Der Hobbybastler und Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist zu Besuch bei dem Tunnelbauer Martin Herrenknecht in Schwanau. Der einstige Grünen-Gegner Herrenknecht gibt sich zahm und professionell.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Schwanau - Vielleicht hatte Hobbybastler Winfried Kretschmann bei der Landtagsdebatte am Donnerstag bereits seinen Besuchstermin am Freitag im Hinterkopf. Er könne doch, schnauzte der grüne Ministerpräsident in Richtung CDU, „schlecht mit der Schlagbohrmaschine hereinkommen“. Am Freitagnachmittag dann besichtigte der Baumarktfan Kretschmann im südbadischen Schwanau (Ortenaukreis) eine ganze Palette von Bohrgeräten. Mitnehmen für die nächste Redeschlacht im Landtag hätte er keine einzige können, denn die Schildvortriebsmaschinen der Herrenknecht AG haben Ausmaße von bis zu 200 Metern Länge und einen Schilddurchmesser bis maximal 15,43 Metern. Mit dieser weltweit größten Tunnelbohrmaschine ist vor vier Jahren ein siebeneinhalb Kilometer langer U-Bahn- und Straßentunnel unter dem Jangtse-Fluss in Schanghai getrieben worden. In 20 Monaten und ein Jahr früher als geplant.

 

Mit und in China arbeitet Martin Herrenknecht gerne – da gehe alles so unbürokratisch und schnell. Aber auch in Russland und der Türkei, in Israel und im Irak, überhaupt überall, wo es Tunnel zu bohren gibt, bestellen Bauherren Maschinen aus Südbaden. Auch die Deutsche Bahn AG hat für den Tunnel von den Fildern ins Tal zum geplanten Tiefbahnhof bereits ein Bohrgerät bestellt. Anschauen konnte Winfried Kretschmann also nicht, was voraussichtlich bald mit einer Energie von 4200 Kilowatt (5712 PS) eine Röhre in die Erde zwischen Stuttgarter Flughafen und Innenstadt treibt. Doch der Weltmarktführer hat auf dem riesigen Werksgelände jede Menge Halbfertigprodukte zum Anschauen. Das st 1977 gegründete Unternehmen macht eine gute Milliarde Euro Umsatz im Jahr. Auch die Kritiker respektieren die Lebensleistung des Ingenieurs, der mit einem 25 000-Euro-Kredit seiner Mutter begonnen hat.

„Sehr herzlich und unkompliziert“

Auch Kretschmann war „am meisten beeindruckt von Herrn Herrenknecht selber“. Von dessen Energie und Tatkraft, wie er mit seinem Unternehmen zum Weltmarktführer geworden sei. „Sehr herzlich und unkompliziert“ sei er bei Herrenknecht empfangen worden, freut sich einsichtlich begeisterter Kretschmann. Was Herrenknecht früher mal über die Grünen von sich gegeben hat, gehört nun wohl der Vergangenheit an. „Wir müssen nach vorne in die Zukunft schauen“, macht der Gastgeber deutlich.

Wer jetzt noch grün wähle, den werfe er aus seinem Betrieb hinaus, hat er vor der letzten Landtagswahl 2011 in einer Betriebsversammlung gesagt. Und gedroht, er werde mit seiner Firma ins Ausland oder wenigstens nach Bayern abwandern, wenn die CDU abgewählt und Stuttgart 21 nicht gebaut werde. Mehrfach hat er das angekündigt, so lange bis ihm ein Unternehmerkollege mehr oder weniger deutlich gesagt hat, dann geh halt. Oder halt den Mund.

Kontakte pflegt Herrenknecht parteiübergreifend

Herrenknecht geht nicht, dazu ist der gebürtige Lahrer viel zu bodenständig, viel zu gewitzt und seine Anpassungsfähigkeit kennt keine Grenzen. CDU hin oder her, wenn es drauf ankommt, pflegt Herrenknecht Freundschaften und Kontakte parteiübergreifend. Gerhard Schröder gehört zum Duz-Kreis, zusammen sind sie vertraut mit Wladimir Putin. Ob auch Kretschmann zu diesem Männerbund gehören wird, bleibt trotz aller Honneurs offen. Und ob sich die gegenseitige Sympathie auch auf die Parteien überträgt, auch. Geld gespendet hat Herrenknecht bisher fast nur für die CDU, zwischen 1998 und 2009 insgesamt 116 000 Euro. Die SPD bekam mal 30 000 Euro, die örtlichen Grünen wurden mit einer Fuhre Humus und einem Metallgestell für ein Biotop bedacht.

Kretschmann ist am Ende der Woche der zweite wichtige Besucher gewesen. Am Dienstag war bereits Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer vorbei gekommen, nach der Aufsichtsratsentscheidung der bundeseigenen Bahn AG, Stuttgart 21 zu bauen, selbst wenn das Geld erst eingeklagt werden muss. Für die Grünen hat Herrenknecht ein Bonbon parat: Geothermie – das sei ein ganz wichtiger Beitrag für die Energiewende. Und Herrenknecht bohrt jetzt auch vertikal. Und zwar richtig, so etwas wie die Risse von Staufen oder das Erdbeben von Basel dürfe nicht mehr passieren.