Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass durch Gigaliner immer mehr Fracht von der Schiene auf die Straße verlagert werden würde. Der Verband der Autoindustrie sieht das anders.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Täglich rund 7000 Lkw-Fahrten mehr könnte es geben, wenn Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sich durchsetzt und die Genehmigung für den Regelbetrieb der Riesenlaster erteilt. Davor warnt eine neue Studie der Verkehrswissenschaftler Herbert Sonntag (TH Wildau) und Gernot Liedtke (TU Berlin) im Auftrag des Bündnisses Allianz pro Schiene. Die Studie wurde am Montag in Berlin vorgestellt.

 

Man sehe sich in der Skepsis gegenüber den 25-Meter-Lastern bestätigt, erklärte ein Sprecher von Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Die grün-rote Landesregierung hat die Teilnahme an dem umstrittenen Feldversuch der Bundesregierung lange abgelehnt und erst kürzlich eine Ausnahmegenehmigung für drei Autobahnabschnitte sowie weitere Straßen erteilt. Die Verbindungen führen vor allem zu Werken des Autokonzerns Daimler, der die Sondererlaubnis auch beantragt hat. Die Rede ist daher von einer „Lex Daimler“. Der Konzern und der Verband der Automobilindustrie (VDA) argumentieren, zwei Riesenlaster könnten drei herkömmliche Lkw ersetzen und so Verkehr reduzieren. Die Studie dagegen kommt zum Ergebnis, dass die Großlastwagen mit ihrem um 50 Prozent größeren Ladevolumen die Kosten des Straßentransports verringern und so den umweltschonenderen Güterbahnen das Überleben noch schwerer machen. Fast acht Prozent des Frachtverkehrs auf der Schiene könnten daher künftig zusätzlich über die Straßen rollen.

Autoindustrie: Noch keine Daten zu Verlagerungseffekten

VDA-Präsident Matthias Wissmann bestreitet diese Aussage. Der Feldversuch habe bisher „keine Anhaltspunkte“ geliefert, dass Lang-Lkw eine Transportverlagerung von der Schiene zur Straße verursachten, erklärte der frühere Bundesverkehrsminister. Allerdings konnten solche Verlagerungseffekte von der zuständigen Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt) noch gar nicht untersucht werden, da bisher kaum mehr als 100 Riesenlaster unterwegs sind. Die Riesenlastwagen eigneten sich „hervorragend für den Einsatz im kombinierten Verkehr“, erklärte Wissmann weiter. Damit ist der kombinierte Transport von Fracht in Containern gemeint, die über möglichst lange Strecken mit der Bahn transportiert und an Kombi-Terminals auf Lkw umgeladen werden. Genau diese Möglichkeit hat Daimler allerdings auf seiner neuen Vorzeigestrecke für die Riesenlaster nicht genutzt.

Zweimal Umladen bei der Bahnverbindung

Seit Ende Juli fahren täglich zwei Gigaliner mit sperrigen Kunststoffteilen des Zulieferers KNB vom sächsischen Bautzen fast 600 Kilometer ins schwäbische Montagewerk Sindelfingen. Die Fahrt über Bamberg dauert rund zwölf Stunden. Bisher erledigten drei herkömmliche Lkw diese Lieferung. Denn eine Bahnverbindung für die Güter gebe es auf dieser Relation nicht, betonte Daimler wiederholt. Doch diese Aussage stößt beim Bündnis Allianz pro Schiene, dem zwei Dutzend Umwelt- und Verkehrsverbände angehören, auf scharfe Kritik. Für die Strecke gebe es eine leistungsfähige Kombiverkehr-Verbindung, sagt der Verkehrsexperte des Bündnisses, Martin Roggermann. Demnach könnte Daimler die Fracht von Bautzen per Lkw zum nur 60 km entfernten, frei zugänglichen Bahnterminal von BASF in Schwarzheide transportieren und von dort auf der Schiene ins Stammwerk des Chemiekonzerns nach Ludwigshafen. Dort könnten die Container wieder auf Lkw umgeladen und die restlichen rund 140 km nach Sindelfingen gefahren werden. Damit würden die Daimler-Teile pro Strecke nur 200 statt 600 km über die Straße rollen.

Die Containerverbindung ist bei speziellen Anbietern wie Hupac und der Kombiverkehr KG zu buchen und wird bis zu sechs Mal pro Woche gefahren. Der Zug ist 42 Stunden unterwegs, fährt zu festen Zeiten und kommt morgens um 3 Uhr in Ludwigshafen an. Die Kapazität des Terminals in Schwarzheide wurde gerade verdoppelt. Ein Daimler-Sprecher erklärte, als Alternative zum Lang-Lkw seien Bahnverbindungen zwischen Bautzen und Sindelfingen geprüft und als „nicht sinnvoll“ bewertet worden. Im Kombiverkehr müsse die Fracht zwei Mal umgeladen werden, was Zeit koste. Der Bahnanschluss im Werk Sindelfingen wiederum sei tagsüber „an der Kapazitätsgrenze“.