Der neue Held der Werbekampagne für das Jubiläumsjahr ist gar nicht neu. Eine Hobbykünstlerin will den Ludwigsbürger schon vor Jahren erfunden haben. Der Stadt macht das aber nichts.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Der neu erfundene Ludwigsbürger, den die Stadt zu ihrem 300. Geburtstag ganz groß rausbringen möchte, ist gar nicht neu. Die Hobbykünstlerin Regina Boger beansprucht die Erfindung des Ludwigsbürgers für sich und ihre Kollegen, die ein Projekt initiiert haben, bei dem Ludwigsburger, respektive eben Ludwigsbürger, aufschreiben, was die Stadt für sie bedeutet.

 

Die Anerkennung fehlt

Man fühle sich ja geehrt, dass die Wortschöpfung für so originell erachtet werde, dass sie nicht nur im Mittelpunkt der Jubiläumskampagne steht, sondern dass der Gemeinderat auch nachgerade begeistert davon ist. Allerdings, schiebt Regina Boger nach, hätte man sich gewünscht, dass die wahren Urheber dieser Wortschöpfung auch gewürdigt würden. In diesem Fall wären das die Stadtschreiberinnen Regina Boger und Heidi Seibt, die das Geschichtenprojekt initiiert haben.

Der Ludwigsbürger, der für das nahende Jubiläumsjahr entdeckt wurde, ist Ende September im Gemeinderat vorgestellt worden. Dort präsentierte die Agentur Werbewelt ihr Kommunikationskonzept für die Marke Ludwigsburg, die, dem großen Anlass entsprechend, neu ausgerichtet wurde. In diesem Zusammenhang entstand der Slogan „Ludwigsburg inspiriert!“

„Hauptsache Ludwigsbürger“

Auch Stadtmarketing könne kreativ und unterhaltsam sein, erklärten die Werber den Räten und führten den Ludwigsbürger als zentralen Bestandteil der 60 000 Euro teuren Kampagne ein. Auf Plakaten, Flyern und sonstigen Werbeträgern sollen Texte stehen wie: „Das Leben genießen wie ein Ludwigsbürger“. Oder: „Lumpenburger, Kastanienbeutel, wie auch immer. Hauptsache: Ludwigsbürger!“

„Weshalb beansprucht die Agentur die Urheberschaft unserer Wortschöpfung“ fragt Regina Boger in einem Brief, den sie an die Stadtverwaltung geschickt hat. Der Stadt, argumentiert sie, war spätestens seit dem Jahr 2015 bekannt, dass es den Ludwigsbürger bereits gibt. Sogar eine Ludwigsbürgerin gibt es. Das Projekt, in dem Bogers Bürger die zentrale Rolle spielt, nennt sich „LudwigsbürgerInnen“.

Alteingesessene und neu Zugezogene schreiben dabei über ihre Stadt. Weil viele Geschichten vom Früher erzählen („Die Tälesbanditen“) und vom Heute („Ein Kilometer Ludwigsburg“), kann man viel darüber erfahren, wie Ludwigsburg zu Ludwigsburg geworden ist und was Ludwigsburg zu Ludwigsburg macht. Auf diese Weise, so das Ziel der Stadtschreiberinnen, soll eine „Stadtistik in Geschichten“ entstehen.

Die Stadt versteht den Ärger nicht

Seit Dezember 2014 steht das Projekt auf der städtischen Internetseite MeinLB.de, der Flyer dazu wurde in vielen Einrichtungen in der Stadt ausgelegt, und im Herbst 2015 wurden einige der Geschichten dieser „LudwigsbürgerInnen“ beim Literaturfest vorgelesen, die im Übrigen im Stadtarchiv verwahrt werden. Und dann, am 29. September, liest Regina Boger, dass der Gemeinderat alle Ludwigsburger zu Ludwigsbürgern machen will und ob dieser Originalität ganz aus dem Häuschen ist. „Ich war fassungslos“, sagt die Berufsschullehrerin im Ruhestand. Wenigstens fragen hätte die Stadt ja können.

Dafür jedoch sieht die Stadt keinen Anlass. Einmal, weil es nicht den geringsten Zielkonflikt gebe, wie der Sprecher Peter Spear erklärt. Das Geschichtenprojekt sei gut und toll. Weshalb es auch im Jubiläumsjahr wieder Teil des Literaturfests sein werde. Und auch, weil der Ludwigsbürger nun mal so nahe liege, dass quasi jeder auf ihn zugreifen dürfe. Im Jahr 2004 habe sogar eine Liste für die Kommunalwahl kandidiert, die sich „Aktive Ludwigsbürger“ nannte. „Die Übereinstimmung schadet nicht“, sagt Peter Spear. „Im Gegenteil!“