Trotz Regierungswechsel und Baustopp steht das Zeltdorf der Parkschützer im Schlossgarten noch. Das ärgert Bürger und Politiker - auch die Grünen.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - In Stuttgart mehren sich die Stimmen, dass die Zeit reif ist, im Schlossgarten die Zelte abzubrechen. "Sind die immer noch da?", fragen viele Passanten im Park. Längst ist das Dorf der Protestler nicht mehr nur Befürwortern von Stuttgart 21 ein Dorn im Auge. Das Unverständnis nimmt auch bei den Projektgegnern zu, seit die Aktivisten im Umfeld der Parkschützer und des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 am Wochenende bei einer Säaktion angekündigt haben, im Park nicht nur das Gras wieder wachsen zu lassen, sondern auch das Zeltdorf. Ihre Begründung: die Bahn halte sich nicht an den Baustopp. Dem widerspricht die Bahn. Lediglich bereits begonnene Arbeiten würden weitergeführt, so Wolfgang Dietrich, der Sprecher des Projekts.

 

Angesichts des Baustopps wird der Ton bei manchen scharf: "Das hat inzwischen mehr mit Anarchie als mit Demokratie zu tun", sagt der SPD-Stadtrat Andreas Reißig. Das Protestlager ist für ihn eine "erhebliche Störung im Schlosspark". Er sieht die Wortführer der Gegner, namentlich "Werner Wölfle und Gangolf Stocker in der Verantwortung. Aber die werden die Geister, die sie riefen, nicht mehr los."

"Erst der Regierungswechsel, dann das Gespräch"

Der Grünen-Politiker Werner Wölfle ist in einem Punkt ganz Reißigs Meinung: Die Zeit des Zeltdorfes ist auch für ihn vorbei. "Wir brauchen keine Wachzelte mehr." Er hoffe, das sich im Park bald "die normale Ordnung wie auf allen anderen Plätzen in Stuttgart auch" wieder einstellen werde. Von einem "Durchgreifen", um diese Ordnung wiederherzustellen, will er aber nichts wissen.

Das Parkgelände gehört dem Land. Werner Wölfle kennt die Mutmaßungen, die alte Regierung sei gegen das Zeltdorf nicht mehr vorgegangen, um das Problem der neuen Regierung zu hinterlassen - und nimmt dies gelassen. "Erst mal muss der Regierungswechsel vollzogen werden, dann werden wir mit allen im Unterstützungskreis das Gespräch suchen", kündigt Wölfle an. Dabei könne es notwendig werden, dass man sich mit Sozialarbeitern um Obdachlose kümmern müsse, die sich das Zeltdorf zur neuen Heimat erkoren haben. Auf jeden Fall müsse die Verhandlung über den Abbau der Zelte ruhig und besonnen laufen, das ist Wölfle wichtig. "Unser Vorteil der Stuttgarter Bewegung gegen Stuttgart 21 ist, dass der Protest immer von weiten Kreisen der Bevölkerung getragen wurde. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen", sagt der Stadtrat und Landtagsabgeordnete.

Nur die Parkschützer haben noch Verständnis

Der CDU-Chef im Gemeinderat, Alexander Kotz, ist der Meinung, dass zumindest ein zeitweiser Abzug angebracht wäre. "Die Bahn hat klar gesagt, dass bis Oktober im Park nichts passieren wird. Da können die Gegner den Schlossgarten doch wenigstens im Sommer den Bürgern überlassen", sagt er. Dass nun auch viele Grüne das Zeltdorf kritisieren, kommentiert er süffisant: "Die Grünen werden sich von vielem distanzieren müssen."

Nur aus einer Richtung kommt noch Verständnis für diejenigen, die im Park ausharren oder sich neu hinzugesellen wollen: von der Organisation Parkschützer. An deren Sprecher Matthias von Herrmann dringt offenbar nicht viel Kritik an der Zeltstadt: "Es kommt immer darauf an, mit wem man redet", sagt er. Und: "Ich sehe eine Berechtigung zu bleiben." Zwar sei der Rückzug nach der Wahl angekündigt worden. "Aber die Bahn hat ihr Versprechen vom Baustopp gebrochen." Die Parkschützer hätten nämlich am Grundwassermanagement und im Südflügel Bauarbeiten beobachtet.

Die Bahn sieht keinen Verstoß gegen den Baustopp

Von der Bahn ernten die Gegner damit nur Unverständnis: "Es wurden seit der Zusage am 29. März keine neuen Baustellen begonnen und keine neuen Aufträge vergeben", teilt der Sprecher Wolfgang Dietrich mit. Gearbeitet werde an den begonnenen Baustellen des Grundwassermanagements und am Gleisvorfeld sowie im Südflügel zur Gebäudesicherung. All das sei kein Verstoß gegen den Baustopp.