Nach langem Zögern und Abwarten hat die ukrainische Regierung nun den Spezialeinsatz im Osten des Landes gestartet. Die Soldaten sollen die Bürger vor den prorussischen Separatisten schützen, hieß es von Seiten der Regierung.

Nach langem Zögern und Abwarten hat die ukrainische Regierung nun den Spezialeinsatz im Osten des Landes gestartet. Die Soldaten sollen die Bürger vor den prorussischen Separatisten schützen, hieß es von Seiten der Regierung.

 

Kiew/Moskau - Mit einem Sondereinsatz gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes hat die Ukraine zwei Tage vor internationalen Krisengesprächen in Genf den Zorn Moskaus auf sich gezogen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach bei einem Besuch in Peking von einer "Verletzung ukrainischer Rechtsnormen und des Völkerrechts". Über das Ausmaß des Einsatzes gab es aus unabhängigen Quellen zunächst keine verlässlichen Informationen.

Ukrainische Regierungskräfte hätten am frühen Morgen das Feuer auf Straßensperren vor Slawjansk eröffnet, sagte am Dienstag ein Sprecher der prorussischen Separatisten. Dabei seien mehrere Menschen verletzt worden. Bewaffnete hätten die Stadt umstellt, die moskautreuen "Selbstverteidigungskräfte" bereiteten sich auf einen Angriff vor.

Der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow hatte den Beginn des Einsatzes im Parlament in Kiew verkündet. Ziel des Vorrückens im Norden des ostukrainischen Gebiets Donezk sei der "Schutz der Bürger vor Terroristen, die das Land zerreißen wollen".

Separatisten besetzen Verwaltungsgebäude

In mehreren Orten der Ostukraine halten moskautreue Separatisten Verwaltungsgebäude besetzt. Sie fordern einen föderalen Staat mit weitgehenden Autonomierechten für das russisch geprägte Gebiet.

Moskau forderte von der ukrainischen Regierung einen sofortigen Stopp des Einsatzes und warnte vor einem Scheitern der für Donnerstag geplanten Gespräche in Genf. Dort wollen die Außenminister Russlands, der USA und der Ukraine zusammen mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton über Möglichkeiten einer diplomatischen Lösung der Krise beraten.

US-Präsident Barack Obama und Russlands Präsident Wladimir Putin erörterten den Konflikt bereits in der Nacht zum Dienstag am Telefon. Nach Angaben des Weißen Hauses äußerte sich Obama sehr besorgt darüber, dass Moskau die prorussischen Separatisten in der Ostukraine unterstütze. Putin bestritt dem Kreml zufolge eine Einmischung und forderte seinerseits Obama auf, seinen Einfluss in der Ukraine geltend zu machen, um ein Blutvergießen und den Einsatz von Gewalt zu verhindern.

Moskau sei daran interessiert, dass die Zusammenkunft in Genf zustandekomme, beteuerte Außenminister Lawrow. Die Teilnehmer hätten sich schon auf ein vorläufiges Programm geeinigt - darunter Deeskalation, Entwaffnung illegaler Einheiten, verfassungsmäßige Reformen und Wahlen in der Ukraine, sagte Lawrow.

In Peking wurde der Russe nach einem Gespräch mit seinem Amtskollegen Wang Yi auch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping empfangen - was als besondere Geste gewertet werden kann. Die chinesische Führung bekräftigte ihre "unparteiische Position" in dem Konflikt. China sei ein Freund des ukrainischen Volkes und unterstütze das Genfer Treffen. Lawrow dankte Peking für seine "vorurteilslose und ausgewogene Haltung".

Die EU-Verteidigungsminister sicherten Polen, Rumänien und den drei baltischen Staaten angesichts der Ukraine-Krise ihre Solidarität zu. "Wir haben eine ausgesprochen fragile Situation, in der jetzt auch Besonnenheit wichtig ist", sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nach Beratungen der Minister in Luxemburg. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der als Gast über die Lage in der Ukraine referierte, bekräftigte: "Wir diskutieren nicht über militärische Optionen." Allerdings wolle die Nato in den östlichen Bündnisländern auch militärisch stärker präsent sein als bisher.

Die Europäische Union sperrte unterdessen die Konten des einstigen kommissarischen Ministerpräsidenten der Ukraine, Sergej Arbusow. Der Vertraute des früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch ist einer von vier Ukrainern, die neu auf die Sanktionsliste gesetzt wurden. Damit stieg die Zahl der Personen, die wegen des Verdachts auf Veruntreuung staatlicher ukrainischer Gelder keinen Zugriff mehr auf Konten in der EU haben, von bisher 18 auf 22.

Sprecherin der Seperatisten: Sind keine Terroristen

Nach Erkenntnissen von UN-Experten hat es im Osten der Ukraine zwar vereinzelte Übergriffe auf Angehörige der russischen Minderheit gegeben, aber keine systematischen Attacken. Allerdings hätten Russen dort tatsächlich Angst, dass die Regierung in Kiew ihre Interessen nicht vertrete, heißt es in einem in Genf vorgelegten Bericht. Darin wurde die Regierung in Kiew ermahnt, die Rechte der russischen Minderheit zu respektieren.

Eine Sprecherin der prorussischen Separatisten, Jekaterina Gubarewa, sagte, die Aktivisten in der Ostukraine seien keine Terroristen. Es gebe weder Plünderungen noch Vandalismus - viele Menschen in der Region seien "einfach enttäuscht" über die neue Regierung in Kiew. Interimspräsident Turtschinow hatte sich am Vortag offen gezeigt für ein landesweites Referendum über die künftige Struktur der Ukraine.

In Kiew griffen unterdessen Unbekannte zwei prorussische Präsidentenkandidaten an. Der Politiker Oleg Zarjow wurde von einer Menge mit Schlägen traktiert und ließ sich anschließend in einer Klinik behandeln. Zarjows Mitarbeiter machten Rechtsextreme für die Attacke verantwortlich. Der Kandidat Michail Dobkin wurde von einer Gruppe erst mit Mehl und dann mit Farbe überschüttet. Die Präsidentenwahl in der Ex-Sowjetrepublik soll am 25. Mai stattfinden.