Sind ältere Menschen heute krimineller als früher? Und was sind typische Straftaten für Ältere? Das erzählt die Freiburger Soziologin Franziska Kunz im StZ-Interview.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)
FreiburgGewaltdelikte gibt es selten. Wenn ältere Menschen kriminell werden, dann schummeln oder betrügen sie – das hat die Freiburger Soziologin Franziska Kunz herausgefunden, die ihre Doktorarbeit zu diesem Thema geschrieben hat. Heinz Siebold sprach mit ihr über typische Straftaten von Älteren, den Zusammenhang mit Armut und den Unterschied von Männern und Frauen.
Frau Kunz, sind Alte krimineller als früher?
Man sollte zwei Trends unterscheiden: Zum einen liefern unsere beiden Studien Hinweise darauf, dass unter den Älteren die jüngeren Generationen – salopp ausgedrückt – tatsächlich etwas krimineller als ihre Vorgänger sind. Zum anderen verzeichnen die Kriminalitätsstatistiken seit einigen Jahren eine bisher undramatische, aber kontinuierliche absolute Zunahme älterer Straftäter. Weil eben der Anteil der Älteren in der Gesellschaft absolut und prozentual zunimmt. Der Anteil älterer Straftäter – ab 60 Jahren – an allen offiziell registrierten Tatverdächtigen ist mit etwa sieben Prozent aber gering und liegt deutlich unter dem Anteil, den ältere Menschen an der Gesamtbevölkerung stellen. Aber das Dunkelfeld von Altersstraftaten ist vergleichsweise hoch.

Wieso, traut die Polizei den Alten mehr?
Die Polizei guckt eher auf jüngere Leute. Und bei bestimmten Delikten ganz besonders, etwa bei Trunkenheit am Steuer. Die Polizei kontrolliert spät nachts, wenn Jugendliche aus der Disco kommen, da sind die Älteren längst zuhause und im Bett.

Es gibt durchaus Banküberfälle von Senioren, das ist aber wohl nicht typisch?
Nein, auf keinen Fall. Das zeigen auch die Kriminalitätsstatistiken. In unseren Untersuchungen ist das Hauptdelikt Trunkenheit am Steuer. Wird oft als Bagatelle gesehen, ist aber strafbar. In der Rangliste folgen Steuerbetrug, Schwarzfahren, Diebstahl am Arbeitsplatz, Schwarzarbeit und Versicherungsbetrug. Bei Alterskriminalität handelt es sich damit im Wesentlichen um Betrugs- und Vermögensdelikte.

Also keine Großdelikte.
Keine Gewalttaten, die gehen gegen Null. Es geht vor allem um Schummeln und Betrügen. Aber was ist groß, was klein? Schaden wird in jedem Fall verursacht, direkt an anderen Personen oder indirekt. Wenn Steuern vorenthalten oder Versicherungen betrogen werden, trifft es die ehrlichen Steuerzahler und Versicherten. Es ist ein materieller, aber auch ein moralischer Schaden, der der Gesellschaft zugefügt wird. Das gegenseitige Vertrauen wird beeinträchtigt.