Die Krise breitet sich aus. Das mag die Befürworter von Sanktionen freuen. StZ-Wirtschaftsredakteur Michael Heller befürchtet jedoch, dass jetzt ein Flächenbrand droht.

Stuttgart - Die Suche nach ökonomischen Ursachen für die Wirtschaftskrise in Russland wird zu keinem großen Erkenntnisgewinn führen. Längst ist bekannt, dass das Land trotz hervorragender Voraussetzungen durch die lange Zeit munter sprudelnden Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft wirtschaftlich nicht wie gewünscht von der Stelle gekommen ist. Andere Schwellenländer haben der Nation mit dem großen Potenzial den Rang abgelaufen. Die direkten und die mittelbaren Folgen der Sanktionen des Westens treiben das Land nun tief in die Krise – und zwar schneller als noch vor Kurzem geahnt. Marcel Fratzscher, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW, denkt sogar schon an eine Staatspleite und beziffert die Wahrscheinlichkeit mit einem Drittel. Das klingt nach einem erschreckend hohen Wert. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass eine seriöse Schätzung gegenwärtig so gut wie unmöglich ist.

 

Von politischer Seite mag eingewandt werden, dass der Druck zu wirken beginnt und die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass Russlands Präsident Wladimir Putin dem Westen Zugeständnisse macht. Unabhängig davon, dass die Erfolgsgeschichte von Wirtschaftssanktionen ausgesprochen kurz ist, zeigt die aktuelle Lage aber, dass die Europäische Union dabei ist, sich selbst in Gefahr zu bringen. Zwar tut der niedrige Ölpreis auch der deutschen Wirtschaft gut. Aber ein Zusammenbruch des Russlandgeschäfts in Ermangelung von Nachfrage nach Gütern oder durch den Rubel-Kursverfall geht an der deutschen Konjunktur nicht vorbei. Die Exporteure haben bisher schon mit einem Einbruch der Ausfuhren um 20 Prozent gerechnet; nach Einschätzung des Vorsitzenden des Ost-Ausschusses der Wirtschaft, Eckhard Cordes, könnte es jetzt noch schlimmer kommen.

Die Erfahrungen mit Wirtschaftskrisen zeigen, dass die Ansteckungsgefahr groß ist; zunächst örtlich begrenzte Krisen breiten sich schnell global aus und sind dann kaum noch einzudämmen – ein Spiel mit dem Feuer. Ob die Sanktionsbefürworter das auf der Rechnung haben? Es sieht gegenwärtig nicht danach aus.