Die Asylbewerber unterstützen wollen alle Teilnehmer der StZ-Podiumsdiskussion. Nur wie das gelingen kann, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Ludwigsburg - Im Kreis Ludwigsburg leben derzeit mehr als 1700 Asylbewerber. Jeden Monat kommen 250 neue Flüchtlinge, Tendenz steigend. Der Landkreis und die Kommunen versuchen, so schnell wie möglich auf diese Situation zu reagieren. Doch das ist angesichts der rasanten Entwicklung und zahlreicher bürokratischer Hürden nicht so einfach, wie bei der Podiumsdiskussion der Stuttgarter Zeitung am Donnerstag im Ludwigsburger Staatsarchiv deutlich wurde.

 

Die rund 80 Zuschauer im voll besetzten Saal zeigten sich überaus interessiert an der Diskussion – wohl nicht zuletzt, weil sich die meisten von ihnen offenbar selbst in der Flüchtlingsarbeit engagieren. So kamen zahlreiche, durchaus kritische Fragen aus dem Publikum. Doch zunächst stellten sich auf dem Podium der Landrat Rainer Haas, Ludwigsburgs Sozialbürgermeister Konrad Seigfried sowie Lore Bernecker-Boley vom Arbeitskreis Asyl Bietigheim-Bissingen und Ferman Al Kasari, der seit zehn Monaten als Asylbewerber im Kreis Ludwigsburg lebt, den Fragen von Hilke Lorenz, der Leiterin der Ludwigsburger Redaktion der Stuttgarter Zeitung, und denen ihres Stellvertreters Tim Höhn.

Ferman Al Kasari kommt aus Kobane in Syrien

Im Mittelpunkt der Diskussion standen zunächst die Erfahrungen von Ferman Al Kasari. Der 26-jährige Kurde kommt aus dem syrischen Kobane. Er floh vor dem Krieg erst in die Türkei und gelangte dann über Umwege nach Deutschland. Hier gehe es ihm gut, erzählte der junge Mann, der es mit seinem Humor schaffte, das Publikum trotz des ernsten Themas immer wieder zum Lachen zu bringen. Unter anderem damit, dass er ganz freimütig von seinen Problemen mit dem Landratsamt berichtete, während der Landrat als Chef der Behörde direkt neben ihm saß.

Insbesondere seine Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche sorgten für Unverständnis im Saal: Al Kasari war ursprünglich in einer Sammelunterkunft in Kornwestheim untergekommen, hat sich dann aber nach einer Wohnung umgesehen. In Kornwestheim wurde er nicht fündig, wohl aber in Ludwigsburg, wo er zusammen mit einer Frau eine WG gründen konnte. Den Umzug in die Barockstadt habe das Landratsamt jedoch nicht akzeptiert, erzählte Al Kasari. Das führt nun dazu, dass in Zeiten, in denen händeringend nach Plätzen für neue Asylbewerber gesucht wird, ein Bett in einer Unterkunft leer steht – denn er wohne trotzdem in Ludwigsburg, berichtete der junge Kurde augenzwinkernd.

Der Landrat Rainer Haas geriet unter Rechtfertigungsdruck

Es waren Geschichten wie diese, die den Landrat am Donnerstag unter Rechtfertigungsdruck setzten. Er betonte mehrfach, der Kreis tue alles, was in seiner Macht stehe, um die Flüchtlinge gut unterzubringen und zu integrieren. Von Al Kasaris Fall habe er nichts gewusst – eigentlich begrüße man derlei Eigenständigkeit nämlich sehr. Man sei gerade dabei, ein neues Programm zur Vermittlung von Flüchtlingen umzusetzen. Außerdem werde deren Betreuung an freie Träger abgegeben – auch, um auf dieser Basis die Flüchtlingsarbeit zur Sache der Bürger zu machen.

Doch sowohl aus dem Publikum als auch vom Podium kam einige Kritik an der Arbeit der Behörde. So wurde von Mitarbeitern des Landratsamts berichtet, die sich weigerten, Englisch zu sprechen oder die falsche Auskünfte gäben. Und von Unterkünften, in denen wochenlang das Licht in den Sanitäranlagen defekt sei. Lore Bernecker-Boley sprach angesichts solcher Vorkommnisse von einer Überforderung der Mitarbeiter. Unter anderem monierte sie, dass ihre Anfrage, die Vermittlung in Ein-Euro-Jobs zu ermöglichen, schon lange beim Landratsamt liege, während die Asylbewerber zum Nichtstun verdammt seien – das sei eine Katastrophe. Zudem wurden Forderungen nach einer Haftpflichtversicherung und ermäßigten Nahverkehrstickets für Asylbewerber laut.

Haas notierte sich viel und betonte oft, es sei alles nicht so einfach – insbesondere auf die Schnelle. Oft sei nur Nothilfe möglich. Das sah Konrad Seigfried etwas anders: Die Stadt Ludwigsburg habe bereits zig Ein-Euro-Stellen geschaffen, gründe Arbeitskreise rund um Asylbewerberheime und habe feste Strukturen für die Flüchtlingspolitik etabliert. „Wir operieren mit internationalen Unternehmen, rekrutieren Fachkräfte aus dem Ausland und wollen eine internationale Schule – da werden die paar Flüchtlinge doch zu bewältigen sein“, betonte er. Doch es gab auch Konsens: Einig waren sich letztlich alle darin, dass die Arbeit der Ehrenamtlichen unverzichtbar sei – und ein Runder Tisch zur Koordination derselben stattfinden müsse.