Als Orthopäde kümmert sich Marc Schlecht um seine Patienten, als Krimiautor kennt der Mann kein Erbarmen. Er erweckt Serienmörder und andere gebrochene Charaktere zum Leben. Demnächst erscheint sein drittes Buch.

Stuttgart - Eigentlich wäre Marc Schlecht gerne Rechtsmediziner geworden, doch alles kam anders an jenem Tag, an dem er während seines Medizinstudiums in Tübingen vor einer fünf Tage alten Wasserleiche aus dem Neckar stand. Als die Leiche seziert wurde, drang aus dem Bauchraum ein derart atemberaubender Gestank, dass der junge Medizinstudent nur mit Mühe die Fassung bewahren konnte. „Mir wurde speiübel“, erinnert sich Marc Schlecht, „von dem Moment an war mir klar, dass ich diesen Beruf nicht täglich ausüben kann.“ Mehr als zehn Jahre später sitzt Marc Schlecht, 40, in den Räumen seiner orthopädischen Praxis mit Blick auf die Neubauten im Höhenpark Killesberg.

 

Heute kümmert er sich um Wirbelsäulen und Kniegelenke, aber Schlechts Faszination für die Rechtsmedizin hat nie nachgelassen. „Die Toten können einem viel erzählen“, sagt er. „Vor allem bei nicht natürlichen Todesfällen braucht man bei den Sektionen eine kriminalistische Ader.“ Dass Marc Schlecht diese Eigenschaft besitzt, steht außer Frage – nicht nur viele seiner Patienten wissen das, auch tausende von Menschen, die mit dem Namen Marc Schlecht nichts anzufangen wissen, die aber die abgründigen Fantasien des Mannes kennen – unter dem Namen Jeremias Trumpf.

Seine Krimis sind nichts für schwache Nerven

Jeremias Trumpf ist der Künstlername von Marc Schlecht, unter dem dieser Krimis schreibt, die in Stuttgart immer mehr Leser finden: Sein Debütroman „I“ und dessen Nachfolger „II – Die Galerie der Totenbilder“ haben sich zusammen zehntausend Mal verkauft. Dabei führen die Krimis quer durch Stuttgart, vor allem aber tief hinab in die Abgründe der menschlichen Seele. Marc Schlecht lässt Serienkiller in der Stadt Angst und Schrecken verbreiten, gebrochene Charaktere verwandeln sich in Kindsmörder – in seinem neuen Roman „III“, den er auf den Stuttgarter Kriminächten vorstellen wird, ermitteln die Polizisten im Fall mehrerer Leichen, bei denen die Köpfe fehlen.

Schlecht ist nichts für schwache Nerven. „In meinen Büchern geht es ganz schön zur Sache“, erzählt der Orthopäde, der Wert darauf legt, dass er weiß, wovon er schreibt, wenn er seine fiktiven Ermittler angesichts des Zersetzungsgrads eines Leichnams Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt ziehen lässt. Detailverliebt bewegt sich der Arzt in seinen Krimis durch die Stadt, er geht noch einmal die Straßen von Rohr ab, die er aus seiner Kindheit kennt, wenn dies für die Handlung des Buchs wichtig ist.

Stuttgart spielt nie nur eine Nebenrolle

Demnächst hat Marc Schlecht einen Termin im Gefängnis von Stammheim vereinbart. Stuttgart spielt nie eine Nebenrolle in Schlechts Romanen. „Ich liebe diese Stadt, mir kommt sie in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch zu bieder weg“, sagt Schlecht.

Wie aber tickt ein Mann, der nachmittags als Doktor Schlecht Diagnosen stellt und abends als „Mr. Hyde“ vor dem Laptop sitzt, um Psychopathen durch die Stadt zu schicken? Manchmal spürt Marc Schlecht Vorbehalte bei Menschen, denen er aufgrund seiner literarischen Fantasien suspekt ist. „Dabei bin ich überzeugt, dass jeder solche Fantasien hat.“ Doch inzwischen profitiert der Arzt von der wachsenden Popularität des Autors. „Einige Patienten kommen nicht deshalb zu mir, weil sie orthopädische Probleme haben, sondern weil sie den Typ kennen lernen wollen, der diese Bücher schreibt.“

Im Olgäle hat er viel fürs Leben gelernt

Dieser Typ könnte mit Anfang 40 schon eine abwechslungsreiche Autobiografie schreiben. Marc Schlecht ist ein Name, der einigen Fußballfans in der Stadt bekannt vorkommen dürfte: Mitte der 1990er Jahre stand der knapp zwei Meter große Mann im Tor der Stuttgarter Kickers. Schlecht hatte ein Angebot aus der ersten Liga, noch heute bereut er, dass er es nicht angenommen hat. Es kamen Verletzungen, und seine Karriere endete, bevor sie richtig begonnen hatte. Nach seinem Medizinstudium in Tübingen arbeitete Marc Schlecht unter anderem in der Kinderorthopädie und Traumatologie im Stuttgarter Olgäle, wo er auch zahlreiche schwerstkranke Kinder behandelte. „Damals habe ich nicht nur medizinisch, sondern fürs Leben gelernt.“

Dass der frühere Profifußballer und Orthopäde seinen Namen eines Tages auf einem Buchcover sehen würde, hat er selbst dann noch nicht für möglich gehalten, als seine Krimi-Charaktere längst in einem Schulheft Gestalt angenommen hatten. Schlechts erstes Buch landete zunächst für Monate in der Schublade, doch dann packte ihn der Ehrgeiz – er schrieb zahllose Verlage an und erlebte das, was fast alle unbekannten Autoren erleben: Man antwortete ihm gar nicht oder dankte freundlich, es kam zu einigen Gesprächen, aber die Bedingungen, die ihm dabei genannt wurden, kamen für Marc Schlecht „nicht in die Tüte“.

Als eigener PR-Mann aufgetreten

So gründete er mit einem Freund den Neckarufer-Verlag. Der Autor mit dem Faible für die Rechtsmedizin wurde so zum Selfmade-Verleger. „Ich stand anfangs da, wie der Ochs‘ vorm Berg“, bekennt Marc Schlecht, der sich als Verleger in ein weiteres Abenteuer stürzte: Wie funktioniert das eigentlich mit einer ISBN-Nummer? Wie gestaltet man ein Buchcover? Der schreibende Arzt verhandelte mit Druckereien und trat am Ende auch noch als sein eigener PR-Mann auf: „Es gibt wohl keine Buchhandlung in Stuttgart, bei der ich mich nicht persönlich vorgestellt habe.“ Der Aufwand hat sich für den vierfachen Vater ausgezahlt. Inzwischen liegen seine Bücher oft unmittelbar neben jenen des Stuttgarter Krimi-Platzhirschs Wolfgang Schorlau. „Dass es so kommen würde, hätte ich nie zu träumen gewagt“, sagt Marc Schlecht und schweift gleich danach ab, um von der Handlung seines neuen Buchs zu erzählen, in dem ein keltischer Rachegott eine wichtige Rolle spielt. In dem Moment ist Marc Schlecht schon fast verschwunden, in der Praxis auf dem Killesberg sitzt der Autor Jeremias Trumpf. Der Mann hat Blut geleckt.

Kriminächte

Kriminächte
Die Stuttgarter Kriminächte halten die Leser vom 10. bis 23. März in Atem. Dabei lesen auch überregional bekannte Autoren wie Jan Seghers aus ihren Büchern. Museen, Stadtteilbibliotheken und Theater nehmen teil. Mehr Auskünfte unter www.stuttgarter-kriminaechte.de

Jeremias Trumpf
Der Stuttgarter Autor Jeremias Trumpf liest aus seinem Buch „III - Cernunnos“ bei der Nacht der Langen Messer am 14. März (ausverkauft). Eine weitere Lesung findet am 26. März um 20 Uhr in der Uhu-Bar im Leonhardsviertel statt.