Fast 200 Mal hat ein 44-Jähriger Mann aus dem Kreis Ludwigsburg die Kinder seiner ehemaligen Lebensgefährtin missbraucht. Jetzt wurde er vom Landgericht zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Häufig nutzen Angeklagte das letzte Wort vor Gericht für eine Rechtfertigung oder einen Erklärungsversuch. Manche streiten die Taten, die ihnen angelastet werden, bis zuletzt ab. Der 44-jährige Mann aus dem Kreis Ludwigsburg, der sich seit Ende Oktober wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten muss, verzichtet am Donnerstag, dem letzten Verhandlungstag, auf all das. „Ich weiß nicht, wie ich mich verteidigen kann“, sagt er unter Tränen. „Was ich gemacht habe, ist nicht zu entschuldigen.“ Er könne nur hoffen, dass seinen Opfern geholfen werde. „Und dass ich meine Dämonen loswerde.“

 

Die Opfer – das sind eine junge Frau und ein junger Mann. Als sie zu Opfern wurden, waren sie noch Kinder, sieben und zehn Jahre alt. Über drei Jahre hinweg hat der Angeklagte die Kinder seiner damaligen Lebensgefährtin sexuell missbraucht und vergewaltigt, in 173 Fällen. Warum er das tat? „Ich weiß es nicht, ich kann es nicht nachvollziehen“, sagt der Mann. „Vielleicht war es das Verlangen nach Macht.“

Der Täter legt ein umfassendes Geständnis ab

Wegen des Geständnisses war in dem Verfahren keine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig, die Fakten waren unstrittig. Und am Ende liegen auch der Staatsanwalt und die Verteidigerin nicht allzu weit auseinander. Er fordert in seinem Plädoyer mindestens sechs Jahre Gefängnis, sie plädiert für eine Strafe „unter fünf Jahren“. Die 7. Große Strafkammer entscheidet sich für die Mitte: fünfeinhalb Jahre. „Wenn man aus so einem Verfahren herausgeht, dann ist es meistens sehr unbefriedigend“, sagt der Vorsitzende Richter. „Denn auf allen Seiten sieht man nur Not und Elend.“ Auch er äußert eine Hoffnung: Vielleicht, sagt er, könne dieser Prozess ein „Stück weit ein Tor“ öffnen.

Die Opfer suchen dieses Tor in eine bessere Zukunft offenbar schon sehr lange. Die Nebenklagevertreterin schildert am Donnerstag noch einmal eindrücklich, wie sehr die beiden noch immer unter den Übergriffen leiden, die mehr als zehn Jahre zurückliegen. Die junge Frau sei depressiv und ängstlich, ihr Bruder wütend und voller Frust, beide hätten nie Fuß fassen können in ihren Leben. „Diese Taten haben Auswirkungen an jedem einzelnen Tag.“

Das Martyrium für die Kinder dauerte drei Jahre

Geradezu überfallartig, so der Staatsanwalt, habe der Angeklagte damals begonnen, die Kinder zu missbrauchen, „die in ihm einen Vater gesehen haben“. Dieses Vertrauen nutzte der Täter, der mit den beiden Geschwistern und ihrer Mutter in einer Wohnung lebte. Eines Tages, die Mutter war unterwegs, setzte er sich auf den Jungen und zwang das arglose Kind zum Oralverkehr. Danach brachte er den Zehnjährigen mit massivem psychischen Druck und Geldzahlungen zum Schweigen. Diese Methode hat nachhaltig gewirkt: Drei Jahre lang hat der Angeklagte die Geschwister regelmäßig zu sexuellen Handlungen genötigt. Aber erst viele Jahre später, die Mutter hatte sich längst von dem Mann getrennt, erzählten sie von ihrem Martyrium. Danach kamen die Ermittlungen ins Rollen. Angeklagt waren ursprünglich noch mehr Übergriffe. Ins Urteil flossen nur jene Fälle ein, die der 44-Jährige eingeräumt hat.

Vor allem das Geständnis hat sich letztlich strafmildernd ausgewirkt, denn damit hat der Angeklagte den Opfern eine vermutlich qualvolle Befragung vor Gericht erspart. Die Verteidigerin hob in ihrem Plädoyer zudem hervor, dass ihr Mandant ebenfalls eine außerordentlich schwere Kindheit erlebt habe – geprägt von Gewalt und einem alkoholkranken Vater. Von diesem Muster habe er sich als Erwachsener nicht lösen können.

Fakt ist: der Angeklagte hat lange Zeit in erheblichem Umfang Drogen und Alkohol konsumiert, er war arbeitslos und ist wegen Betrugs, Nötigung und illegalen Waffenbesitzes vorbestraft. Aber nicht einschlägig, das heißt: er hat offenbar keine weiteren Kinder missbraucht. Er hat auch zwei eigene. „Und die liebt er sehr“, sagt seine Verteidigerin. „So unverständlich das vielleicht auch ist“, fügt sie an.