Zuletzt war es ruhiger geworden um die Jugendbanden im Kreis Ludwigsburg – bis kürzlich zwei rivalisierende Gangs in der Ludwigsburger City aufmarschierten. „Wir schauen sehr genau, was da gerade passiert“, sagt die Polizei.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Großrazzia, Aufmärsche, Prozesse wegen Schutzgelderpressung, Drogenhandels, Körperverletzung – schon einmal hat eine Jugendgang im Kreis Ludwigsburg viele Schlagzeilen produziert. Damals standen vor allem Mitglieder der Black Jackets im Fokus. Die Gruppe hatte 2009 einen Ableger mit einem Clubhaus in Remseck etabliert. Ende 2011 wurden 17 Mitglieder verhaftet, die Anführer zu teils langen Freiheitsstrafen verurteilt – die Ortsgruppe löste sich auf.

 

Danach wurde es ruhiger um die „rockerähnlichen Gruppierungen“ – so nennt die Polizei die Gangs, weil die Mitglieder meist in Kutten auftreten. Und jetzt sind die Rocker offenbar wieder aktiv. Es waren gespenstische Szenen, die sich am Sonntag vor zwei Wochen auf dem Ludwigsburger Arsenalplatz abspielten. Rund 150 Kuttenträger waren aufmarschiert, skandierten Parolen, vereinzelt kam es zu Handgreiflichkeiten. Ein Großaufgebot der Polizei kesselte die Gruppe ein, erteilte Platzverweise und nahm einige Beteiligte fest. Und die Passanten fragten sich: „Was ist denn hier los?“

Die Gruppen wollen mit den Aufmärschen offenbar ihre Macht demonstrieren

Ist der Kreis wieder ins Visier der Jugendbanden geraten? „Derzeit hat keine dieser Gruppierungen hier ein festes Quartier“, sagt Peter Widenhorn, der Sprecher des Polizeipräsidiums. „Aber wir wissen, dass einige Mitglieder im Landkreis wohnen, und natürlich haben sich die Black Jackets nach dem Ende der hiesigen Ortsgruppe nicht in Luft ausgelöst.“ Einige hätten sich anderen Gruppen angeschlossen.

United Tribuns – so heißt die Gang, die vor zwei Wochen zunächst in Stuttgart und später in Ludwigsburg aufmarschiert ist. Zufällig ausgewählt hatten die Mitglieder die Barockstadt wohl nicht. Die Beamten gehen davon aus, dass die United Tribuns damit auf eine Provokation einer rivalisierenden Gang, die sich Stuttgarter Kurden nennt, reagierten. Diese waren Mitte März ebenfalls durch Stuttgart und Ludwigsburg marschiert und hatten zudem im Internet ein Video veröffentlicht, in dem sie eine zuvor erbeutete Kutte verbrennen – die Jacke gehörte offenbar einem United-Tribuns-Mitglied aus dem Kreis Ludwigsburg.

Die Polizei will klare Kante zeigen

Auch der ehemalige Chef der inzwischen verbotenen Gang Red Legion lebt im Kreis Ludwigsburg. Der Mann ist wegen Gewalttaten vorbestraft und sollte abgeschoben werden. Weil er aber nachweislich seine kranke Mutter pflegt, darf er unter strengen Auflagen im Land bleiben.

In einer Facebook-Botschaft hat die Polizei die Gangs unlängst zur Mäßigung aufgerufen und deutlich gemacht, dass man Machtkämpfe in den Straßen nicht tolerieren werde. „Wir haben ein waches Auge darauf, was da gerade passiert“, sagt Widenhorn. Denn die Rocker schrecken nicht vor Gewalt zurück. In der Vergangenheit hat es bei Auseindersetzungen in der Region bereits Tote und Schwerverletzte gegeben.

Das Landeskriminalamt leitet nach eigenen Angaben jährlich rund 80 Ermittlungsverfahren ein, bei denen es um rockerähnliche Gruppierungen geht, der Wert ist seit fünf Jahren recht stabil. Drei Delikte dominieren: Körperverletzungen sowie Verstöße gegen das Waffengesetz und das Betäubungsmittelgesetz.

Gangmitglieder sollen auch Unbeteiligte verprügelt haben

Auch bei dem Aufmarsch in Ludwigsburg kam es zu gewaltsamen Übergriffen, diesmal mit Unbeteiligten. In der McDonald’s-Filiale am Arsenalplatz wurden zwei junge Männer von United-Tribuns-Mitgliedern verprügelt, einer erlitt einen Nasenbeinbruch. Die Polizei hat das Überwachungsvideo ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass die beiden Opfer selbst keiner Gang angehören und die Täter auch nicht provoziert haben.

Nach der Attacke kursierte in der Stadt zeitweilig das Gerücht, einer der Verletzten sei ein Cousin von Tugçe Albayrak. Die 22-jährige Studentin war am 15. November in Offenbach niedergeschlagen worden und erlag später ihren Verletzungen. Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Mittlerweile steht fest, dass es zwischen den Ereignissen in Offenbach und Ludwigsburg keinerlei Zusammenhang gibt. „Bei dem Opfer in Ludwigsburg handelt es sich definitiv um keinen engen Verwandten von Tugçe“, berichtet Macit Karaahmetoglu, der Rechtsanwalt von Tugçes Familie. „Sie kannte diesen Mann nicht.“