DNA-Spuren, Lacksplitter, weiße Pulver: Mehr als 300 Experten untersuchen im Kriminalistischen Institut des Bundeskriminalamts auch die winzigsten Spuren. Ein Experte erzählt, wie solche Puzzelteile dabei helfen, Verbrecher zu überführen.

Wiesbaden - Das weiße Pülverchen landet im transparenten Plastiktütchen auf Bernd Plages Labortisch. „Was ist da drin?“, lautet die Standardfrage an den kriminaltechnischen Mitarbeiter des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden. Nur Mehl, Zucker, Kreide? Oder auch Kokain oder Sprengstoff?

 

In Plages Job ist alles denkbar. Erpresser verschicken Mehl im Beutelchen als Drohung. Schmuggler mischen Rauschgift zur Tarnung in anderes Material hinein. Ein bisschen geht Plage dann vor wie im Haushalt. Auch dort gibt es eine klare, einfache Methodik, um im Zweifelsfall Mehl von Zucker oder Zucker von Salz zu unterscheiden. Etwa durch die Konsistenz, die Granularität oder mit einer Geschmacksprobe. Letzteres ist für Plage allerdings tabu. Er hat seine Maschinen, die für ihn gewissermaßen den Stoff schmecken und prüfen.

Mehr als 300 Experten arbeiten im Kriminaltechnischen Institut

Der Chemiker hat ein klares Ablaufprotokoll der Analyse. Ist die Substanz organisch oder anorganisch? Kristallin? Löslich? Radioaktiv? Für jeden Schritt hat Plage Geräte zur Hand, die ihm weitere Informationen liefern. Neben dem Chemiker arbeiten noch über 300 weitere Experten im Kriminaltechnischen Institut des BKA in Wiesbaden. Sie beschäftigen sich mit biologischen Proben und DNA-Spuren von Tatorten, mit Waffen und – wie im Fall von Bernd Plage – mit der chemischen Untersuchung von Substanzen.

„Einmalig ist die wissenschaftliche Vielfalt des Instituts. Etwa 325 Experten mit mehr als 60 verschiedenen Berufsbildern arbeiten interdisziplinär unter einem Dach zusammen: vom Büchsenmacher bis zur Linguistin, vom Chemotechniker und Biologen bis zur Mathematikerin”, erklärt das BKA auf seiner Internetseite.

Chemiker spürt kleinste Verunreinigungen auf

Wie bei vielen Kolleginnen und Kollegen war der Berufsweg von Plage zum BKA nicht vorgezeichnet. Plage studierte Chemie an der Universität Frankfurt. Er hätte sich auch für die Analyse von Kunstwerken in Museen interessiert. Doch dann hat er beim BKA angefangen.

Das Prinzip der Spurenanalytik ist einfach: „Wenn Objekte sich berühren, kontaminieren sie sich mit kleinsten Substanzmengen“, sagt der promovierte Chemiker. Hinter diesen Verunreinigungen ist Plage her. Dabei geht er ähnlich vor wie Chemiker in der Industrie und an Universitäten. Die müssen nach einer Synthese auch prüfen, ob in der Lösung oder im Granulat die richtige Zielsubstanz steckt – die Synthese also erfolgreich war. Ferner ist auch wichtig, wie rein die Substanz ist.

Der Kriminaltechniker Plage nutzt im Prinzip die gleichen Verfahren, um Proben aufzubereiten und zu analysieren. Wird ein illegales Labor für Designerdrogen ausgehoben, prüft Plage beispielsweise massenweise Ecstasy-Tabletten. Mit der sogenannten Kernresonanzspektroskopie (NMR) kann der Chemiker die Struktur der Substanzen analysieren und mit Datenbankeinträgen vergleichen. Entspricht die Substanz einer neuen Variante der Partydroge, kommt der „Designer“ unter Umständen billig weg. Die Substanz fällt dann nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, ihre Herstellung kann nicht belangt werden. Plage spricht sich daher dafür aus, ganze Substanzklassen zu verbieten.

Datenbank mit 2500 Proben von Autolacken helfen, Verdächtige aufzuspüren

In einem Fall behauptete ein Verdächtiger, er sei lediglich Sammler von Ecstasy-Tabletten. Und tatsächlich, alle sichergestellten Tabletten waren verschieden – in der äußeren Form, dem Design und den Herstellungsparametern.

In einer weiteren Datenbank befinden sich über 2500 Proben von Autolacken. Da reichen schon Lacksplitter am Tatort, um auf die richtige Spur zu kommen, erklärt Plage. Der Chemiker bugsiert dann so einen Lackbrösel mit der Nadel auf einen Probenhalter aus Diamant, wo der Brösel gegen einen weiteren Diamanten zu einem hauchdünnen Lackfilm verpresst wird. Infrarotes Licht regt dann ganz charakteristische Molekülschwingungen in den organischen Lackbestandteilen an. Diese lassen sich detektieren und ebenfalls mit einer Datenbank abgleichen. Dadurch erhalten die Beamten beispielsweise Informationen zur Automarke, zum Modell und zum Baujahr.

Reste von Benzin bleiben bei Brandstiftung immer zurück

Kriminalistisch spannend ist immer die Frage: Brandstiftung oder nicht? Ein Hausbrand müsste ja alle Spuren getilgt haben. Außerdem hat die Feuerwehr sich schon ausgetobt. „Wo ist der Brand ausgebrochen? Und wurde nachgeholfen?“, benennt Plage die klassischen Fragen.

Im ersten Schritt schnüffeln speziell trainierte Hunde nach Brandlegemitteln. Dann nimmt Plage dort eine Brandschuttprobe, wo der Hund anschlägt. Der Chemiker weiß, von Benzin oder Dieselkraftstoff verbrennt oder verdampft der leicht flüchtige Teil komplett. Es bleiben aber trotzdem Reste übrig. „Über die schwer flüchtigen Anteile kann man noch in der Brandprobe Kraftstoffkomponenten finden“, sagt der Chemiker. Spüren die Kriminalbeamten dann Benzin- oder Dieselspuren an ungewöhnlichen Stellen auf, etwa in Wohnräumen, liegt Brandstiftung nahe – und die Analytik hat mal wieder ein wichtiges Teil zum kriminalistischen Puzzlespiel beigetragen.