Werner Wiese aus Rohr baut Weihnachtskrippen und steckt viele hundert Stunden Arbeit in sein filigranes Hobby. Das Material findet er zum Teil in der Natur, er zupft aber auch schon mal künstliche Zimmerpflanzen auseinander.

Rohr - Je länger man drauf schaut, desto mehr Details entdeckt man. Da eine Axt auf einem Klotz, hineingehauen, als ob der Holzhacker gleich wiederkäme, um weiter Holz für den Winter zu spalten. Dort eine Milchkanne neben der Tür, daneben ein Besen an die Hauswand gelehnt, als ob gleich die Bäuerin käme, um den Hof zu fegen. Die Gegenstände gehören jedoch nicht zu einem echten Bauernhof. Sie sind von geschickten Händen in stundenlanger Arbeit im Miniaturformat gefertigt worden und gehören zu einer Weihnachtskrippe. Im Stall des Hauses befinden sich Maria, Josef und das Christuskind.

 

Die geschickten Hände gehören Werner Wiese. Der 70-Jährige kommt eigentlich aus München. Doch seit gut acht Jahren fühlt er sich auch in Rohr daheim; er hat dort seinen Zweitwohnsitz bei seiner Lebensgefährtin. Die beiden pendeln zwischen der bayerischen und der baden-württembergischen Landeshauptstadt hin und her. „Mein Großvater war Tierbildhauer, und auch meine Mutter war Bildhauerin“, erzählt Wiese. Von seinem Opa hat er noch historische Krippen aus den 20er-Jahren, die einzelnen Teile hat er behutsam in weiches Papier eingepackt. Tatsächlich kam Wiese aber auf anderen Wegen dazu, selbst Krippen zu bauen.

Vorsitzender des Vereins Münchner Krippenfreunde

Fasziniert habe ihn die Sache schon lange, deswegen besuchte er in München stets die Ausstellungen der Münchner Krippenfreunde, erzählt Wiese. „Man unterhielt sich – auch über die Krippen meines Großvaters. So kam eines zum anderen, ich trat dem Verein bei und war schließlich sechs Jahre lang der Vorsitzende.“ Der Verein hat eine Werkstatt im Keller des Karmelitenklosters Sankt Theresia. Dort hat Wiese angefangen, Krippen zu bauen, angeleitet von seinen Vereinskollegen. Das war vor rund 15 Jahren. „Mit der Zeit wurde ich gut und habe auch selbst Kurse gegeben“, erzählt er.

Selbst gebaut hat der frühere Betriebswirt inzwischen vier große und noch einige kleine Krippen. Eine ist aus einer Wurzel entstanden, eine andere in einer kleinen Schachtel. Zwei der großen Krippen sind im bäuerlich-bayerischen Stil gehalten, die zwei anderen im orientalischen Stil. Eine der Orientkrippen ist derzeit im Rahmen der Krippenausstellung in der evangelischen Dreieinigkeitskirche an der Ackermannstraße zu sehen.

Wie viele Stunden? „Do zähl’ mr gor net.“

Die Materialien, die Wiese benutzt, sind hauptsächlich Holz, Hartfaserplatten und Kunststoffe. Bevor er loslegt, hat er eine genaue Vorstellung im Kopf, wie die Krippe aussehen soll. Der Beginn ist immer eine Grundplatte. „Dann geht es los mit der Materialsuche.“ Da ein Holzbrettchen, dort eine Wurzel, die er aufsammelt. Oft wird er draußen in der Natur fündig, erzählt der 70-Jährige. „Ein getrocknetes Stück von einer Hecke eignet sich zum Beispiel wunderbar als Baumkrone, der Stamm kommt von einem Weinstock.“ Die Palmwedel der orientalischen Krippe, wie er verrät, bestehen tatsächlich aus abgezupften Blättern von künstlichen Zimmerpflanzen. Ein wenig Farbe drauf – fertig.

Unzählige Stunden hat er im Laufe der Jahre mit der Arbeit an seinen Krippen verbracht. Wie viele? „Do zähl’ mr gor net“, sagt er mit bayerischem Zungenschlag. Zwei der Krippen hat er an seine Töchter vermacht, die anderen zwei großen hat er behalten. Jedes Jahr holt er sie an Weihnachten hervor, um sie zu Hause aufzustellen oder, wie in diesem Jahr, für die Ausstellung in der Dreieinigkeitskirche auszuleihen.

Maria im Dirndl und Josef im Schaber

Die Figuren von Maria und Josef, den Hirten, den Schafen und dem Christuskind kauft der Bastler. Könnte er die auch selbst herstellen? „Mit dem Schnitzen von Figuren fang ich jetzt nicht mehr an“, sagt er. Lieber sucht er auf Weihnachtsmärkten nach geeigneten Figürchen. „Ich habe zum Beispiel Maria im Dirndl und Josef im Schaber, so heißt in Bayern eine Schürze“, erzählt Wiese. Die passen freilich perfekt in seine Bauernhof-Krippe.

Welche Art Weihnachtskrippe würde er gerne noch bauen? „Eine in einer Winterlandschaft“, sagt Wiese und gerät ins Schwärmen: „Da könnte man kleine Eiszapfen basteln, Sprühschnee benutzen und mit Glitzer verfeinern. Man braucht nur Fantasie, dann kann man sehr viel machen.“ Davon ist er überzeugt. Man könne ihn durchaus detailbesessen nennen, sagt er. „Die Details, die sind es doch schließlich, die erst das Leben in eine Krippe bringen.“