludwigsburg sind vier Kommunen in der vorläufigen Auswahl des Finanz- und Wirtschaftsministeriums: Freiberg, Möglingen, Asperg und Bietigheim-Bissingen. Die Liste ist damit fast deckungsgleich mit derjenigen der Kappungsgrenze.

Bietigheim-Bissingen freut sich über die Mietpreisbremse

Neu auf der Liste ist Bietigheim-Bissingen. Die Stadt hatte bereits im April eine Stellungnahme abgegeben, in der sie um die Aufnahme in die Gebietskulisse der Kappungsgrenze bat. Doch daraus wurde nichts. Die Stadtsprecherin Anette Hochmuth vermutet, dass es an dem hohen Durchschnittseinkommen der Bietigheimer und Bissinger liegt. „Das hilft aber jenen nicht, die weniger verdienen“, sagt Hochmuth. Im Mai veröffentlichte die Stadt einen neuen Mietspiegel. Die gute Nachricht: die Mieten liegen 15 Prozent unter dem Stuttgarter Niveau. Die schlechte Nachricht: in den vergangenen beiden Jahren sind die Mieten zwischen 4,4 und 6,7 Prozent gestiegen, je nach Baujahr der Gebäude. „Wer bei uns eine günstige Wohnung sucht, hat ein Problem“, sagt Hochmuth. Deswegen sei die Aufnahme in die Gebietskulisse für die Mietpreisbremse ein „erfreuliches Signal“.

Weniger erfreut ist die Stadt Freiberg. Konsequenterweise verabschiedeten die Stadträte eine Stellungnahme ans Land, die es in sich hat. Die Mietpreisbremse bringe einen „erheblichen Standortnachteil“ mit sich, weil dann weniger in zusätzlichen Wohnraum investiert würde. Zudem sei fraglich, warum ausgerechnet Freiberg in der Gebietskulisse lande, Ludwigsburg beispielsweise aber nicht. Generell sei die Mietpreisbremse nicht geeignet, um bezahlbaren Wohnraum für einkommensschwache Personen zu schaffen.

Freiberg fühlt sich nicht ernst genommen

Die Argumente sind bekannt, die Stadt hatte sie schon einmal angeführt, im April, als es um die Kappungsgrenze ging. Es half nichts, Freiberg wurde trotz gegenteiligen Votums des Gemeinderats in die Gebietskulisse der Kappungsgrenze aufgenommen, die seit 1. Juli in Kraft ist. Auch eine Anfrage der Verwaltung, wie das Ministerium einen Wohnungsversorgungsgrad von 97,81 Prozent für Freiberg errechnete, sei nicht zufriedenstellend beantwortet worden, sagte der Bürgermeister Dirk Schaible. „Schade, dass unsere Anfragen nicht ernst genommen werden.“ So klagte der Stadtrat Mario Wildermuth (Freie Wähler), dass man eine „Stellungnahme für die Katz“ abgebe, da man eh nicht gehört werde.

Ähnlich resigniert fiel die Reaktion in Asperg aus: es gab nämlich gar keine. Der Gemeinderat beschloss einstimmig, keine Stellungnahme abzugeben. „Wir halten die Auswahlkriterien für nicht nachvollziehbar“, sagt der Bürgermeister Ulrich Storer. Es sei aber egal, ob man Einwände äußere oder nicht, „man bleibt doch drin.“

Auch Möglingen äußerte in seiner Stellungnahme vergangene Woche „erhebliche Zweifel an er Methodik“, wie es in der Vorlage heißt. „Es ist schwer nachvollziehbar, warum wir dabei sind und andere nicht“, sagt die Bürgermeisterin Rebecca Schwaderer. Das Instrument der Mietpreisbremse befürwortete die Gemeinde im Unterschied zu Freiberg jedoch generell.

Kommentar: Formlos, fristlos, fruchtlos

Die Mietpreisbremse kommt – ob mit oder ohne Zustimmung der Kommunen. Das schafft Frust.

Es ist wie ein Déjà-Vu: Wieder eine Gebietskulisse, wieder mit einem Ergebnis auf der Basis wenig durchsichtiger Berechnungen. Und wieder Städte und Gemeinden, die das Vorgehen des Finanz- und Wirtschaftsministeriums kritisieren und gegen die Aufnahme in die Gebietskulisse protestieren. Nur: dieses Mal weniger vehement. Bei den Kommunen macht sich das Gefühl breit, in Sachen Mietpreisbremse kaum ein Mitspracherecht zu haben – ein fatales Signal ans Land aus Richtung der Städte und Gemeinden.

Eine Zahl macht das deutlich: 45 Kommunen waren in der vorläufigen Gebietskulisse zur Kappungsgrenze enthalten. Zahlreiche Städte und Gemeinden protestierten mit ihrer Stellungnahme dagegen, aus teils sehr unterschiedlichen Gründen: Wettbewerbsnachteil, eine veraltete Datengrundlage oder generell das Unverständnis, warum es nicht auch die Nachbarn getroffen hat, waren die Argumente. Allein, es half nichts. Am Ende blieben 44 Kommunen auf der Liste, nur der Protest von Neuenburg am Rhein war erfolgreich.

Ein Verwaltungs-Spruch, der eigentlich auf die Dienstaufsichtsbeschwerde bezogen ist, wird jetzt für die Stellungnahme ans Ministerium bemüht: Die sei nämlich auch „formlos, fristlos, fruchtlos“. Die Unnachgiebigkeit des Ministeriums ist sicher auch dem Wahlkampf geschuldet. Bevor der in die heiße Phase geht, will Grün-Rot noch ein paar Erfolge vorweisen können. Ob dabei das Verhältnis zu den Kommunen geschädigt wird, scheint Stuttgart zweitrangig zu sein. Das sollte es aber nicht.