Die Hochschule Ludwigsburg komm nicht aus der Krise: Nach der Beinahe-Abwahl der Rektorin wird weiter um eine Lösung gerungen. Geht Claudia Stöckle nicht freiwillig, könnte das Land eine Art Zwangsverwalter schicken.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Ludwigsburg - Nach außen demonstriert die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg Normalität. Auf ihrer Homepage wird über das diesjährige Sommerfest berichtet, als wäre alles in bester Ordnung. Gemeinsam hätten Lehrende und Lernende einen „entspannten Abend“ verbracht. „Rektorin Stöckle ließ es sich nicht nehmen, persönlich das Fass Freibier für die Besucher bis auf den letzten Tropfen leer zu zapfen.“

 

Tatsächlich steckt die von schweren Führungsquerelen gebeutelte Hochschule nach wie vor tief in der Krise, wahrscheinlich so tief wie nie. Die Abwahl der umstrittenen Rektorin Claudia Stöckle ist Ende Juni zwar knapp gescheitert, aber ein Neubeginn mit ihr gilt maßgeblichen Akteuren als ausgeschlossen, nach wie vor wird hinter den Kulissen an einer Lösung ohne die 55-jährige Juristin gearbeitet. Sie soll möglichst freiwillig auf einen anderen Posten in der Verwaltung wechseln. Inzwischen wird sogar erwogen, die Hochschule unter eine Art Zwangsverwaltung zu stellen – das wäre ein Novum in Baden-Württemberg.

Nur eine Stimme fehlte zur Abwahl

Als die damalige Erste Landesbeamtin im Kreis Calw vor zwei Jahren zur Rektorin gewählt wurde, setzte man einige Hoffnungen in sie: Einer Frau „von außen“ falle es leichter als internen Kandidaten, in Ludwigsburg „aufzuräumen“ und eingeschliffene, aber fragwürdige Praktiken zu beenden. Doch mit ihrem Führungsstil verprellte Stöckle bald zahlreiche Professoren, in der Hochschule isolierte sie sich immer mehr. Bereits vor Monaten wandten sie sich Dekane daher mit einer Resolution an das Wissenschaftsministerium und baten um dessen Eingreifen.

Nachdem der Konflikt einvernehmlich nicht zu lösen war, galt die Abwahl der Rektorin als sicher. Fünf Mitglieder des Senats beantragten gemäß dem neuen Hochschulgesetz, ihre Amtszeit vorzeitig zu beenden. Doch die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde zur Überraschung der Kritiker haarscharf verfehlt: Zwölf der 19 Senatsmitglieder votierten für die Abwahl, drei dagegen, drei enthielten sich; eine Stimme war ungültig. Eigentlich war das ein klares Misstrauensvotum, doch die entscheidende Stimme fehlte.

Rückkehr in die Innenverwaltung?

„Damit ist die Rektorin in ihrem Amt bestätigt“, meldete die Hochschule; gewählt sei sie bis März 2018. Anfängliche Überlegungen, im Hochschulrat einen weiteren Abwahlversuch zu starten, wurden bald aufgegeben: die beiden Gremien müssen einvernehmlich entscheiden. Stöckle zeigte sich über das Wahlergebnis erfreut und kündigte an, den Blick „nach vorne“ zu richten. Das oberstes Ziel sei, die Hochschule aus den Negativschlagzeilen zu bringen und „in eine positive Zukunft zu führen“. Die Führungsquerelen sollten bald abgehakt werden: Gemeinsam mit den Gremien und dem Ministerium wolle man Vorschläge entwickeln, um den Konflikt zu bereinigen. Gegenüber der Lokalpresse zeigte sich die Rektorin selbstkritisch: „Ich habe zu wenig kommuniziert. Damit werde ich jetzt beginnen und auf jeden Einzelnen zugehen“, ließ sie sich zitieren.

Kaum jemand glaubt freilich, dass die Hochschule mit Stöckle an der Spitze wieder zur Ruhe kommt. „Zu retten gibt es nichts mehr, die Rektorin muss weg“, hatte der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas gesagt. Wie er denkt offenbar der Großteil der Verantwortlichen. Hinter den Kulissen geht das Krisenmanagement denn auch unverändert weiter. Oberste Priorität habe die Funktionsfähigkeit der Hochschule, sagte der Hochschulratsvorsitzende Jochen Kübler (CDU); bis Ende Juli wolle man eine einvernehmliche Lösung finden.

Die könnte offenbar so aussehen, dass Stöckle freiwillig abtritt und in die Innenverwaltung zurückkehrt; ein entsprechender Posten ist offenbar schon gefunden. Die Rektorin selbst zeigt sich nicht gänzlich abgeneigt, pocht aber auf eine Verwendung, die für sie keinen Rückschritt bedeuten würde. Wichtig scheint ihr eine gesichtswahrende Lösung zu sein.

Externer Beauftragter als „ultima ratio“

Kommt es zu keiner Einigung, könnte das Wissenschaftsministerium zur Ultima Ratio (ein Sprecher) greifen: Nach dem Hochschulgesetz kann es, wenn die Funktionsfähigkeit einer Hochschule auf dem Spiel steht, einen externen Beauftragten bestellen oder bestellen lassen; dieser würde dann die Leitung übernehmen. Für die gerade erst gestärkte Autonomie der Hochschulen wäre das freilich ein fatales Signal.

Neben Stöckle gerät intern auch der Chefaufseher und Ex-CDU-Landtagsabgeordnete Kübler zunehmend in die Kritik. Er hatte sich einst vehement für die Wahl der Rektorin eingesetzt und Vorwürfe zum Besetzungsverfahren auf rüde Weise abgebügelt. Offenbar auf Initiative von Stöckle war er 2013 anlässlich seines 60. Geburtstages zum Ehrensenator der Hochschule ernannt worden. Irritationen gab es auch wegen eines Geburtstagsgeschenks für Kübler und einer Funktionszulage für die Rektorin. Man habe die Sachverhalte geprüft und kein Fehlverhalten feststellen können, heißt es dazu im Ministerium. Begründung: entschieden hätten jeweils das Rektorat oder die zuständigen Gremien.