Baden-Württemberg war in den letzten Jahren in Sachen Hochwasserschutz alles andere als untätig. Emil Dister vom WWF-Aueninstitut findet trotzdem Kritikpunkte: Er bemängelt die fehlende Renaturierung von Auenlandschaften und die nur langsamen Fortschritte.

Stuttgart - Die rot-grüne Landesregierung zeigt sich gesprächsbereit – nicht nur beim Nationalpark im Schwarzwald: „Wir brauchen einen wirksamen und ökologischen Hochwasserschutz, der eine breite Akzeptanz findet“, so der Umweltminister Franz Untersteller (Grüne), als er im August 2011, sozusagen als Antrittsbesuch, das größte Hochwasserschutzprojekt in Baden-Württemberg besuchte. Mit dem Integrierten Rheinprogramm (IRP) soll der Oberrhein zwischen Basel und Karlsruhe und weiter bis Mannheim so umgestaltet werden, dass er – zumindest bis zur Staustufe Iffezheim bei Rastatt – wieder ähnlich viel Wasser aufnehmen kann wie vor dem Ausbau. Dazu sollen auf der baden-württembergischen Rheinseite 13 Rückhalteräume mit einem gesamten Volumen von 167 Millionen Kubikmeter geschaffen werden – und zwar auf ehemaligen Aueflächen.

 

Dies soll auf umweltverträgliche Weise geschehen, also die ökologische Renaturierung von Auen gleichrangig in die technischen Hochwasserschutzmaßnahmen integriert werden. „Inzwischen ist es aber ein Desintegriertes Rheinprogramm geworden, weil die Renaturierung der Auen nicht mehr stattfindet“, stellt Emil Dister fest, der Leiter des WWF-Aueninstitus am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Das liege daran, dass die Behörden mehr als genug mit dem technischen Hochwasserschutz zu tun hätten. Da blieben ökologische Aspekte leider weitgehend auf der Strecke.

Nennenswerte Widerstände von Kommunen oder Bürgerinitiativen

Beim Hochwasserschutz hat sich auch in Baden-Württemberg einiges getan. „Das darf man aber nicht überbewerten“, stellt Dister klar. Neben der fehlenden Renaturierung von natürlichen Auelandschaften bemängelt der langjährige Kenner der Szene auch die nur sehr langsamen Fortschritte. Dabei räumt er durchaus ein, dass dies oft an hartnäckigen Widerständen in den betroffenen Gemeinden liege. Doch auch zu geringe Planungskapazitäten in den zuständigen Behörden und fehlender politischer Wille seien gravierende Ursachen, warum das 1988 von der Landesregierung beschlossene Projekt nur langsam vorankomme.

Als besonders augenfälliges Beispiel nennt Dister das kombinierte Polder- und Deichprojekt Söllingen/Greffern unterhalb von Rastatt. Obwohl es dort keine nennenswerten Widerstände von Kommunen oder Bürgerinitiativen gegeben habe, habe es bis 2005 gedauert, bis dieser Rückhalteraum fertig gebaut war. 2010 sei dann der Probebetrieb abgeschlossen worden. Damals wurde der 580 Hektar große Rückhalteraum, der bis zu 12 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen kann, bei einem Rheinhochwasser probemäßig erstmals vollständig geflutet. „Bis heute aber hat das Landratsamt noch nicht den Regelbetrieb genehmigt“, berichtet Dister.

Vorgesehenen Rückhalteräume sollen bis 2028 fertig sein

Hochwasserschutz, das lehrt das Rheinprogramm, braucht also einen sehr langen Atem. Das Umweltministerium hält die Fertigstellung aller im Rahmen des IRP vorgesehenen Rückhalteräume bis 2028 „für möglich“– unter „Berücksichtigung der erforderlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der notwendigen Bauzeiten“. Dann soll das gesamte Rückhaltevolumen zur Verfügung stehen. „Das wird nicht reichen“, sagt Dister. So kann man nur hoffen, dass das nächste Jahrhunderthochwasser am Rhein noch lange auf sich warten lässt.