Das Auswärtige Amt hat mit einer Netzkampagne Aufsehen erregt, in dem es mit Gerüchten aufräumt, dass etwa jeder Flüchtling ein Haus bekommt, wenn er die deutsche Grenze überschreitet. Wir haben mit Flüchtlingen gesprochen und gefragt, wie groß die Enttäuschung war.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Berlin - Endlich werden die Probleme an der Wurzel angepackt. In dieser Färbung titelten etliche Medien, als das Auswärtige Amt seine neue Kampagne vorstellte: Mit sieben großen Lügen, die Schleuser angeblich verbreiten, um Flüchtlinge nach Deutschland zu locken, wird da aufgeräumt. Etwa, dass jeder Flüchtling in Deutschland umsonst ein eigenes Haus bekommt. Das Problem: Offenbar gibt es kaum Flüchtlinge, die diesen Unsinn wirklich geglaubt haben, als sie nach Deutschland kamen. Der Flüchtlingsrat vermutet, dass die Kampagne in Wahrheit einen ganz anderen Adressaten hat.

 

Faez Alyoussef macht große Augen, als er die Webseite rumoursaboutgermany.info besucht – übersetzt: „Gerüchte über Deutschland“. Dort sind in Sprachen aller möglicher Herkunftsländer von Flüchtlingen „Sieben große Lügen der Schleuser“ gelistet, die als Unwahrheiten enttarnt werden.

Angefangen damit, dass laut Schleusern zur Standardausstattung von Flüchtlingsbooten Pool und Kino gehören und 2000 Euro Begrüßungsgeld winken, gipfeln die Lügen schließlich in dem eigenen Haus, das jedem Flüchtling in Deutschland zustehe. „Mir haben die Schleuser nie so einen Mist erzählt“, sagt Alyoussef, der 2015 von Aleppo in Syrien über die Türkei nach Deutschland gelangte.

Kutter oder Plastikschale

Es seien auch ganz andere Fragen, die interessierten: Wie sicher ist die See? Wie viel teurer ist ein halbwegs vernünftiger Kutter, verglichen mit einer Plastikschale? Wie lange dauert die Überfahrt? „Das sind die Themen, über die man redet“, sagt Alyoussef. Deutschland sei alleine schon deswegen kein Thema, weil die Schleuser ihre Schuldigkeit darin erledigt sehen würden, die Flüchtlinge an die Küste Griechenlands zu schaffen.

Auch Mahmoud Ali Yousef, ebenfalls ein syrischer Flüchtling, hält die Kampagne des Auswärtigen Amtes für lebensfremd. „Mir wurde so etwas nie erzählt oder versprochen – und ich hätte es auch nie geglaubt“, sagt er. Er habe vor seiner Ankunft sehr genau über die Situation in Deutschland Bescheid gewusst – man habe ja auch Kontakt zu anderen Syrern, die bereits in Deutschland sind. „Ich kenne auch niemanden, dem solche Dinge erzählt worden sind“, sagt Yousef.

Woher hat das Auswärtige Amt also die Information, dass Flüchtlinge angeblich auf solche leeren Versprechungen reinfallen? Ein Sprecher weicht aus: „Mit der neuen Internetseite bündeln wir auf Englisch, Französisch und Arabisch unsere bisherigen Social-Media-Aktivitäten gegen Gerüchte und Fehlinformationen im Netz und führen in konzentrierter Form alle relevanten Informationen für Migranten und Flüchtlinge zusammen.“ Seine Informationen beziehe das Auswärtige Amt von Fachreferaten und Auslandsvertretungen.

Die Gerüchte besser auf Bayrisch übersetzt

Viele Fragen um Flüchtlinge laufen beim Flüchtlingsrat Baden-Württemberg zusammen. Der Verein vernetzt Flüchtlingshelfer-Freundeskreise und unterhält eine Beratungsstelle in der Stuttgarter Innenstadt. Geschäftsführer Seán McGinley hält die Aufklärungskampagne für puren Aktionismus. „Wir sind hier über die Jahre nicht einem Flüchtling begegnet, der auch nur ein einziges dieser sieben Gerüchte geglaubt hätte“, sagt er.

Alleine zu denken, dass Flüchtlinge solche Vorstellungen hätten, zeige, dass die Behörde „in einem Paralleluniversum“ lebe. Der einzige Zweck der Webseite sei, der heimischen Bevölkerung das Gefühl zu vermitteln, dass Fluchtursachen vor Ort bekämpft würden. „Wahrscheinlich wäre es am sinnvollsten gewesen, die Gerüchte auf Bayrisch zu übersetzen“, sagt McGinley.