Sowohl im Gerlinger Stadtmuseum als auch im Muse-O in Stuttgart-Ost werden zurzeit Krippenausstellungen gezeigt. Jetzt haben sich die beiden Kuratoren zusammengetan, und eine gemeinsame Führung organisiert.

S-Ost - Das wächserne Jesuskindlein, das da in Leinenwindel in einer strohgefüllten Holzkrippe liegt, hat blonde Engelslocken. „Traditionen und Ideen vor Ort flossen ein, Darstellung und Materialien spiegeln das. Da gibt es Figuren aus Holz, Ton, Porzellan, Papier oder Tragant, ein Pflanzenharz, den Konditoren früher häufig zum Dekorieren nutzten“, erklärt Catharina Raible. Die Leiterin des Stadtmuseums Gerlingen führt durch die Ausstellung „Auf Stroh gebettet ... Weihnachtskrippen aus aller Welt“.

 

Viele Leihgaben von Gerhard Raff

Mehr als 100 Exponate sind zu sehen, auch Designerstücke wie die Keramikkrippe von Alessi, Plastikvarianten aus Überraschungseiern oder Selbstgemachtes. Raible zeig auf eine Vitrine: Den Holzstall habe der Hausmeister im Diakonissenkrankenhaus während der Luftangriffe geschnitzt. Die acht größeren Hirtenfiguren darunter, wohl um 1850 entstanden, stammen aus Böhmen. „Eine Leihgabe von Gerhard Raff. Den größten Teil davon sehen sie nachher im Stuttgarter Osten, bei Ulrich Gohl.“ Der Ausstellungsmacher des Stadtteilmuseums in Stuttgart-Gablenberg nickt. Wenn Raible ihre Führung beendet hat, geht es gemeinsam per Straßenbahn zum Muse-O, wo er durch seine Schau „Zur Krippe her kommet ...“ führen wird, bevor der Nachmittag mit Kuchen und Kaffee im Museumscafé ausklingt.

Die gemeinsame Kuratorenführung war eine Idee Gohls. „Das bot sich vom Thema her an. Die beiden Häuser sind mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln gut verbunden. Es ist ein Experiment.“ Immerhin sechs Besucher sind zur Führung gekommen – und sie sind ganz Ohr. Eine Dame hat bereits Gohls Ausstellung gesehen. „Jetzt wollte ich das Gegenstück in Gerlingen anschauen“, sagt sie und lobt die böhmischen Figuren aus dem Konvolut Gerhard Raffs.

Der Historiker als Vermittler

Der Historiker und Autor hat denn auch seinen Teil dazu beigetragen, dass Gohl und Raible eine Kuratorenführung im Doppel planen konnten. Als die Ausstellungsmacher den Krippensammler um Exponate ersuchten, lud er beide gemeinsam dorthin ein, wo seine Preziosen zu besichtigen sind, nach Degerloch. „Wir kannten uns davor nicht persönlich, aber natürlich unsere Häuser“, so Catharina Raible. „Es war sehr lustig.“ Und Gohl fügt hinzu: „Wir sind keine Konkurrenten!“ Das Treffen sei eine gute Möglichkeit gewesen, zu schauen, was in welche Konzeption passe. So kam auch die Idee der Kooperation.

Sie sei zunächst vor allem an provenzalischen Krippen interessiert gewesen, sagt Raible. „Sie bestehen aus vielen liebevoll gearbeiteten Einzelteilchen!“ Wie jene prachtvolle provenzalische Krippe mit mehr als 500 Einzelteilen, die nun in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall gezeigt wird – auch sie ist aus der Raff’schen Sammlung.

Überraschende Krippen-Vielfalt

„Dort habe ich dann auch die böhmischen Hirten und mehr entdeckt!“, schmunzelt Raible. Einige Krippen bekam sie nach Aufrufen auch von Gerlinger und Stuttgarter Sammlern und Privatleuten, die Weihnachten im Urlaub sind. Ihr ging es bei der Ausstellungskonzeption vor allem um die Vielfalt der Krippen, in Form, Material und Nationalität.

So sind in Gerlingen neben einer provenzalischen Krippe auch peruanische, brasilianische, alpenländische, städtische, ländliche und andere Krippen zu entdecken. Eine Besonderheit ist die neapolitanische Krippe, die sich ebenfalls durch ihre vielen kleinen Details auszeichnet. Bei ihr wird das Hauptgeschehen, das auf Stroh gebettete Kind, beinahe in den Hintergrund gedrängt.

Auch Gohl hatte einen Krippenaufruf im Stuttgarter Osten gestartet und wurde fündig. Rund 80 Exponate zeigt er nun. „Es ist unglaublich, was es alles gibt. Neben den klassischen Krippen haben wir auch allerlei aus Plastik, etwa eine Bärenkrippe“, schmunzelt er und betont: „Bei uns steht mehr die Geschichte der Leihgeber im Vordergrund.“ An 15 Krippen seien persönliche Erlebnisse nachzulesen, etwa die eines in Deutschland geborenen Italieners, dessen Oma jedes Jahr kam, um die Krippe aufzubauen. Gohl sagt: „Und so, wie seine Großmutter es immer wollte, mussten auch wir die Figuren stellen.“