Cornelius Wandersleb hat das Kulturhaus Schwanen in Waiblingen von Beginn an aufgebaut. Im Herbst erscheint das erste Buch des 57-jährigen Programmmachers. „Alter Schnee“ ist zugleich ein Krimi und eine Art Heimatroman.

Waiblingen – - Cornelius Wandersleb ist sozusagen das Trüffelschwein der Waiblinger Kulturszene. Seit 14 Jahren sucht er als Leiter und Programmmacher des Kulturhauses Schwanen nach wahrhaftigen kulturellen Höhepunkten. Bereits vor Jahren hat der 57-Jährige angefangen, ein Buch zu schreiben. Im Oktober erscheint es im Iris-Förster-Verlag. Der Kriminalroman „Alter Schnee“ spielt in den 1990er-Jahren in der fiktiven württembergischen Stadt Walchgoldingen und erzählt von einem Mord an einer Künstlerin, die sich in einer Bürgerinitiative gegen den Bau einer neuen, umstrittenen Stadthalle engagiert hat. Doch das 320 Seiten dicke Buch hat noch einiges mehr zu bieten als diese eine Tote: Der ermittelnde Polizist Jakob Eschenbach stößt bei den Recherchen in seiner alten Heimat im übertragenen Sinne auf so manch andere Leiche im Keller.
Herr Wandersleb, wieso haben Sie ausgerechnet einen Krimi geschrieben?
Ich habe eigentlich die Theorie vom Schreiben studiert: Literaturwissenschaft und so. Aber wenn man berufstätig ist, Familie hat und schreiben will, kann man nicht wissenschaftlich arbeiten. Zumindest ich nicht. Ich habe mir deshalb überlegt: Was ist für mich zu schaffen? Das Ergebnis war, dass ich beschlossen habe, einen Krimi zu schreiben. Es ist ein langer Weg vom Drüber-Reden zum Selber-Schreiben. Und ich zwinge mich, verständlich zu schreiben.
Wobei der Begriff Krimi die Sache nicht ganz trifft. . .
Ich empfinde mein Buch eher als Kriminalroman. Es ist gewissermaßen ein Roman auf der Matrix eines Krimis. Wenn man will, sogar ein Heimatroman. Vielleicht, weil ich mit „Heimat“ große Probleme habe. Was, wenn auch nicht nur, schon familiär bedingt ist.
Wie finden Sie Ihre Themen?
Die suche ich mir nicht aus, die kommen zu mir. Ich verarbeite Erfahrungen, ob privater oder politischer Natur. Allerdings gibt es da natürlich einen Verdichtungsprozess – ich bringe mehrere Erfahrungen in eine Handlung, packe mehrere Personen in eine Person und verändere vieles – so, dass eine für die Verhältnisse signifikante Handlung entsteht.
Was reizt Sie an der Schriftstellerei?
Ich finde, Schreiben ist auch ein Weg, sich selbst auf die Spur zu kommen und herauszufinden, wo die Brüche sind. Es macht mir tierischen Spaß, aber nur, wenn ich fühle, ich habe etwas gut getroffen.
Das Setting, das Sie in „Alter Schnee“ beschreiben, der Ort Walchgoldingen, wirkt für Remstalbewohner oder -kenner vertraut.
Es ist schon so, dass Walchgoldingen in Württemberg liegt, irgendwo auf der Ostalb. Da ich aber im Remstal lebe, kann es durchaus vorkommen, dass mein Kommissar Eschenbach die ein oder andere kommunalpolitische Erfahrung aus dem Remstal in die Wiege gelegt bekommt.
Tauchen Sie selbst auch im Buch auf?
Das ist ja das Schöne am Schreiben – man kann Teilelemente von sich selbst aufdröseln. In Eschenbach steckt viel von so was wie meiner Lebenserfahrung drin, aber auch im Journalisten Luithardt und eigentlich in allen Figuren, auch den Frauen. Eschenbach ist der Typ, der sucht, der drauf zu geht. Luithardt macht nichts. Ich bin unter anderem auch einer, der gerne aussitzt und bequem ist.
Wie ist „Alter Schnee“ entstanden?
Ich habe vor neun Jahren angefangen, an dem Buch zu schreiben. Ich habe es im Lauf der Jahre immer wieder überarbeitet, danach ist es jeweils für einige Zeit liegen geblieben.
Hat sich durch die mehrfache Überarbeitung viel verändert?
Die erste Fassung war etwa im Jahr 2008 fertig. In der Version waren viel weniger Personen drin als heute und viel mehr Eschenbach. Da kam aus meinem Freundeskreis die Kritik, das sei zu langweilig und Eschenbach sei zu politisch korrekt, ein Übermensch. Ich hoffe, Eschenbach ist das Gegenteil eines Helden. Er schummelt sich über Dinge hinweg, geht fremd und ist alles andere als souverän.
Schreiben Sie spontan oder haben Sie ein Gerüst, an dem Sie sich entlang hangeln?
Der Plot an sich und auch die spezifisch „Eschenbach’sche“ Wendung waren früh klar. Aber wenn ich schreibe, muss immer alles möglich sein. Ich klammere mich nicht zu sehr an den Plot. Oft werden Szenen vollkommen anders, als ursprünglich geplant, und ich brauche ewig, bis ich wieder die Kurve kriege.
Wann schreiben Sie?
Die ersten paar Jahre habe ich vor allem zwischen 5 und 6.30 Uhr morgens geschrieben, in den letzten Jahren war es meistens abends oder nachts. Aber das Schreiben klappt nicht jeden Tag. Manchmal saß ich da und bis der erste Satz kam, war es schon wieder Zeit, für die Kinder Vesperbrote zu machen.
Sind Sie selbst ein Krimileser?
Ich war lange Zeit kein Krimifan, mit Krimis konnte man mich sogar jagen. Aber inzwischen ist das anders. Ich bewundere Wolfgang Schorlau, ich mag Ulrich Ritzel oder auch Andrea Camilleri. Und israelische Krimis: Batja Gur, Shulamit Lapid. Und den Krimischreiber aus Gaza, Matt Beynon Rees.
Was macht einen guten Krimi aus?
Dass er die Gesellschaft abbildet.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Iris-Förster-Verlag?
Iris und ich haben uns im vergangenen Jahr im Zuge der Vorbereitungen für die Baden-Württembergischen Literaturtage in Waiblingen kennen gelernt. Da haben wir gemerkt, dass wir ähnlich denken.
Sie haben viele Jahre an „Alter Schnee“ gearbeitet und das Manuskript mehrmals gründlich überarbeitet. Fürchten Sie sich jetzt, wo es aus der Schublade ans Tageslicht kommt, ein wenig vor der Kritik?
Es ist ja nicht so, dass noch niemand das Manuskript gelesen hat. Leute aus meinem Freundeskreis haben die Entstehung begleitet und auch Dinge kritisiert. Und Iris Förster hat es gelesen und fand es gut. Wenn es nur einer wirklich gut findet, kannst du alles ertragen.
Über die Geschichte selbst wollen Sie nicht viel verraten. Geben Sie zumindest einen kleinen Hinweis, wohin es geht?
Im Buch wird es eine überraschende Wendung geben. Und der Mordfall wird zwar aufgeklärt, aber mit Konsequenzen, die einen eigenartig schalen Geschmack hinterlassen.