Das Ringen um das geplante Gasheizkraftwerk Gaisburg verschärft sich. Am Dienstag werden die Einwendungen und Anregungen erörtert. Umweltschützer fordern von der EnBW einen größeren Baustein zur Energiewende in Stuttgart.

Stuttgart - Mit einem neuen Gasheizkraftwerk in Gaisburg verspricht die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) einen „wichtigen Baustein für die Energiewende in Stuttgart“ – doch die zu Jahresanfang aufgekommene Kritik von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen wird stärker. Michael Fuchs vom Bürgerverein Kommunale Stadtwerke Stuttgart hält auch eine Klage für möglich. Am Dienstag, 19. Juli, sollen die Bedenken von Verbänden wie dem Landesnaturschutzverband bei einer Erörterung zur Sprache kommen. In der Alten Scheuer in Degerloch wird von 10.30 Uhr an besprochen, was Träger öffentlicher Belange – also Behörden und Verbände – vorbrachten. Schon die Wahl des Ortes durch das Regierungspräsidium (RP) ist ein Politikum. „Er ist untypisch, ungeeignet, abgelegen“, sagt Fuchs, „dorthin wird sich kaum jemand verirren.“ Die Alte Scheuer ist gut sechs Kilometer vom alten Kohlekraftwerk weg.

 

Wärmeleistung soll sogar leicht sinken

Die eigentliche Frage, die neben dem Schutz von Mauereidechse und Hausrotschwanz aufgeworfen ist, ist die, ob das Projekt der EnBW nicht sehr viel mehr zur Energiewende beitragen müsste. Umweltschützer halten einen Ausbau der Fernwärmeversorgung für nötig und möchten daher das künftig im Regelfall mit Gas betriebene Kraftwerk anders auslegen – weil man mehr Haushalte ans Wärmenetz anschließen solle und weil dann das ebenfalls an der Fernwärmeleitung hängende Kraftwerk Altbach unter Umständen zurückgefahren werden könne. Denn in Altbach werde weiter Kohle verfeuert, und aus Kohle müsse die EnBW raus, später auch aus der Verfeuerung von Erdgas. Nach der EnBW-Planung wird die neue Anlage aber sogar etwas weniger Fernwärme abgeben als die alte. Verbände, Bürger und der Energieexperte Joachim Nitsch plädierten für ein größeres Gas- und Dampfkraftwerk mit höherem Wirkungsgrad. Dieses könne im Sommer bei wenig Heizbedarf mehr umweltfreundlichen Strom erzeugen.

EnBW weist auf Grenzen von mehr Fernwärmeversorgung hin

Die Kritiker halten es schon wegen neuester Vorgaben wie dem Klimaschutzgesetz des Landes und dem Energiekonzept der Stadt für unabdingbar, das „Rendite-orientierte“ EnBW-Projekt in eine größere Strategie einzubinden. Doch gerade erst hat die EnBW im Rathaus ihr Konzept verteidigt.

Damit ziehe man sich – was oft gefordert wird – aus der Kohlenutzung zurück. Der Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid werde um 30 Prozent verringert, der von Schwefeloxiden um 70 Prozent, der Feinstaub um 90 Prozent. Ein größer dimensioniertes Gas- und Dampfkraftwerk wäre beim Verfall der Strompreise völlig unwirtschaftlich. Zudem könne es im Sommer nur Strom liefern. Wegen Stuttgarts Topografie sei eine Versorgung mit Fernwärme, die heute vor allem am Neckar und in der Innenstadt 18 Prozent der Stuttgarter Siedlungsfläche und elf Prozent der Haushalte einbezieht, limitiert. Anders herum könnte man von Gaisburg auch nicht Esslingen und Plochingen komplett versorgen. Die Aufträge für Heizkessel, Gasmotoren und Wärmespeicher hat die EnBW auch schon vergeben. Anfang 2019 will sie die Anlage anwerfen.

Auch Stadträte mahnen die Stadtverwaltung

Gleichwohl fordern die Kritiker von RP, Land und Stadt noch eine Wende. Sie könnten nicht ein hehres Klimaschutzgesetz und ein Energiekonzept machen, dann aber sofort ihre Ziele über Bord werfen, meint Michael Fuchs. Im Konzept der Stadt, erinnerte im Rathaus Christoph Ozasek (Linke), stehe die Vision, dass Stuttgarts Bilanz beim Kohlendioxid 2050 ausgeglichen ist. Hans Pfeifer (SPD) mahnte eine aktivere Rolle der Verwaltung und Aussagen zum Fernwärmeausbau an, wenngleich das EnBW-Projekt, für sich betrachtet, gut sei.