Die angeschlagene Warenhauskette Karstadt will im kommenden Jahr sechs Häuser schließen – darunter die Filiale in Stuttgart. Das teilte das Unternehmen am späten Donnerstagabend mit. Nach Angaben von Arbeitnehmervertretern sollen zusätzlich rund 2000 Stellen gestrichen werden.

Essen/Stuttgart - Aufräumen bei Karstadt: sechs Häuser des Krisenkonzerns sollen noch 2015 geschlossen werden – darunter die Filiale in Stuttgart. Das teilte der neue Karstadt-Chef Stephan Fanderl unmittelbar nach seinem Amtsantritt am Donnerstagabend in Essen mit. Betroffen ist neben Stuttgart noch ein weiteres klassisches Kaufhaus, die Filiale in Hamburg-Billstedt. Beide sollen am 30. Juni 2015 ihre Tore schließen. Außerdem will Karstadt zwei sogenannte Schnäppchencenter in Frankfurt (Oder) und Paderborn sowie zwei auf junge Kundschaft ausgerichtete Zentren in Göttingen und Köln dichtmachen.

 

Die Schließung der Stuttgarter Filiale kommt nicht völlig überraschend. Schon im Oktober vergangenen Jahres hatte es entsprechende Gerüchte gegeben. Damals hatte die Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“ über Schließungspläne berichtet. Von jährlichen Verlusten in zweistelliger Millionenhöhe in dem Haus in der Königstraße war die Rede gewesen.

Laut Arbeitnehmervertretern sind in den sechs Standorten, die geschlossen werden sollen, rund 200 bis 240 Mitarbeiter beschäftigt. Weitere Schließungen drohten, da insgesamt rund 2000 Stellen auf der Kippe stünden, hieß es. Wo genau diese wegfallen sollten, sei noch offen.

Keil: „Tiefgreifender und umfassender Wandel“

Der neue Karstadt-Chef Fanderl betonte: „Die Sanierung wird uns viel abverlangen. Ohne zum Teil sehr schmerzliche Entscheidungen wie auch Filialschließungen wird es nicht gehen, um das Überleben des Gesamtunternehmens zu sichern.“ Man habe aber auch in kürzester Zeit ein Zukunftskonzept erarbeitet, mit dem das Unternehmen strategisch neu ausgerichtet werden könne. Bereits im nächsten Jahr sollten einzelne neue Warenhaus-Konzepte an den Start gehen.

Fanderl will im Zuge der Konzernsanierung mit der Belegschaft auch über mögliche Zugeständnisse verhandeln. „Wir müssen über Einsparungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sprechen und darüber, die Tarifpause über 2015 hinaus zu verlängern“, sagte Fanderl dem „Handelsblatt“. Neben dem Aus für sechs Standorte soll bei weiteren acht bis zehn Filialen nach individuellen Lösungen gesucht werden. „Wir sprechen etwa mit den Vermietern, ob es alternative Nutzungen für den Standort gibt und eine Chance besteht, früher aus den laufenden Mietverträgen herauszukommen“, sagte Fanderl.

Der Karstadt-Aufsichtsrat berief den 51-jährigen Fanderl zum neuen Konzernchef und füllte damit nach drei Monaten die durch den überraschenden Abgang von Eva-Lotta Sjöstedt hinterlassene Lücke. Fanderl war bisher Aufsichtsratschef der Warenhauskette. Seinen Posten übernahm Wolfram Keil, der als Vertrauter des Karstadt-Eigentümers René Benko gilt und auch Geschäftsführer der für das Handelsgeschäft zuständigen Benko-Firma Signa Retail GmbH ist. Keil kündigte einen „tiefgreifenden und umfassenden Wandel“ des Unternehmens an. Sanierung und Zukunftskonzept bedingten sich gegenseitig. „Wir stehen erst am Anfang eines langen Prozesses“, sagte er.

Betriebsrat: Dunkler Tag für die Beschäftigten

Der Karstadt-Gesamtbetriebsratchef Hellmut Patzelt sprach von einem „dunklen Tag für die Beschäftigten“. Die Arbeitnehmervertreter wollten nun versuchen, in Verhandlungen mit dem Management die Zahl der bedrohten Stellen zu verringern. Karstadt hat derzeit noch insgesamt 17.000 Beschäftigte. Die Verdi-Vertreterin im Aufsichtsrat, Stefanie Nutzenberger, kritisierte, das Konzept der Karstadt-Führung wolle lediglich Kosten reduzieren, nicht Umsätze steigern.

Karstadt-Eigentümer Benko hat bislang kein eigenes Konzept für die Zukunft der Warenhauskette vorgelegt. Kennern zufolge müssten viele Hunderte Millionen Euro investiert werden, um Karstadt ein frisches, zukunftsfähiges Konzept zu geben. Sie bezweifeln jedoch, dass Benko das kann und will und vermuten eher, dass der Österreicher vor allem seine bisherigen Investments retten will. Seiner Immobilienfirma Signa Holding gehörten bereits die Karstadt-Sporthäuser, das Berliner KaDeWe, das Hamburger Alsterhaus, das Münchener Oberpollinger sowie zahlreiche Karstadt-Immobilien. Einem Insider zufolge würden sich die Kosten für eine Rückkehr in die Gewinnzone auf 209 Millionen Euro belaufen, eine nachhaltige Sanierung würde 263 Millionen Euro kosten.

Allerdings kündigte Karstadt-Chef Fanderl gegenüber dem „Handelsblatt“ an, die Signa-Holding von Neu-Eigentümer René Benko werde weiteres Geld zur Verfügung stellen. „Die Signa wird nach der erfolgreichen Sanierung über die kommenden Jahre in dreistelliger Millionenhöhe in das präsentierte Zukunftskonzept investieren.“